Verwertung von Kundenanschriften durch Handelsvertreter
Ein Handelsvertreter war für ein Unternehmen auf dem Gebiet des Handels mit Wein, Sekt und Spirituosen tätig. Im Rahmen seiner Tätigkeit wurde ihm eine komplette Kundendatei zur Verfügung gestellt. Später wechselte der Handelsvertreter zu einem Konkurrenzunternehmen. Als sein früherer Auftraggeber feststellte, dass der ehemalige Mitarbeiter an mindestens zweihundert seiner früheren Kunden Werbeschreiben verschickte, erhob er Unterlassungsklage gegen den Konkurrenzbetrieb.
Der Bundesgerichtshof vermochte in dem Vorgehen jedoch nicht ohne weiteres einen Wettbewerbsverstoss feststellen. Einem Handelsvertreter kann nach Beendigung des Handelsvertretervertrages nicht untersagt werden, die ihm während seiner Tätigkeit für das früher vertretene Unternehmen bekannt gewordenen Kundenanschriften zu verwerten. Nach der Rechtsprechung der Karlsruher Richter entspricht es vielmehr den Grundsätzen des Leistungswettbewerbs und widerspricht nicht der Berufsauffassung eines ordentlichen Kaufmanns, wenn ein ausgeschiedener Handelsvertreter zu seinem früheren Geschäftsherren auch bezüglich dessen Kunden in Konkurrenz tritt. Einen generellen Anspruch auf Erhaltung seines Kundenkreises hat der Unternehmer nicht. Er kann das Vorgehen seines früheren Handelsvertreters wettbewerbsrechtlich nur dann beanstanden, wenn sich dieser bei dem Wettbewerb um die Kundschaft unlauterer Mittel bedient. Ein vertrags- oder wettbewerbswidriges Verhalten liegt daher nicht vor, wenn ein ausgeschiedener Vertreter Kundenadressen verwertet, die in seinem Gedächtnis geblieben sind oder sich solche Anschriften von Kunden nutzbar macht, die keinen dauerhaften geschäftlichen Kontakt zu dem bisher vertretenen Unternehmen aufgenommen haben.
Urteil des BGH vom 15.01.1999
I ZR 2/97
Betriebs-Berater 1999, 1452