Fachbeitrag 19.10.2010

Was soll ich tun – ich habe keine geeigneten Erben ?


Dieser Hilferuf ist natürlich nicht wörtlich zu nehmen. Doch für mehr und mehr Betroffene stellt sich die Frage, wer denn am Ende ihrs menschlichen Daseins als Erbe die Vermögensnachfolge antreten soll.

a) Bei Alleinstehenden, die unverheiratet und kinderlos durchs Leben gegangen sind, versteht sich das häufig von selbst. Auch kinderlose Ehepaare müssen entscheiden, wer am Ende, wenn später auch der überlebende Partner verstorben ist, Schlusserbe werden soll. Etwa der Neffe, die Nichte oder ein entfernter Verwandte, der zwar nach der gesetzlichen Erbfolge „an der Reihe wäre“, den man jedoch kaum gekannt und erst Recht nicht gemocht hat?

Wenn keine oder nicht mehr pflichtteilsberechtigte Angehörige (Kinder bzw. deren Abkömmlinge, Ehegatte oder Eltern) vorhanden sind, ist die Wahlfreiheit in Bezug auf den Erben bzw. die Erben quasi grenzenlos und Verlegenheitslösungen mit Kandidaten aus der entfernten Verwandtschaft erscheinen häufig suboptimal. Doch aus Gründen der Höflichkeit oder aus falsch verstandenem Anstand mag sich so mancher Erblasser von solchen Gedanken nicht verabschieden.

b) Selbst wenn nähere Verwandte bzw. Angehörige vorhanden sind, so stellen sich in bestimmten Konstellationen Probleme, Hindernisse oder mentale Vorbehalte ein: Sollen die „losgesagten“ Kinder als Erben eingesetzt oder sonst bedacht werden ? Wie sollen behinderte Kinder gestellt und versorgt werden ? Wie geht man mit potenziellen Erben um, die zur Verschwendungssucht neigen oder schlicht lebensunfähig sind und mit dem Antritt der Erbschaft völlig überfordert wären?

Oder: Haben es meine Kinder wirklich verdient? Ziehe ich es vor, meine Kinder so zu behandeln, wie z.B. Bill und Linda Gates oder Warren Buffet, das riesige Vermögen angehäuft haben, und nach eigenen Angaben ihre eigenen Kinder überhaupt nicht bedacht haben.

c) Die gute Nachricht vorweg: Für jedes Problem stellt die Rechtsordnung die passende Lösung zur Verfügung, d.h. es besteht weitgehende Gestaltungsfreiheit, die ausgeschöpft werden darf.

Die erste Frage, die beantwortet sein will, lautet: Wer soll am Ende der Erbe sein, d.h. in die komplette Rechtsnachfolge meines Vermögens gelangen und dies ohne jede Einschränkung ? Dies ist die Kernfrage, für die es sehr differenzierte Lösungen gibt. Oder sollen der oder die Erben bloß wirtschaftlich die Nutznießer sein, indem sie beispielsweise nur ein Vermächtnis erhalten oder z.B. ein Testamentsvollstrecker für einen längeren Zeitraum die rechtliche Verfügungsgewalt übernimmt.

  • Der „Grundfall“: Der oder die „nächstliegenden“ Angehörigen soll bzw. sollen das Vermögen uneingeschränkt erhalten und dafür gibt es einen Grund, den Sie als vernünftig erachten. Sie beabsichtigen also wohlüberlegt die „normale“ Erbfolge. Die nachfolgenden Überlegungen kommen für Sie also nicht in Betracht.
  • Der oder die „nächstliegenden“ Angehörigen soll bzw. sollen es nur zu einem bestimmten Teil erhalten oder sollen nur eingeschränkt darüber verfügen können
  • Sie bedenken z.B. eine andere Person, eine gemeinnützige Einrichtung o.ä. mit einem Teil Ihres Vermögens oder sie schränken das Verfügungsrecht der Erben z.B. über die

Anordnung der Testamentsvollstreckung oder einer bloßen Vorerbenstellung ein.

  • Die „nächstliegenden“ Angehörigen sollen nur in geringem Umfang wirtschaftlich (und rechtlich) partizipieren, z.B. über ein (Renten-)Vermächtnis, ein Nießbraucherrecht o.ä. Erbe wird somit eine Person oder Institution außerhalb der Familie.
  • Keiner der irgendwie in Frage kommenden Angehörigen wird bedacht oder solche sind schlechthin nicht vorhanden. Sie suchen sich nach objektiven und subjektiven Kriterien denjenigen bzw. diejenige Institution, die Ihnen am meisten als Erbe geeignet erscheint.

Bei letzterer Lösung sind Ihrer Radikalität und Ihrer Kreativität kaum rechtliche Grenzen gesetzt – es sei denn es lauern Pflichtteilsansprüche von Kindern bzw. Abkömmlingen, noch lebenden Eltern oder Ehegatten oder Bindungen aus einem gemeinschaftlichen Testament oder Erbvertrag. Die Pflichtteilsansprüche werden allerdings oft überschätzt und können notfalls mit einem bloßen, in der Höhe ausreichender Vermächtnis pariert werden.

d) Sicherlich gehört eine Portion Mut und Non-Konformität dazu, die Erbfolge zu Gunsten der entfernten Verwandtschaft einfach auszuschalten. Je weniger hier in der Vergangenheit „Erwartungen“ geschürt worden sind, je offener diese Frage zu Lebzeiten behandelt worden ist, desto freier bleiben Geist und Herz für eine solche Entscheidung.

Für die Umsetzung einer solchen Vorgehensweise bieten sich mehrere Lösungen an:

  • Eine bestehende gemeinnützige Organisation (z.B. eine Stiftung) wird zum Alleinerben eingesetzt. Ggf. setzen Sie zusätzlich einen Testamentsvollstrecker ein um sicher zu sein, dass die Dinge, die unmittelbar mit Ihrem Ableben zu tun haben, von einer Person Ihres Vertrauens geregelt wird.
  • Eine solche gemeinnützige Organisation (z.B. Stiftung) existiert noch gar nicht: Sie verfügen daher in Ihrem Testament, dass mit Ihrem Ableben eine gemeinnützigeStiftung mit einem von Ihnen bestimmten Stiftungszweck errichtet werden soll. In deren Vermögensstock soll später Ihr Nachlass fließen. Dieser Vermögensstock muss der Stiftung erhalten bleiben, d.h. nur mit den Erträgen können die Stiftungszwecke unterstützt werden Die Stiftungsaufsichtsbehörden verlangen hier als Minimum ein Stiftungsvermögen von ca. € 50.000. In wirtschaftlicher Sicht sollten es mindestens € 500.000 sein, da – wie gesagt – die Stiftung nur mit den Erträgen die Stiftungszwecke fördern darf. Die Stiftung kann mit einem Teil des Kapitals schon zu Lebzeiten gegründet werden. Erbschaftsteuer fällt nicht an und auch sonst sind gemeinnützige Stiftungen in ihrem Betrieb weitgehend steuerlich privilegiert. Sofern die Stiftungserrichtung schon zu Lebzeiten geschieht, kann der Stifter gemäß § 10b Abs. 1a EStG bis zu € 1 mio als steuerliche Sonderausgaben geltend machen.
  • Wem die reine Stiftungslösung zu kompliziert ist, mag folgende Konstruktion überdenken: Es ist von Todes wegen oder schon zu Lebzeiten die Errichtung einer sog.

Treuhandstiftung möglich. Der Stifter beauftragt hier über eine Art Treuhandvertrag eine schon bestehende Stiftung, das überlassene Vermögen für einen bestimmten Zweck treuhänderisch zu verwalten. Dieser Zweck deckt sich mit den Zwecken, denen diese schon existente Stiftung dient. Hier genügen schon Zuwendungen im mittleren 5-stelligen Euro-Bereich. Aus meiner praktischen Erfahrung kann ich z.B. auf zwei gemeinnützige Stiftungen verweisen, die unter bestimmten Voraussetzungen die Trägerschaft für solche Treuhandstiftungen übernehmen: die Kindernothilfe-Stiftung (www.kindernothilfe.de) und die Bürgerstiftung Hamburg (www.buergerstiftung-hamburg.de). Den Kontakt kann ich gerne herstellen.

Vieles ist also möglich. Es liegt in erster Linie an Ihnen, bestimmte Entscheidungen zu treffen und die vorhandenen Gestaltungsfreiheiten zu nutzen.

Rechtsanwalt Dr. Matthias Baus

Diese Information ist ein reines Informationsschreiben und dient der allgemeinen Unterrichtung meiner Mandanten und interessierter Personen. Es ersetzt nicht eine rechtliche Beratung.

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