Selbstbestimmt leben trotz rechtlicher Betreuung – Rechte und Handlungstipps
Die Vorstellung, unter rechtlicher Betreuung zu stehen, weckt bei vielen Menschen Unsicherheiten. Bedeutet das den Verlust der Selbstständigkeit? Ist man dann entmündigt? Die klare Antwort lautet: Nein. Auch mit einer rechtlichen Betreuung kannst du ein selbstbestimmtes Leben führen. In diesem Ratgeber erfährst du, was du noch entscheiden darfst, wann der Betreuer einspringt und wie du dich schützen kannst – mit konkreten Beispielen, juristisch fundiert und verständlich erklärt.
Was bedeutet rechtliche Betreuung?
Rechtliche Betreuung ist eine vom Gericht angeordnete Unterstützung für volljährige Personen, die aufgrund von Krankheit oder Behinderung ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht selbst regeln können (§ 1814 BGB). Ziel ist es, den Betroffenen zu helfen, nicht sie zu entmündigen.
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Selbstbestimmt leben trotz rechtlicher Betreuung – Rechte verstehen erhalten
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Darf ich, als Betreuter, noch selbst Verträge abschließen?
Grundsatz: Geschäftsfähigkeit bleibt bestehen
Sofern du nicht geschäftsunfähig im Sinne des § 104 BGB bist, darfst du weiterhin eigene Verträge abschließen – etwa für das Handy, Internet, eine Wohnung oder ein Abonnement („§ 105 BGB“). Der Betreuer darf dir das nicht pauschal verbieten, Du kann also noch selbstbestimmt leben.
Wann greift der Betreuer ein?
Wenn ein Vertrag erhebliche finanzielle Folgen hat, kann der Betreuer im Rahmen seines Aufgabenbereichs eingreifen – etwa bei Immobiliengeschäften oder großen Darlehen („§ 1821 BGB“). Aber auch hier gilt: Nur wenn das Gericht diesen Bereich ausdrücklich festgelegt hat.
Beispiel:
- Frau M. (70) hat einen Betreuer für finanzielle Angelegenheiten. Sie möchte sich einen Handyvertrag holen. Da dies zum Alltag gehört und keine außergewöhnliche Belastung darstellt, darf sie das selbstständig tun.
Darf der Betreuer über mein Geld verfügen?
Nur, wenn ihm diese Aufgabe vom Gericht übertragen wurde – und auch dann nicht uneingeschränkt. Der Betreuer unterliegt der gerichtlichen Kontrolle und muss deine Interessen wahren („§§ 1833, 1835 BGB“).
Was darf er nicht?
- Eigene Geschenke mit deinem Geld machen
- Wertpapiere verkaufen ohne gerichtliche Genehmigung
- Immobilien veräußern ohne richterlichen Beschluss
Beispiel:
- Herr K. (65) steht unter Betreuung. Der Betreuer möchte sein Auto verkaufen, um Schulden zu begleichen. Da dies ein erhebliches Rechtsgeschäft ist, braucht er dazu eine Genehmigung vom Betreuungsgericht („§ 1821 BGB“).
Bleibe ich für immer betreuungsbedürftig?
Nein. Eine Betreuung ist keine Endstation. Sie wird regelmäßig überprüft und kann beendet werden, wenn du wieder voll und ganz selbstbestimmt leben, deine Angelegenheiten regeln kannst („§ 1908d BGB“).
Beispiel:
- Frau A. (45) hatte nach einem Unfall vorübergehend eine Betreuung. Nach der Reha ist sie wieder vollständig geschäftsfähig. Der Richter hebt die Betreuung auf – sie lebt selbstbestimmt weiter.
Darf ich noch wählen gehen?
Ja, seit 2019 gilt das inklusive Wahlrecht. Auch Menschen mit Betreuung dürfen an Wahlen teilnehmen, unabhängig vom Aufgabenkreis des Betreuers („§ 13 BWahlG“).
Kann man mich zwingen, Medikamente einzunehmen?
Zwangsmedikation ist nur in absoluten Ausnahmefällen erlaubt – und nur mit richterlicher Genehmigung. Dein Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Artikel 2 GG bleibt bestehen.
Was tun, wenn du dich wehren willst?
- Sofort juristische Beratung einholen
- Anhörung beim Betreuungsgericht einfordern
- Beschwerde gegen die Maßnahme einlegen
Wie kann ich mich absichern?
- Erstelle eine Betreuungsverfügung – du bestimmst, wer dich betreuen darf.
- Verfasse eine Vorsorgevollmacht – so brauchst du vielleicht keine Betreuung.
- Nutze die Patientenverfügung, um medizinische Behandlungen vorab zu regeln.
Hindernisse und wie du sie überwindest
Hindernis | Konkrete Lösung |
---|---|
Betreuung wurde ohne Anhörung angeordnet | Rechtsmittel einlegen, Anwalt einschalten |
Betreuer entscheidet gegen meinen Willen | Anspruch auf richterliche Kontrolle wahrnehmen |
Fehlende Informationen über meine Rechte | Beratung durch Fachanwalt für Betreuungsrecht |
Wann haftet ein rechtlicher Betreuer auf Schadenersatz?
Ein rechtlicher Betreuer trägt eine hohe Verantwortung. Wenn er seine Pflichten verletzt und dem Betreuten dadurch ein Schaden entsteht, kann er zum Schadenersatz verpflichtet werden. Grundlage dafür ist insbesondere § 1833 BGB.
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?
- Pflichtverletzung: Der Betreuer handelt nicht im Interesse des Betreuten oder missachtet gesetzliche Vorgaben.
- Schaden: Dem Betreuten entsteht ein finanzieller oder anderweitiger Nachteil.
- Ursächlichkeit: Der Schaden ist direkt auf das Verhalten des Betreuers zurückzuführen.
- Verschulden: Der Betreuer hat vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt.
Typische Beispiele für Schadenersatzpflicht
- Verkauf eines Hauses unter Wert ohne Genehmigung des Gerichts
- Nichtzahlung von Mieten oder Rechnungen, obwohl Geld vorhanden ist
- Missachtung einer eindeutigen Patientenverfügung
Was kannst du tun, wenn du betroffen bist?
- Wende dich an das Betreuungsgericht und fordere Prüfung der Betreuertätigkeit
- Ziehe einen Anwalt für Betreuungsrecht hinzu
- Erhebe ggf. Schadensersatzklage gegen den Betreuer
Betroffene oder Angehörige können Unterstützung finden unter: Anwalt für Betreuungsrecht finden
Gesetzestext zum Nachlesen: § 1833 BGB – Haftung des Betreuers
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Gesetzestexte zum Nachlesen
- § 1814 BGB – Rechtliche Betreuung
- § 1821 BGB – Genehmigungspflichtige Maßnahmen
- § 13 BWahlG – Wahlrecht bei Betreuung
- Artikel 2 GG – Recht auf körperliche Unversehrtheit
Fazit: Betreuung ist kein Gefängnis. Du hast Rechte, Einflussmöglichkeiten und Gestaltungsspielraum. Nutze sie!
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