Hierzu nehme ich Bezug auf zwei aktuelle Entscheidungen aus diesem Jahr.
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat sich in seinem Urteil vom 12.1.2016 mit dem Aktenzeichen 19 Sa 1851/15 damit auseinandergesetzt, ob die Anrechnung von Sonderzahlungen auf den gesetzlichen Mindestlohn zulässig ist.
Der Entscheidung des Gerichts lag zu Grunde, dass eine Arbeitnehmerin einen Stundenlohn von weniger als 8,50 Euro erhielt zuzüglich Sonderzahlungen, die bei Verteilung auf 12 Monatedazu führten, dass der Mindestlohn von € 8,50 überschritten würde.
Im Arbeitsvertrag der Arbeitnehmerin war eine Sonderzahlung, zwei Mal jährlich in Höhe eines halben Monatslohnes vereinbart. Auf Grund einer Vereinbarung mit dem Betriebsrat wurde diese Sonderzahlung auf alle zwölf Monate eines Kalenderjahres verteilt, so dass jeden Monat ein Zwölftel der Sonderzahlung ausgezahlt wurde.
Daneben war zwischen der Arbeitnehmerin und dem Arbeitgeber vereinbart, das Überstunden-, Sonn- und Feiertags- sowie Nachtzuschläge weiterhin auf der Grundlage des vereinbarten Stundenlohnes von weniger als€ 8,50 berechnet würden.
Hiergegen hat sich die Arbeitnehmerin gewandt und mit ihrer Klage geltend gemacht, dass ihr die Sonderzahlung weiter zusätzlich zu einem Stundenlohn von € 8,50 Euro zustünde und der gesetzliche Mindestlohn von € 8,50 Euro auch Grundlage der Berechnung der Zuschläge sei.
Das Landesarbeitsgericht hat zu Gunsten der Klägerin nur bezüglich der Nachtarbeitszuschläge entschieden.
Nach der Auffassung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg handelt es sich bei der Sonderzahlung im streitgegenständlichen Fall um Arbeitsentgelt für die normale Arbeitsleistung der Arbeitnehmerin, weshalb eine Anrechnung auf den gesetzlichen Mindestlohn möglich sei. Die Betriebsvereinbarung, die die Fälligkeit der Sonderleistungen zu einem Zwölftel auf jeden Monat verschiebe, sei wirksam und verstoße nicht gegen den Arbeitsvertrag der Klägerin.
Nach Auffassung des Gerichts hat die Arbeitgeberin die vertraglich geregelten Mehrarbeits-, Sonntags- und Feiertagszuschläge in zulässiger Weise auf der Basis der vereinbarten vertraglichen Vergütung berechnet, jedoch müssten die Nacharbeitszuschläge auf der Basis des Mindestlohns von € 8,50 Euro zu berechnen sein, da § 6 Abs. 5 Arbeitszeitgesetz einen angemessenen Zuschlag auf Bruttoarbeitsentgelt“ vorsehe.
Das Arbeitsgericht Stuttgart hat in seinem Urteil vom 10.3.2016 mit dem Az.: 11 Ca 6834/15 entschieden, dass Vergütungsbestandteile, die laufend monatlich ohne besondere Zweckbindung durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer als echte Entgeltleistung bezahlt werden, auf den Mindestlohnanspruch anrechenbar sind und eine lediglich formale Bezeichnung der Leistungen als „Urlaubs-/Weihnachtsgeld“ einer Anrechnung nicht entgegen steht.
Das Arbeitsgericht Stuttgart verweist in dieser Entscheidung darauf, dass das MiLoG keine ausdrücklichen Anhaltspunkte gibt, welche Zahlungen des Arbeitgebers als mindestlohnwirksam betrachtet werden können. Es werde überwiegend davon ausgegangen, dass man zumindest im Ausgangspunkt auf die Rechtsprechung des EUGH zur AN-EntsendeRL 96/71/EG zurückgreifen könne (so etwa Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 16. Auflage, 460 MiLoG § 1 Rz. 11; vgl. auch Gegenäußerung BReg. BT-Drs. 18/1558, S. 67; Däubler, NJW 2014, 1924 (1926); a.A. etwa Bayreuther, NZA 2014, S. 865, 868 f.). Danach könnteni nach der EUGH Rechtsprechung Vergütungsbestandteile in den Mindestlohn einbezogen werden, wenn sie das Verhältnis zwischen der Leistung des Arbeitnehmers auf der einen und der Gegenleistung, die er dafür erhält, auf der anderen Seite nicht verändern (EUGH vom 14.04.2005, NZA 2005, 773; EUGH vom 07.11.2013, NZA 2013, 1359). Auch wird auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum AentG verwiesen, wo von einer Anrechnung ausgegangen wird, wenn der Zweck der Leistung des Arbeitgebers mit dem Zweck des Mindestlohnes „funktionell gleichwertig“ ist, wenn also die Zahlung des Arbeitgebers die „Normalleistung“ des Arbeitnehmers abgelten soll (so etwa BAG vom 18.04.2012, NZA 2013, 392; vgl. auch BAG vom 16.04.2014, NZA 2014, 1277).
Nach Auffassung des Arbeitsgerichts sind demnach Einmalzahlungen wie etwa Weihnachts- und Urlaubsgeld jedenfalls dann als mindestlohnwirksam anzusehen, wenn sie als monatliche Zahlungen bzw. zu dem für den Mindestlohn relevanten Fälligkeitsdatum (vgl. hierzu § 2 I S. 1 Nr. 2 MiLoG) unwiderruflich als echte Entgeltbestandteile – unabhängig von sonstigen weiteren Voraussetzungen wie etwa tatsächlicher Urlaubsantritt, besondere Stichtagsklausel etc. – ausbezahlt werden.
Fazit:
Die Rechtsprechung gibt den Arbeitgebern durch ihre Urteile entsprechende Freiräume Sonderzahlungen auf den Mindestlohn anzurechnen. Dass dies durch das Mindestlohngesetz so erwünscht war, darf wohl nicht angenommen werden.
Interessant dürfte es sein, ob die sozialgerichtliche Rechtsprechung im Falle einer Zuständigkeit zu derselben Auffassung gelangt. Das bleibt abzuwarten.