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Fachbeitrag 18.10.2010

Zusammenführungen von Stiftungen – auch aus wirtschaftlichen Gründen? Teil I


*Rechtsanwalt Dr. Matthias Baus, Executive MBA
(veröffentlicht in npor 2010, S. 5 ff)

I. Das Problem

Stiftungen werden für die Ewigkeit errichtet. So jedenfalls ergibt es sich aus der Rechtsnatur einer Stiftung bürgerlichen Rechts nach den §§ 80 ff. BGB, die deren Aufhebung (vgl. § 87
BGB) nur als Ausnahmefall statuieren. Gleichwohl geraten Stiftungstätigkeit und deren Zweckverwirklichung im Verlauf der Jahre und gerade nach dem Ableben des oder der Stifter nicht selten „ins Stocken“, was an vielerlei Gründen liegen mag. Sofort einsehbar sind Umstände hierfür, die mit der tatsächlichen Zweckverfolgung zusammenhängen: also z.B. im Falle einer Stiftung, die sich bis Ende der 80er Jahre dem Ziel der deutschen Wiedervereinigung verschrieben hatte oder eine Stiftung, die die Erhaltung einer bestimmten Tierart verfolgt, die trotz aller Bemühungen nun ausgestorben ist.

Wie aber verhält es sich mit Stiftungen, die in der Vergangenheit nach damaligen Verhältnissen eine ausreichende Kapitalausstattung für die Zweckverfolgung aufweisen konnten, deren Vermögen allerdings in der Zwischenzeit wegen Inflation und/oder Vermögensverlusten zusammengeschmolzen ist? Verbleiben in solchen Fällen nach Abzug von Vermögensverwaltungskosten und administrativem Aufwand im Ergebnis jährlich 1.000 – 2.000 EUR oder gar nur wenige hundert Euro für die Mittelverwendung und Zweckverfolgung, so ist abzusehen, dass die Stiftung früher oder später in Bedeutungslosigkeit verschwinden wird. Das Umkehrbild zu dieser wirtschaftlich unbefriedigenden Situation stellen professionell geführte Stiftungen dar, die über den Willen und die Mittel bzw. Ressourcen verfügen, im Rahmen ihres Stiftungszweckes zu wachsen und ihren Tätigkeitsbereich zu erweitern. Was läge näher, als dass Stiftungen der einen Kategorie die Zusammenlegung oder Zulegung mit Stiftungen der anderen Kategorie anstreben und dabei einem im privaten und z.T. auch im öffentlichen Sektor vorherrschenden Trend zu größeren Einheiten entsprechen? Hier beginnt ein Spannungsverhältnis zwischen Stifterwille und Stifterautonomie einerseits und dem generellen Bestreben der Rechtsordnung andererseits, den Rechtssubjekten zu einer effizienten Verfolgung ihrer Zwecke zu verhelfen. Allerdings sind die zuständigen Organe von Wirtschaftsunternehmen, also einerseits Geschäftsführungen bzw. Vorstände und andererseits Gesellschafter- bzw. Hauptversammlungen als Vertretung der jeweiligen Eigner von Gesetzes wegen dazu berufen, „existenziell“ über das Schicksal solcher juristischen Personen zu entscheiden. Im Detail sind die einzelnen Umwandlungsvorgänge für solche juristischen Personen im Umwandlungsgesetz geregelt, das nach ganz herrschender Meinung auf Stiftungen keine Anwendung findet.

Was nun stattdessen die §§ 87 und 88 BGB und die Vielzahl der – nicht immer gleichlautenden – Landesstiftungsgesetze in den oben beschriebenen wirtschaftlichen Ausgangssituationen vorsehen und welche Chancen der Strukturveränderung mehrere Stiftungen gemeinsam initiieren und verwirklichen können, soll nachfolgend ausgeführt werden.

II. Die Ausgangslage
1. Handelt es sich bei den wirtschaftlich wenig prosperierenden Stiftungen um Einzelfälle oder können wir – jedenfalls bei einem bestimmten Typ von Stiftung – von einem allgemeinen Symptom sprechen? Die Einteilung der ca. 16.000 zumeist gemeinnützigen, rechtsfähigen Stiftungen bürgerlichen Rechts in Deutschland in sogenannte Vermögensklassen liefert einen eindeutigen Befund: Knapp 30% aller 2008 befragten 6.422 Stiftungen gaben an, über ein Stiftungsvermögen von weniger als 100.000 EUR zu verfügen, davon 14,4% der Befragten mit einem Stiftungsvermögen von weniger als 50.000 EUR.3 Auf alle rechtsfähigen Stiftungen hochgerechnet, ergibt dies mindestens 2.000 Stiftungen, die bei einem Kapital von maximal 50.000 EUR und einer angenommenen Bruttorendite von 4% nach Abzug von Kosten über höchstens 1.500 EUR an jährlichen Mitteln verfügen, dabei unberücksichtigt etwaige Spendeneinnahmen oder Zustiftungen. Da kleinere Stiftungen eher zu konservativen und renditeschwächeren Vermögensanlageformen neigen, ist eine Verbesserung der finanziellen Verhältnisse nicht unbedingt zu erwarten und die Zustiftung weiteren Kapitals oder größeren Spendenaufkommens stellt i.d.R. eine trügerische Hoffnung dar.

Ob derartig gering anfallende Stiftungsmittel praktisch zu einer „wirtschaftlichen Unmöglichkeit“ führen, wird weiter unten im Detail zu behandeln sein. Hinzu treten häufig weitere Erscheinungen. Der Stifter und selbst seine Erben mögen zwischenzeitlich verstorben sein, so dass in den Stiftungsorganen Personen vertreten sind, die dem ursprünglichen Stiftungsgedanken emotional nicht so nahe stehen wie der Stifter selbst und diesen weniger unterstützen. Schließlich wird es für eine kleine Stiftung immer schwieriger, die nötige Aufmerksamkeit bei der Verteilung von Mitteln zu erhalten, oder um einen anderen Begriff zu verwenden, wettbewerbsfähig zu bleiben.

2. Für den weiteren Gang der Untersuchung ist eine zusätzliche Überlegung von Bedeutung. In den meisten Fällen handelt es sich um gemeinnützige Stiftungen, die nach den §§ 51 ff. AO in vielerlei Hinsicht steuerlich privilegiert sind, d.h. der Staat verzichtet sowohl bei der Errichtung als auch bei der Tätigkeit der Stiftung auf die ihm sonst zustehenden Steuereinnahmen. Diesem Verzicht liegt die Erwartung des Staates zugrunde, dass die Stiftung ihre Mittel in flexibler und effizienter Form für Zwecke einsetzt, die sonst der Staat
mit seinen Einrichtungen unterstützen oder fördern würde. Die Effizienz und Wirtschaftlichkeit des Wirkens der Stiftung, aber auch etwaiger Pflichten staatlicher
Stiftungsaufsichtsbehörden gemäß § 87 Abs. 1 BGB sind daher auch unter den steuerlichen
Rahmenbedingungen zu sehen. Die Gemeinnützigkeit als wirtschaftliches Privileg sollte kein
„Ruhekissen“ dafür sein, dass die gemeinnützige Organisation effizientes Wirtschaften
regelrecht „verschläft“.

3. Neben den Möglichkeiten der Zusammenlegung bzw. Zulegung von Stiftungen stehen auch andere Vorgehensweisen zur Verfügung. Die eher kleine, vor dem Vermögensverfall stehende Stiftung kann ihr Heil in einer weniger einschneidenden Handlung sehen, der der Zusammenarbeit mit einer anderen Stiftung. Hier bieten sich verschiedene Formen der Zusammenarbeit an, so z.B. bei der Fördertätigkeit in Form gemeinsamer Projekte und ggf. mit der Aufteilung des Projektmanagements. Oder eine Stiftung beauftragt eine andere
Stiftung, bestimmte Dienstleistungen für sie zu erbringen, die diese für ihre Zweckerfüllung benötigt, dafür aber keine eigenen (personellen) Ressourcen vorhalten möchte. Dies kann auch administrative Arbeiten der Stiftungsverwaltung einschließen. Die beauftragende Stiftung partizipiert so von dem Know-how einer anderen, ähnlich ausgerichteten Einrichtung und von dem positiven Skaleneffekt.

III. Regelungen nach den §§ 87 und 88 BGB
Am anderen Ende der Skala steht die nachhaltigste Maßnahme überhaupt: die Aufhebung der Stiftung nach § 87 Abs. 1 BGB mit der Folge des Vermögenszufalls an die in der Satzung
benannte Person oder ansonsten an den Fiskus (§ 88 S. 1 und 2 BGB). In diesem Falle wird die aufgehobene Stiftung zum bloßen Subjekt stattlichen Eingriffshandelns.

Die Anwendungspraxis wird durch das Nebeneinander von bundesgesetzlichen und landesrechtlichen Vorschriften erschwert. Maßnahmen der „Zusammenführung“, also Zusammenlegung oder Zulegung, werden, wenn überhaupt, nur in den Landesstiftungsgesetzen thematisiert. § 87 Abs. 1 BGB stellt lediglich die Eingriffsnorm für die zuständige Stiftungsbehörde zur Aufhebung der Stiftung als ultima ratio dar, wenn deren Stiftungszweckerreichung unmöglich geworden ist oder sie als gemeinwohlgefährdend einzustufen ist. § 8 BGB regelt sodann, wem das Stiftungsvermögen nach der Aufhebung zufallen soll. Die meisten Landesstiftungsgesetze greifen diese Ermächtigung des BGB in ihren eigenen Landesstiftungsgesetzen ausdrücklich auf, mit Ausnahme der Bundesländer von Berlin, Brandenburg, Hamburg, Rheinland-Pfalz und Sachsen. Aus diesem Schweigen kann wegen des bundesrechtlichen Vorrangs von § 87 BGB nicht geschlossen werden, dass bei dessen tatbestandlichen Vorliegen in diesen Ländern die Stiftungsbehörden von sich aus keine Aufhebung anordnen können.

§ 87 Abs. 1 und 2 BGB sehen als milderes Mittel zur Aufhebung eine von der Stiftungsbehörde angeordnete veränderte Zweckbestimmung vor. Andere Möglichkeiten bieten § 87 bzw. 88 BGB nicht, insbesondere legitimieren diese Vorschriften die Stiftungsorgane nicht, durch „stiftungsautonome“ Entscheidungen Strukturveränderungen herbeizuführen. Diese Möglichkeit in Form der Zulegung oder Zusammenlegung sehen vielmehr die Landesstiftungsgesetze vor.

 

weiter Teil 2: “Zusammenführungen nach Landesstiftungsgesetzen”

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