Auf Vorlage des Bundesverwaltungsgerichts verhandelt der EuGH in Luxemburg zur Vorratsdatenspeicherung. Um das Thema Daten gibt es schon seit mehreren Jahren in einigen EU-Ländern Streit zwischen den Verbraucherschützern und den Sicherheitsbehörden. Seit gut vier Jahren liegt das deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung auf Eis. Am Montag, den 14.09.2021 begann vor der großen Kammer des EuGH die Verhandlung.
Dabei verhandelt der Europäische Gerichtshof wieder einmal über das brisante Thema. Die Richter mussten sich schon des Öfteren mit den Fragen zur allgemeinen Speicherung von Telefon- und Internetdaten beschäftigen. In den Jahren 2014, 2016 und 2020 entschied der EuGH schon über die Speicherung der Daten. Problematisch ist hierbei, dass die Speicherung ohne Anlass vorgenommen wird, was nach europäischem Recht grundsätzlich verboten ist.
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Vorratsdatenspeicherung ist die systematische und anlasslose Speicherung von Verkehrs- und Standortdaten, die bei der Nutzung von elektronischen Kommunikationsdiensten wie Telefon, Internet oder E-Mail anfallen. Diese Daten können Aufschluss geben über die Identität, die Kontakte, die Kommunikationsinhalte, die Bewegungen und das Verhalten der Nutzer. Die Vorratsdatenspeicherung soll den Strafverfolgungsbehörden die Ermittlung und Aufklärung von schweren Straftaten erleichtern.
Warum ist Vorratsdatenspeicherung umstritten?
Die Vorratsdatenspeicherung ist ein schwerer Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, das die Freiheit garantiert, selbst zu entscheiden, welche Informationen man preisgibt und welche nicht. Die Vorratsdatenspeicherung erfasst alle Nutzer unabhängig von einem konkreten Verdacht oder Anlass und schafft damit ein umfassendes Bild ihrer privaten Lebensführung. Die Vorratsdatenspeicherung kann zu einer Einschüchterung, einem Vertrauensverlust und einer Verhaltensänderung der Nutzer führen, die ihre Kommunikationsfreiheit einschränken. Die Vorratsdatenspeicherung birgt zudem das Risiko eines Missbrauchs oder eines unbefugten Zugriffs auf die sensiblen Daten.
Vorratsdatenspeicherung: Zwischen Sicherheit und Grundrechten
Rechtlicher Hintergrund
Die Vorratsdatenspeicherung bezeichnet die anlasslose Speicherung von Telekommunikationsdaten durch Anbieter, etwa wer mit wem, wann und wie lange kommuniziert hat – ohne konkreten Verdacht. Bereits mehrfach haben deutsche und europäische Gerichte diese Praxis eingeschränkt oder ganz untersagt.
- 2010: Bundesverfassungsgericht erklärt erste Regelung für verfassungswidrig.
- 2020: Europäischer Gerichtshof (EuGH) lehnt pauschale Speicherung ab – nur gezielte Maßnahmen bei schwerer Kriminalität sind zulässig.
Dennoch plant die Bundesregierung (Stand: Mai 2025) einen erneuten Vorstoß – unter anderem durch gezieltere Speicherung von IP-Adressen. Kritiker wie Markus Beckedahl warnen jedoch vor einem „digitalen Putsch von oben“ und einem dauerhaften Überwachungsausbau.
Vertiefende Analyse: Pro und Contra Vorratsdatenspeicherung
Argumente dafür | Argumente dagegen |
---|---|
Unterstützt die Strafverfolgung bei Terrorismus, Kindesmissbrauch und schweren Straftaten | Verstößt gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung |
Verbesserte Rückverfolgung von IP-Adressen zur Täteridentifikation | Anlasslose Speicherung aller Bürgerdaten – auch Unschuldiger |
EuGH lässt gezielte, zweckgebundene Speicherung unter Auflagen zu | Gefahr des Missbrauchs durch staatliche oder private Akteure |
Sicherheitspolitisches Argument gegen organisierte Kriminalität | Effizienz fraglich – keine eindeutigen Beweise für präventiven Nutzen |
Praktische Tipps für Bürgerinnen und Bürger
- Informieren Sie sich: Die Regelungen ändern sich häufig. Bleiben Sie auf dem aktuellen Stand der Gesetzgebung.
- Nutzen Sie datensparsame Dienste: Setzen Sie auf Anbieter, die Ihre Daten nicht unnötig speichern oder weitergeben.
- Engagieren Sie sich zivilgesellschaftlich: Organisationen wie das Chaos Computer Club oder das neue Zentrum für Digitalrechte und Demokratie setzen sich für Ihre Rechte ein.
- Erheben Sie Ihre Stimme: Auch durch öffentliche Debatten und politische Teilhabe kann Druck auf die Gesetzgebung ausgeübt werden.
Wie hat der EuGH über die Vorratsdatenspeicherung entschieden?
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in mehreren Urteilen die Vorratsdatenspeicherung für unvereinbar mit der Europäischen Grundrechtecharta erklärt. Im Jahr 2014 hat der EuGH die Richtlinie 2006/24/EG über die Vorratsdatenspeicherung für ungültig erklärt, weil sie einen zu weitreichenden und unverhältnismäßigen Eingriff in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten darstelle. Im Jahr 2016 hat der EuGH zwei nationale Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung aus Schweden und Großbritannien für unzulässig erklärt, weil sie ebenfalls gegen diese Grundrechte verstießen. Im Jahr 2020 hat der EuGH seine Rechtsprechung bestätigt und präzisiert, dass eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsdatenspeicherung nur in Ausnahmefällen zulässig sei, wenn eine schwerwiegende Gefahr für die nationale Sicherheit bestehe und unter strengen Bedingungen der Notwendigkeit, Verhältnismäßigkeit und Kontrolle.
Welche Folgen hat das EuGH-Urteil für Deutschland?
Das EuGH-Urteil von 2020 hat direkte Folgen für Deutschland, weil es sich auf eine Vorlagefrage des Bundesverwaltungsgerichts bezog, das über eine Klage gegen das deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung von 2015 zu entscheiden hatte. Das Bundesverwaltungsgericht hat im Anschluss an das EuGH-Urteil das deutsche Gesetz für europarechtswidrig erklärt und seine Anwendung ausgesetzt. Damit ist die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland derzeit faktisch außer Kraft gesetzt. Die Bundesregierung muss nun entscheiden, ob sie das Gesetz ändern oder aufheben will. Dabei muss sie sich an den strengen Vorgaben des EuGH orientieren, die eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsdatenspeicherung weitgehend ausschließen.
Fazit
Die Vorratsdatenspeicherung bleibt ein juristisch und gesellschaftlich hoch umstrittenes Thema. Während Sicherheitsbehörden deren Nutzen betonen, warnen Verfassungsrechtler und Aktivisten vor der Erosion von Grundrechten. Klar ist: Jede Form von Datenspeicherung muss verhältnismäßig, zweckgebunden und gesetzlich klar geregelt sein. Eine echte Lösung wird nur durch den Ausgleich von Freiheit und Sicherheit erreicht werden können.
Wichtiger Hinweis: Dieser Beitrag stellt keine Rechtsberatung dar. Wenn Sie konkrete rechtliche Fragen zum Thema haben, empfehlen wir ein Gespräch mit einem Anwalt für IT-Recht. Ein telefonisches Beratungsgespräch (15 Minuten für 29 €) kann über die Deutsche-Rechtsanwaltshotline gebucht werden.
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Quellen:
https://www.sueddeutsche.de/politik/vorratsdatenspeicherung-eugh-1.5409415
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