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Fachbeitrag 14.05.2012

Wettbewerb in der Tierkörperbeseitigung? – Zu Chancen und Risiken von „Ausschreibungen“


Hans-Peter Lange und Hermann Spils ad Wilken

 

 

Zusammenfassung

 

Ganz überwiegend wird die Tierkörperbeseitigung von privatwirtschaftlichen Unternehmen durchgeführt. Wenn die Kommunen beseitigungspflichtig sind, bedarf es dazu vertraglicher Vereinbarungen zwischen Unternehmer und Kommunen (sog. Unternehmervertrag). Seit einiger Zeit ist jedoch der Typus des beliehenen Unternehmers in der Tierkörperbeseitigung prägend: Die landesrechtlich zuständige Behörde überträgt die Beseitigungspflicht auf den privatrechtlichen Unternehmer, die originär beseitigungspflichtigen Kommunen sind nur – landesrechtlich unterschiedlich geregelt – Kostenträger.

Die Autoren des Artikels beantworten Fragen, die sich ergeben, wenn die zuständige Behörde (auf Landes- oder Bezirksebene) über die Beleihung entscheidet. Muss die Behörde ausschreiben? Darf sie ausschreiben? Wie kann ein Auswahlverfahren gestaltet werden?

Dabei kommen die Autoren zu dem Ergebnis, dass die zuständige Behörde nach verwaltungsrechtlichen Grundsätzen über die Beleihung des privatrechtlichen Unternehmers zu entscheiden hat. Mit der Beleihung ist eine Eingliederung des privatwirtschaftlichen Unternehmens in die öffentliche Verwaltung mit Aufsichtspflichten und -befugnissen der Aufsichtsbehörde verbunden. Gibt es mehrere Bewerber, muss nach Maßgabe der gesetzlichen Regelungen eine Auswahlentscheidung getroffen werden. Dabei ist im Ergebnis des Auswahlverfahrens eine Ermessensentscheidung zu treffen. Eine Ausschreibung nach vergaberechtlichen Regeln ist damit nicht vereinbar. Im verwaltungsrechtlichen Auswahlverfahren müssen aber allgemeine verwaltungsrechtliche Grundsätze zur Auswahl unter mehreren Bewerbern beachtet werden, so dass für das Verfahren einige grundsätzliche Anforderungen gelten, wie sie auch im Vergaberecht zu beachten wären. Jedoch muss gewährleistet sein, dass die Beleihungsbehörde bei ihrer Auswahlentscheidung alle nach den gesetzlichen Regelungen maßgeblichen Kriterien berücksichtigen kann.

Wenn es mehrere Bewerber gibt, können im Interesse der Kostenträger Vorteile der Wettbewerbslage genutzt werden. Dabei kommt es aber darauf an, durch entsprechende Vorgaben die Vergleichbarkeit und Prüfbarkeit insbesondere von Bewerberkalkulationen sicherzustellen. Auch wenn es nur einen Bewerber oder verschiedene Bewerber eines Konzerns gibt, muss durch Vorgaben im Auswahlverfahren sichergestellt sein, dass eine „willkürliche“ Preisbildung ausgeschlossen ist.

Durch ein verwaltungsrechtliches Auswahlverfahren lassen sich rechtliche Unsicherheiten nicht völlig ausschließen, aber doch verringern, und potenzielle Wettbewerbsverhältnisse nutzen.

 

Viele Jahrzehnte lang ist die Tierkörperbeseitigung auf Basis sog. Unternehmerverträge durchgeführt worden. Solche Verträge schlossen die nach dem TierKBG bzw. den landesrechtlichen Ausführungsgesetzen beseitigungspflichtigen Kommunen mit dem Inhaber der Tierkörperbeseitigungsanstalt (in heutiger Terminologie: Verarbeitungsbetrieb für tierische Nebenprodukte) des jeweiligen Einzugsbereichs. Dass ein solcher Vertrag nur mit diesem abgeschlossen werden konnte, schien selbstverständlich; rechtlich wurde ihm auch ein Anspruch auf Abschluss eines solchen Unternehmervertrages zugebilligt. Niemand dachte an „Ausschreibungen“.

Inzwischen haben sich die Strukturen in der Tierkörperbeseitigung erheblich verändert. Das gilt einmal für die Unternehmen, die sie durchführen, zum anderen für die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.

Nach wie vor wird die Tierkörperbeseitigung durch privatwirtschaftliche Unternehmen geprägt. Zwar gibt es auch Betriebe in öffentlicher Hand (dann über Kapitalgesellschaften

privatrechtlich organisiert und verselbständigt), doch ist das die Ausnahme. Durchgesetzt haben sich inzwischen aber auch Konzern-Strukturen. Während die Tierkörperbeseitigung traditionell in „Familienbetrieben“ durchgeführt wurde, sind heute Konzern-Unternehmen – regional unterschiedlich – vorherrschend.

Die Verarbeitungsbetriebe der SecAnim-Gruppe gehören zum SARIA-Teilkonzern von Remondis. Nach derzeitigem Stand führen sie die Beseitigung tierischer Nebenprodukte ausschließlich in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt und Thüringen durch, überwiegend auch in Nordrhein-Westfalen und teilweise für Niedersachsen. In Hessen waren Konzern-Unternehmen ausschließlich zuständig, inzwischen hat sich als Folge einer „Ausschreibung“ eine erhebliche Veränderung ergeben; Nordhessen soll von Betrieben eines kommunalen Zweckverbandes in

Rheinland-Pfalz entsorgt werden.

Die SNP-Gruppe gehört inzwischen zum Rendac-Konzern, ist also in einen Konzern integriert worden, der in großem Umfang Schlachthöfe (VION) betreibt. Von SNP-Betrieben werden große Teile von Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen entsorgt.

Als Folge der BSE-Krise mit dem Verbot der Verfütterung von Tiermehl und nur noch eingeschränkter Verwertbarkeit von Tierfett hat sich betriebswirtschaftlich eine Annäherung an Strukturen der Abfallbeseitigung ergeben. Vor der BSE-Krise ging es auch um Wertschöpfung, also die Herstellung und Vermarktung eines Produkts (Tiermehl und Tierfett); die Unternehmen verstanden sich als Produzenten, als Unternehmen der „Fleischmehlindustrie“.

Solange es diese Wertschöpfung gab, waren die von den beseitigungspflichtigen Kommunen zu finanzierenden Kosten der Tierkörperbeseitigung relativ gering, weil sie durch erhebliche Erlöse aus der Produktverwertung gemindert wurden. Mit dem Wegfall solcher Erlöse mussten die Kosten steigen. Das gilt natürlich auch für andere Kostenträger der Tierkörperbeseitigung,

insbesondere Schlachtbetriebe.

Geändert hat sich vielfach auch die rechtliche Grundlage für die Entsorgung tierischer Nebenprodukte. Inzwischen ist nicht mehr der „Unternehmervertrag“ prägend, sondern die Beleihung. Allerdings gibt es dabei erhebliche regionale Unterschiede.

Beleihungen beruhen auf § 3 Abs. 2 des TierNebG. Danach kann die zuständige Behörde „nach Anhörung der Beseitigungspflichtigen einer natürlichen oder juristischen Person des Privatrechts, die einen Verarbeitungsbetrieb … betreibt“, für das sog. Pflichtmaterial (tierische Nebenprodukte

der Kategorien 1 und 2, § 3 Abs. 1 TierNebG) die Beseitigungspflicht „übertragen, soweit

  1. 1.       keine überwiegenden öffentlichen Interesse entgegenstehen,
  2. 2.       der Verarbeitungsbetrieb … die in Art. 12 bis 14 der Verordnung (EG) Nr. 1773/2002 genannten Bedingungen für die jeweilige Art der Verarbeitung erfüllt und
  3. 3.       gewährleistet ist, dass die übrigen Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002, dieses Gesetzes sowie der aufgrund dieses Gesetzes erlassenenRechtsvorschriften beachtet werden.“

Allerdings besteht „kein Rechtsanspruch auf Übertragung“. „Zuständige Behörden“ sind hier nach landesrechtlicher Regelung Ministerien, Landesverwaltungsämter, Bezirksregierungen oder Kommunen.

Wird die Beseitigungspflicht übertragen, sind die Kommunen nicht mehr beseitigungspflichtig. Die privatwirtschaftlichen Unternehmen sind als Beseitigungspflichtige Träger sämtlicher Rechte und Pflichten, die sich nach dem TierNebG und darauf beruhenden Normen für den jeweils Beseitigungspflichtigen ergeben. Sie haben verwaltungsrechtlich Behörden-Status und unterliegen der Aufsicht der Beleihungsbehörden, die zugleich Aufsichtsbehörden sind. Sie finanzieren sich hinsichtlich der

Beseitigung des sog. Pflichtmaterials über Entgelte, die nicht in jedem Bundesland, aber im Regelfall behördlich genehmigt werden müssen.

Bei den Kommunen bleibt nach Maßgabe der landesrechtlichen Ausführungsgesetze die teilweise Finanzierungsverantwortung für die Beseitigung der Vieh-Tierkörper, wenn nicht – wie in Mecklenburg-Vorpommern – ausschließlich die landwirtschaftlichen Betriebe als Besitzer der Vieh-Tierkörper in Anspruch zu nehmen sind. Meist werden die landwirtschaftlichen Betriebe aber nur mit einem Teil dieser Kosten (mind. 25 %) belastet, die Differenz wird mit unterschiedlichen Quoten von Kommunen

und/oder dem jeweiligen Land finanziert.

Bis vor wenigen Jahren sind Entscheidungen zur Beleihung eines privatwirtschaftlichen Unternehmers ausschließlich nach verwaltungsrechtlichen Grundsätzen getroffen worden. Der Unternehmer stellte im Regelfall in Abstimmung mit den originär beseitigungspflichtigen Kommunen, die mit ihm meist eine sog. Beseitigungsvertrag abschlossen, einen Antrag auf Übertragung der Beseitigungspflicht, die zuständige Behörde erließ den entsprechenden Verwaltungsakt. Bestandteil des Verwaltungsaktes konnten dann meist zuvor abgestimmte Auflagen hinsichtlich der dem Unternehmer

zu zahlenden Entgelte sein.

Inzwischen wird versucht, die Entscheidung zur Übertragung der Beseitigungspflicht als Folge einer „Ausschreibung“ zu treffen. Dabei wird von einer Ausschreibung nach vergaberechtlichen Grundsätzen ausgegangen.

Das TierNebG enthält keine Regelungen zur „Ausschreibung“. Auch die landesrechtlichen Ausführungsgesetze enthalten dazu keine Bestimmungen, ausgenommen die Ausführungsgesetze für Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen.

§ 3 Abs. 2 des Sachsen-Anhaltinischen TierNebG-AG sieht die Möglichkeit des Verzichts auf eine Kalkulation von Entgelten nach Grundsätzen des öffentlichen Preisrechts vor, wenn der Unternehmer „im Wettbewerb und im Wege eines transparenten Vergabeverfahrens nach Maßgabe des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ermittelt worden ist“. Für Nordrhein-Westfalen regelt § 31 AGTierSG TierNebG NRW nur, dass „vor Ausschreibung einer Übertragung der Beseitigungspflicht nach § 3 Abs. 2 TierNebG“ das Landesamt, Verbände und die Tierseuchenkasse „anzuhören“ seien; ob und auf welcher rechtlichen Grundlage „ausgeschrieben“ werden müsse, wird nicht geregelt.

Weil Finanzierungsbeiträge der öffentlichen Hand auch beihilferechtlich relevant sind, gibt es den „Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen im Rahmen von TSETests, Falltieren und Schlachtabfällen“. Nach dessen Ziff. 34 „muss“ der Verarbeitungsbetrieb „nach den Grundsätzen des Marktes in nicht diskriminierender Weise ausgewählt und entlohnt werden – erforderlichenfalls im Wege der Ausschreibung, im Einklang mit den Gemeinschaftsrechtsvorschriften und mit einem Grad an Öffentlichkeit, der ausreicht, um den Dienstleistungsmarkt für den Wettbewerb zu öffnen und die Unparteilichkeit der Vergabeverfahren zu überprüfen, sofern nicht nachgewiesen wird, dass wegen der Art der Dienstleistung oder der betr. Rechtsgrundlage für eine bestimmte Dienstleistung nur ein Erbringer in Frage kommt“. Wir wollen zur Klärung folgender Fragen beitragen:

a)      Muss nach vergaberechtlichen Grundsätzenausgeschrieben werden?

b)      Darf nach vergaberechtlichen Grundsätzenausgeschrieben werden?

c)       Wie kann ein Wettbewerbsverhältnis genutzt werden?

Dabei beschränken wir unsere Ausführungen auf den Fall der Übertragung der Beseitigungspflicht durch eine nicht mit den originär beseitigungspflichtigen Kommunen identische Behörde. Unberücksichtigt bleiben also Fälle, in denen die Beseitigungspflicht nicht übertragen wird, sondern ein sog. Unternehmervertrag abgeschlossen werden soll, oder bei denen eine Kommune über die Übertragung der (eigenen) Beseitigungspflicht entscheidet. Dabei verzichten wir auf einen wissenschaftlichen Anspruch, sondern bemühen uns um eine vereinfachte und konzentrierte Darstellung.

 

a) Muss nach vergaberechtlichen Grundsätzen ausgeschrieben werden?

 

Die Beseitigung tierischer Nebenprodukte wird vergaberechtlich als Dienstleistung verstanden. Wäre vor der Übertragung der Beseitigungspflicht ein Vergabeverfahren nach den Bestimmungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) durchzuführen, müsste eine europaweite Ausschreibung erfolgen, wobei zu entscheiden wäre, welche Verfahrensart geboten sei. Es müssten alle Regularien eingehalten werden, die das streng regulierte Vergaberecht vorgibt. Verfahren und Entscheidung der zuständigen Behörde würden bei einer streitigen Auseinandersetzung in dem nach GWB vorgesehenen Verfahren überprüft, letztlich also von den Kartellgerichten.

Das GWB findet bei der Vergabe öffentlicher Aufträge Anwendung, wobei ein entgeltlicher Vertrag zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und einem privatwirtschaftlichen Unternehmen vorausgesetzt wird. Das Vergaberecht stellt aber (noch) die sog. Dienstleistungskonzession von den Bestimmungen des GWB frei. Bei der Dienstleistungskonzession wird der privatwirtschaftliche Unternehmer von der öffentlichen Hand ermächtigt (konzessioniert), eine Dienstleistung zu erbringen, indem ihm dazu ein ausschließliches Recht übertragen wird. Grundsätzlich hat der Nutzer der Dienstleistung

deren Kosten zu tragen. Der privatwirtschaftliche Unternehmer erhält also das Recht, für seine Dienstleistung von deren Nutzern Entgelte zu verlangen.

Überträgt z. B. das zuständige Ministerium dem Inhaber eines Verarbeitungsbetriebes die Beseitigungspflicht, ergibt sich daraus das ausschließliche Recht des Inhabers zur Entsorgung im Einzugsbereich. Im Verhältnis zu dem jeweiligen Bundesland besteht keine Leistungsbeziehung und schon deshalb kein Auftragsverhältnis. Das Land war nicht beseitigungspflichtig, originär beseitigungspflichtige Kommunen müssen angehört werden, entscheiden aber nicht. Das Land übernimmt auch nicht sämtliche Kosten der Entsorgung. Vielmehr erhält der Inhaber des Verarbeitungsbetriebes die Befugnis zur Entgelterhebung bei Besitzern tierischer Nebenprodukte. Vergaberechtlich liegt eine Dienstleistungskonzession vor.

Daran ändert sich nichts, wenn auch das vom Ministerium vertretene Bundesland an den Kosten der Beseitigung von Vieh-Tierkörpern beteiligt wird. Denn eine solche Bestimmung des landesrechtlichen Ausführungsgesetzes begründet einen Kostenerstattungsanspruch für jeden Beseitigungspflichtigen, ohne dass es dazu besonderer Vereinbarungen bedürfte. Für das Land ändert sich mit der Übertragung der Beseitigungspflicht nur der Gläubiger des Kostenerstattungsanspruches.

Außerdem steht eine Teilfinanzierung des privatwirtschaftlichen Unternehmens durch die öffentliche Hand der Annahme einer Dienstleistungskonzession nicht entgegen, maßgeblich ist, dass der privatwirtschaftliche Unternehmer grundsätzlich das wirtschaftliche Risiko aus der Dienstleistung trägt. Das liegt beim beseitigungspflichtigen Inhaber des Verarbeitungsbetriebes, auch wenn er für einen Teil seiner Dienstleistung öffentlich-rechtliche Kostenträger hat.

Auf die in diesem Fall zu bejahende Frage, ob eine Dienstleistungskonzession vorliegt, kommt es aber auch nur dann an, wenn andernfalls ein öffentlicher Auftrag i. S. d. GWB vorliegen würde. Auch das muss aber verneint werden.

Die Übertragung der Beseitigungspflicht erfolgt durch einen Verwaltungsakt, also nicht auf vertraglicher Grundlage. Im Beispielsfall wäre das Land auch kein geeigneter Vertragspartner, weil die originär beseitigungspflichtigen Kommunen vertragliche Regelungen treffen müssten. Eine Beleihung kann allerdings wohl auch durch öffentlich-rechtlichen Vertrag erfolgen, jedenfalls wird das in Nordrhein-Westfalen so praktiziert.

Anerkannt ist, dass eine Beleihung durch Verwaltungsakt als solche kein vergaberechtsrelevanter

Vorgang ist. Davon zu unterscheiden ist allerdings der Fall, dass ein solcher Beleihungsakt im Zusammenhang mit „flankierenden Vereinbarungen“ zwischen der beleihenden Körperschaft und dem privatwirtschaftlichen Unternehmer oder durch öffentlich-rechtlichen Vertrag vollzogen wird. Dann kann sich daraus ein öffentlicher Auftrag ergeben. Jedoch liegt dieser Fall nicht vor, wenn die zuständige Behörde einer nicht selbst beseitigungspflichtigen Körperschaft aufgrund gesetzlicher Regelung die Beleihungspflicht ohne „flankierende Vereinbarungen“ überträgt. Die Beleihung begründet eine öffentlich-rechtliche Rechtsstellung des dann beseitigungspflichtigen privatwirtschaftlichen Unternehmers, der nach deutschen Verwaltungsrecht selbst Behördenstellung bekommt. Insoweit dürfte auch ein Ausnahmetatbestand i. S. v. Art. 45 EG-Vertrag vorliegen, nach dem „Tätigkeiten“, die „dauernd oder zeitweise mit der Ausführung öffentlicher Gewalt verbunden sind“ nicht vom Vergaberecht erfasst sein müssen.

Allerdings soll diese sog. Bereichsausnahme nicht in nationales Recht umgesetzt worden sein. Jedoch bleibt es dabei, dass sich Rechte und Pflichten des Beseitigungspflichtigen i. S. d. TierNebG. nach öffentlich-rechtlichen Maßgaben bestimmen; das TierNebG regelt gesundheits- und veterinärpolizeiliche Aufgaben und begründet Pflichten für den Beseitigungspflichtigen wie für die Besitzer tierischer

Nebenprodukte, die nur öffentlichrechtlich begründet werden können. Auch das unterstreicht die spezifische verwaltungsrechtliche Ausprägung des Verfahrens zur Beleihung.

Mittelbar könnte sich ein Zwang zur „Ausschreibung“ ergeben, wenn dies beihilferechtlich geboten wäre. Ziff. 34 des „Gemeinschaftsrahmens“ verlangt aber nicht in jedem Fall eine „Ausschreibung“, nämlich dann nicht, wenn nach den regional jeweils maßgeblichen Verhältnissen nur ein Verarbeitungsbetrieb „in Frage kommt“. Ob ein solcher Fall vorliegt, wird sich nicht generell beantworten lassen. So kann es auf die Lage von Verarbeitungsbetrieben ankommen; bei zu großen Entfernungen zu anderen Verarbeitungsbetrieben kann die (erneute oder erstmalige) Übertragung der Beseitigungspflicht auf den Inhaber des Verarbeitungsbetriebes im bestehenden Einzugsbereich schon nach veterinärfachlicher Beurteilung zwingend sein. Außerdem ergibt Ziff. 34 nur den Hinweis auf allgemeine Grundsätze für ein diskriminierungsfreies Auswahlverfahren, wie sie auch gelten, wenn keine Vergabe nach GWB erfolgen muss.

 

b) Darf nach vergaberechtlichen Grundsätzen ausgeschrieben werden?

 

Die landesrechtlichen Regelungen zu § 3 Abs. 2 des Sachsen-Anhaltinischen Tier-NebG-RG bzw. § 31 AGTierSG TierNebG NRW setzen die Zulässigkeit einer Ausschreibung nach GWB voraus. Nach der für Sachsen-Anhalt getroffenen Regelung wird eine solche Ausschreibung allerdings nicht gefordert, sie soll nur den Verzicht auf eine Kalkulation nach Grundsätzen des öffentlichen Preisrechts ermöglichen.

Ob für Nordrhein-Westfalen landesrechtlich eine Verpflichtung zur Ausschreibung begründet sein soll, ergibt sich aus dem Ausführungsgesetz nicht mit Eindeutigkeit. In Nordrhein-Westfalen besteht aber auch die Besonderheit, dass die originär beseitigungspflichtigen Kommunen über die Übertragung der Beseitigungspflicht entscheiden sollen. Dazu sollen dann auch vertragliche Regelungen getroffen werden. Auf diesen Fall beziehen sich unsere Ausführungen nicht.

Der Bundesgesetzgeber hat mit dem Tier-NebG ein verwaltungsrechtliches Verfahren zur Entscheidung über die Übertragung der Beseitigungspflicht vorgegeben. Dieses Verfahren führt zu einer Ermessensentscheidung der zuständigen Behörde, ein Rechtsanspruch auf Übertragung ist ausdrücklich

ausgeschlossen.

Eine verwaltungsrechtliche Ermessensentscheidung, bei der ganz unterschiedliche Gesichtspunkte berücksichtigt werden können oder müssen, ist nicht mit dem Regime des Vergaberechts vereinbar. Das Vergaberecht begründet einen rechtlich durchsetzbaren Anspruch für den, dem nach den Regeln des Vergaberechts der Zuschlag zu erteilen ist. Gibt es mehrere Anträge auf Übertragung der Beseitigungspflicht, so dass die zuständige Behörde eine Auswahlentscheidung zu treffen hat, kann sie diese nicht nach vergaberechtlichen Regularien treffen. Denn dann würde sie kein Ermessen mehr ausüben können. Sie könnte zwar Zuschlagskriterien definieren, wäre aber selbst an diese gebunden, außerdem lassen sich nicht alle für die Ermessensentscheidungen möglicherweise relevanten Aspekte mit Zuschlagskriterien präzise erfassen.

Mit der Beleihung ist eine Eingliederung des privatwirtschaftlichen Unternehmers in die öffentliche Verwaltung verbunden. Das bedingt Aufsichtspflichten und Aufsichtsbefugnisse der Aufsichtsbehörde. Ein Vergabeverfahren nach GWB soll eine diskriminierungsfreie Teilnahme von Unternehmen aus allen Mitgliedstaaten (jedenfalls theoretisch) ermöglichen. Wie soll für den Fall, dass nach Kriterien des Vergaberechtes ein Verarbeitungsbetrieb im benachbarten Ausland den Zuschlag erhalten müsste, gesichert sein, dass Aufsichtspflichten erfüllt und Aufsichtsbefugnisse durchgesetzt werden können?

Wir haben deshalb erhebliche Bedenken gegen die Vorstellung, die zuständige Behörde könne sich aussuchen, ob sie ein Auswahlverfahren nach verwaltungsrechtlichen Grundsätzen oder eine vergaberechtliche Ausschreibung durchführt. Wenn öffentlichrechtlich nur das verwaltungsrechtliche Auswahlverfahren mit daraus resultierender Ermessensentscheidung zulässig ist, wäre eine Entscheidung über die Beleihung durch einen Zuschlag nach vergaberechtlichen Grundsätzen wohl rechtswidrig.

 

c) Wie kann ein Wettbewerbsverhältnisgenutzt werden?

 

Wenn ein Vergaberechtsverfahren nach GWB nicht zwingend oder gar rechtswidrig ist, bedeutet das keineswegs, dass es keine Möglichkeit gäbe, im Interesse der Kostenträger der Tierkörperbeseitigung Vorteile eines Wettbewerbsverhältnisses zu nutzen. Es bestehen keinerlei Bedenken dagegen, dass vor der Entscheidung über die Übertragung der Beseitigungspflicht in entsprechender Bekanntmachungsform auf die Absicht hingewiesen wird, in dem Verfahren nach § 3 Abs. 2 TierNebG eine Auswahlentscheidung zu treffen, was notwendig voraussetzt, dass sich mehrere Verarbeitungsbetriebe um die Übertragung der Beseitigungspflicht bewerben. Wenn nach den regionalen Verhältnissen tatsächlich mehrere Verarbeitungsbetriebe in Betracht kommen, dürfte beihilferechtlich sogar eine  Notwendigkeit zur Durchführung eines solchen Auswahlverfahrens bestehen. Bei der Gestaltung eines solchen Auswahlverfahrens muss die Möglichkeit, vielleicht auch Wahrscheinlichkeit, berücksichtigt werden, dass nur für einen Verarbeitungsbetrieb ein Antrag auf Übertragung der Beseitigungspflicht gestellt wird.

Ebenso muss die Möglichkeit berücksichtigt werden, dass zwar mehr als ein Antrag gestellt wird, Antragsteller aber jeweils Unternehmen desselben Konzerns sind. In beiden Fällen fehlt es an einem tatsächlichen Wettbewerb, es müssen also Vorgaben gesetzt sein, die eine mehr oder weniger willkürliche „Preisbildung“ ausschließen.

Bei einem vergaberechtlichem Verfahren nach GWB könnte eine solche Konstellation sehr leicht zu unnötigen Mehrkosten führen.

Auch wenn sich ein Wettbewerbsverhältnis ergibt, weil sich Verarbeitungsbetriebe am Auswahlverfahren beteiligen, die tatsächlich Konkurrenten sind, kommt es darauf an, die Vergleichbarkeit unterschiedlicher Entgeltangaben sicherzustellen.

Es muss also eine einheitliche Kalkulationsgrundlage geschaffen werden. Dabei muss auch definiert sein, wie das Seuchenrisiko zu berücksichtigen ist. Die Kalkulationsvorgaben müssen berücksichtigen, dass sich die Wertschöpfung erheblich verändern kann, wenn – wie wohl beabsichtigt- die Restriktionen für die Verwertung der Produkte eingeschränkt werden.

Außerdem muss ein solches Auswahlverfahren zu einem Zeitpunkt abgeschlossen sein, in dem es Verarbeitungsbetrieben, die nicht schon im jeweiligen Einzugsbereich existieren, überhaupt ermöglicht werden würde, die notwendigen Investitionen insbesondere für die Logistik zu tätigen.

Schließlich sollte berücksichtigt werden, dass in der Tierkörperbeseitigung ein Wettbewerb nur in sehr engen Grenzen möglich ist. Aufgrund des Rückgangs der Rohwarenmengen insbesondere bei den Schlachtabfällen besteht zwar ein erhebliches wirtschaftliches Interesse an der Verarbeitung von Rohwaren aus anderen Einzugsbereichen. Jedoch führen größere Entfernungen auch zu höheren Einsammlungs- und Transportkosten, sie können hohe Investitionen erforderlich machen.

 

Fazit:

 

Die Möglichkeiten, durch Wettbewerb um die Übertragung der Beseitigungspflicht die Kosten der Beseitigung tierischer Nebenprodukte wesentlich zu vermindern, sind sehr begrenzt. Es kommt auf die regionalen Verhältnisse und die Durchführung eines Auswahlverfahrens an. Wenn die für die Übertragung der Beseitigungspflicht zuständige Behörde ein Vergabeverfahren nach GWB durchführt, kann sich schon daraus eine rechtswidrige Auswahlentscheidung ergeben. Jedoch ermöglicht ein nach den grundsätzlich maßgeblichen verwaltungsrechtlichen Kriterien durchzuführendes Auswahlverfahren bei sachgerechter Durchführung durchaus, Vorteile einer Wettbewerbslage, wenn die regionalen Verhältnisse einen Wettbewerb ermöglichen.

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Autor

Rechtsanwalt
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