Rechtsnews 28.06.2025 Alex Clodo

Wie funktioniert ein Parteiverbotsverfahren? Teil II

Wie läuft das Parteiverbotsverfahren konkret ab?

Ein Parteiverbotsverfahren ist ein komplexes, langwieriges und aufwendiges Verfahren, das sich in vier Hauptphasen gliedert. Es findet ausschließlich vor dem Bundesverfassungsgericht statt.

1. Antragstellung

Nur Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung können den Antrag stellen. Der Antrag muss begründet sein und umfangreiches Beweismaterial enthalten, das eine verfassungsfeindliche Zielsetzung belegt.

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Füllen Sie das nachfolgende Formular aus, wenn es sich um eine realistische Anfrage handelt können Sie damit rechnen, dass sich bald ein Anwalt bei Ihnen meldet.

Beispiele für Beweismittel:

  • Parteiprogramme und Wahlplakate
  • Reden, Interviews und Social-Media-Postings von Funktionären
  • Veröffentlichungen im Parteiumfeld
  • Verbindungen zu verfassungsfeindlichen Gruppen

2. Vorprüfung durch das Bundesverfassungsgericht

Das Gericht prüft zunächst, ob der Antrag zulässig und begründet ist. Ist dies nicht der Fall, wird das Verfahren ohne Hauptverhandlung eingestellt.

3. Hauptverfahren (Beweisaufnahme und mündliche Verhandlung)

Falls das Gericht den Antrag für zulässig erachtet, folgt eine oft jahrelange Beweisaufnahme. Die Partei erhält Gelegenheit zur Stellungnahme und Verteidigung. Danach erfolgt eine öffentliche mündliche Verhandlung, die mehrere Tage dauern kann.

Rechte der betroffenen Partei:

  • Anwaltliche Vertretung
  • Akteneinsicht
  • Stellungnahmen, Gegenbeweise und Zeugenanträge

4. Urteil

Das Urteil wird nach ausführlicher Beratung schriftlich verkündet und begründet. Kommt das Gericht zum Schluss, dass die Partei verfassungswidrig ist, wird sie verboten.

Rechtsfolgen:

  • Löschung aus dem Parteienregister
  • Verlust des Anspruchs auf Parteienfinanzierung
  • Verbot von Ersatz- oder Nachfolgeorganisationen
  • Strafbarkeit des weiteren Wirkens unter altem Namen (§ 129 StGB möglich)

Was sind bekannte Beispiele aus der Praxis?

Verbot der SRP (1952)

Die „Sozialistische Reichspartei“ (SRP) war eine offen nationalsozialistische Partei. Sie verherrlichte Hitler, wollte die Wiedererrichtung des Dritten Reichs und lehnte die Demokratie ab. Das BVerfG verbot sie 1952 – ein historischer Präzedenzfall.

Verbot der KPD (1956)

Die „Kommunistische Partei Deutschlands“ wurde wegen systematischer Verfassungsfeindlichkeit verboten. Man warf ihr vor, die parlamentarische Demokratie durch eine Diktatur des Proletariats ersetzen zu wollen.

NPD-Verfahren (2003 und 2017)

  • 2003: Verfahren scheitert, da der Verfassungsschutz V-Leute in Parteispitze eingeschleust hatte → „staatliche Durchdringung“.
  • 2017: Gericht erkennt verfassungsfeindliche Ziele, sieht aber keine konkrete Gefahr für die Demokratie. Verbot abgelehnt.

Welche rechtlichen Hürden bestehen?

Ein Parteiverbot ist nur unter sehr strengen Voraussetzungen möglich. Das Bundesverfassungsgericht hat die Hürden in den letzten Jahren noch erhöht.

Hürde Beschreibung Auswirkung
Konkrete Gefahr Die Partei muss in der Lage sein, ihre verfassungswidrigen Ziele auch praktisch umzusetzen. Reine Gesinnung reicht nicht aus.
V-Leute-Problematik Der Staat darf die Partei nicht durch eigene Informanten so stark durchdringen, dass ihre Unabhängigkeit nicht mehr gegeben ist. Führt ggf. zur Verfahrenseinstellung.
Verhältnismäßigkeit Ein Parteiverbot muss das letzte Mittel sein – es darf keine mildere Maßnahme geben. Politische Beobachtung ist oft das mildere Mittel.

Was tun, wenn eine Partei verboten werden soll oder betroffen ist?

Für Politikerinnen und Politiker

  • Sorgfältige Dokumentation aller Aktivitäten der betroffenen Partei
  • Juristische Prüfung durch Experten für Verfassungsrecht
  • Keine vorschnellen öffentlichen Vorverurteilungen

Für Parteimitglieder

  • Rechtsanwalt für Verfassungsrecht einschalten
  • Stellungnahmen und Verteidigung mit fundierten Argumenten vorbereiten
  • Auf Aussagen in sozialen Medien besonders achten

Für Bürgerinnen und Bürger

  • Parteien kritisch hinterfragen
  • Verfassungsschutzberichte lesen
  • Nicht jede extreme Meinung ist verfassungswidrig!

Kritik am Parteiverbot

Argumente gegen das Parteiverbot

  • Einschränkung der Meinungs- und Vereinigungsfreiheit
  • Gefahr der Politisierung des Verfahrens – Antrag kann aus Kalkül gestellt werden
  • Märtyrer-Effekt: Verbotene Parteien können sich als Opfer inszenieren
  • Verbot nützt nichts ohne Bekämpfung der Ursachen (z. B. soziale Ungleichheit, Bildungsdefizite)

Was wäre die Alternative?

Statt Verbot fordern viele einen „Diskurs der Demokratie“. Also eine politische Auseinandersetzung auf Argumente, Fakten und zivilgesellschaftlichem Engagement gestützt. Andere setzen auf gezielte Aufklärung, Bildungsarbeit und Beobachtung durch den Verfassungsschutz.


Fazit

Ein Parteiverbotsverfahren ist das scharfste Schwert der wehrhaften Demokratie. Es schützt den Staat vor inneren Feinden – doch darf dabei nicht selbst zum Feind der Freiheit werden. Die Hürden sind daher zu Recht hoch, um Missbrauch zu verhindern.

Die Vergangenheit zeigt: Nur in wenigen Extremfällen ist ein Verbot verhältnismäßig. Der beste Schutz der Demokratie liegt daher oft nicht im Verbot, sondern in offener Auseinandersetzung, Aufklärung und politischer Bildung.

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