Das LAG Mecklenburg-Vorpommern hat in einem Urteil vom 28.09.2023 (Az.: 5 Sa 15/23) klargestellt, dass den Arbeitgeber die Beweislast für den Fall trifft, dass dieser dem Arbeitnehmer vorwirft im Home-Office nicht gearbeitet zu haben und hierfür die gezahlte Vergütung zurückfordert.
HomeOffice-Tätigkeit der Klägerin
Das Urteil des LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 28.09.2023 (Aktenzeichen: 5 Sa 15/23) verdeutlicht, dass im Falle eines Vorwurfs des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer, dieser im Home-Office keine Arbeitsleistung erbracht zu haben und die Rückforderung der hierfür entrichteten Vergütung, die Beweislast beim Arbeitgeber liegt.
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Die Klägerin, in ihrer Funktion als Pflegemanagerin und leitende Pflegefachkraft, war überwiegend im HomeOffice tätig. Im Januar 2022 leistete sie von insgesamt 166:15 Stunden, 116:15 Stunden aus dem HomeOffice heraus. Im Februar waren es von 167:45 Stunden insgesamt 60:15 Stunden und im März wurden von 188:45 Stunden lediglich 16:30 Stunden im Home-Office verbracht.
Die zentrale Aufgabe der Arbeitnehmerin bestand darin, das Qualitätshandbuch sowie weitere für das Pflegemanagement notwendige Dokumente zu aktualisieren. Ab Ende März 2022 war die Klägerin krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Das Arbeitsverhältnis endete mit Ablauf der Probezeit am 31.05.2022 ordnungsgemäß.
Rückforderung des Gehalts der Arbeitgeberin
Nach Beendigung ihres Dienstverhältnisses forderte die Klägerin von der Beklagten die Auszahlung noch ausstehender Gehälter für April und Mai 2022 sowie die Entschädigung für nicht genommenen Urlaub. Im Gegenzug verlangte die Beklagte mit einer Widerklage die Rückzahlung des für 300,75 Stunden gezahlten Lohns, was einem Gesamtbetrag von 7.112,78 € entspricht.
Die Beklagte führte an, dass die Klägerin für die im HomeOffice geleisteten Arbeitszeiten von 300,75 Stunden keine objektiv nachprüfbaren Arbeitsnachweise erbracht habe. Daher sei davon auszugehen, dass die Klägerin während der angegebenen Arbeitsstunden keine tatsächliche Arbeitsleistung vollbracht habe.
Dokumentation der Arbeitsergebnisse
Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin der Arbeitgeberin zwar keine komplette Fassung des überarbeiteten Qualitätshandbuches übersandt. Sie hatte allerdings, je nach Bearbeitungsstand, immer wieder verschiedene Word-Dokumente hierzu erstellt und an die Arbeitgeberin übersandt.
Besteht Anspruch auf Vergütung?
Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat bestätigt, dass der Klägerin ein Recht auf Fortzahlung des Entgelts im Krankheitsfall für April und Mai 2022 zusteht, sowie auf die noch ausstehende Urlaubsabgeltung.
Des Weiteren wurde festgestellt, dass die Klägerin für die 300,75 Stunden Arbeit im HomeOffice eine Vergütung rechtmäßig erhalten hat, gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB. Daher besteht kein Rückforderungsrecht seitens der Arbeitgeberin bezüglich der bereits geleisteten Zahlungen.
Gilt Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“?
Das Landesarbeitsgericht bezieht sich auf die konstante Rechtsprechung und den etablierten Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“. Die Arbeitsleistung wird als Fixschuld betrachtet, die an feste Zeiten gebunden ist – an bestimmte Tage und Stunden – und kann im Allgemeinen nicht nachgeholt werden. Folglich wird, wenn der Arbeitnehmende zum vereinbarten Zeitpunkt die Arbeit nicht leistet, von einer Unmöglichkeit der Arbeitsleistung ausgegangen.
Diese Unmöglichkeit führt laut ständiger Rechtsprechung dazu, dass der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers nach § 326 Abs. 1 BGB erlischt.
Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn Arbeitnehmende aufgrund einer anderen rechtlichen Grundlage einen Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung haben, obwohl sie die Arbeitsleistung nicht erbracht haben. Ein solcher Anspruch ergibt sich beispielsweise aus dem Entgeltfortzahlungsgesetz für die Weiterzahlung des Gehalts an Feiertagen und bei Krankheit, dem Bundesurlaubsgesetz, Freistellungen gemäß Betriebsverfassungsgesetz oder den Prinzipien des Annahmeverzugs.
Wo liegt Darlegungs- und Beweislast?
Nach Auffassung des LAG Mecklenburg-Vorpommern obliegt es dem Arbeitgeber, darzulegen und zu beweisen, dass und inwieweit Arbeitnehmende ihre Arbeitspflicht nicht erfüllt haben.
Sofern der Arbeitgeber entsprechende Behauptungen aufstellt, müssen Arbeitnehmende darauf substantiiert antworten und die Behauptungen des Arbeitgebers widerlegen. Dies gilt auch für die Arbeit im HomeOffice.
Im konkreten Fall hat die beklagte Arbeitgeberin nicht nachgewiesen, ob und in welchem Umfang die Klägerin im Home-Office ihre Arbeitspflicht verletzt hat. Es wurde weder eine Nichterfüllung der Arbeitsleistung im Umfang von 300,75 Stunden noch in einem geringeren Maße belegt. Insbesondere lassen die von der Klägerin während dieser Zeit versandten E-Mails und Dokumente auf ihre Arbeitsleistung schließen.
Für den Anspruch auf Vergütung ist es unerheblich, dass die Klägerin die Arbeiten nicht in der gewünschten Zeit oder dem gewünschten Umfang erledigt hat. In Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung erfüllen Arbeitnehmende ihre Leistungspflicht, indem sie ihre persönliche Arbeitskapazität angemessen ausschöpfen.
Folgen für die Praxis
Im Allgemeinen obliegt es den Arbeitnehmenden, die Voraussetzungen ihres Entgeltanspruchs darzulegen und zu beweisen. Die Rechtsprechung der höheren Arbeitsgerichte sieht jedoch eine Ausnahme von diesem Grundsatz vor, wenn Arbeitgeber die Vergütung kürzen oder zurückfordern wollen. Dies wurde auch in verschiedenen Urteilen der Landesarbeitsgerichte bestätigt.
Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat nun klargestellt, dass diese Beweislastverteilung auch bei der Arbeit im Home-Office Anwendung findet. Angesichts des Schutzes der Privatsphäre in Bezug auf die Wohnung der Arbeitnehmenden ergibt sich daraus eine erhebliche Beweishürde für Arbeitgeber.
In Situationen, in denen im HomeOffice keine oder nur wenige Arbeitsergebnisse vorliegen, liegt der Verdacht des Arbeitszeitbetrugs nahe. Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern weist jedoch darauf hin, dass der Nachweis eines solchen Betrugs besonders schwierig ist, wenn die Arbeitnehmenden zwar quantitativ minderwertige Ergebnisse liefern, diese aber dennoch bestimmte Tätigkeiten belegen.
In Fällen von Low-Performance kann nicht einfach mit einer einseitigen Kürzung oder Rückforderung des Arbeitsentgelts reagiert werden. Stattdessen ist eine langfristige Dokumentation der Arbeitsergebnisse und eine Abmahnung des Verhaltens erforderlich, um eine darauf basierende personen- oder verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen.
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