Wie finde ich eine zuverlässige und preiswerte Rechtsschutzversicherung?

Fachbeitrag 07.09.2011

Vorsicht bei Werbung – oder: Senioren sind nicht behindert


Ein Urteil des OLG Koblenz vom 25.02.2011 (Az: 10 U 1504/09) verdeutlicht wieder einmal, wie gefährlich es ist, bei nicht eindeutig definierten Begriffen das eigene Verständnis zum Maßstab der Vertragsauslegung zu machen: Der Käufer zweier Eigentumswohnungen sah diese als mangelhaft an und verlangte Minderung.

Grund: In Bädern und Toiletten fehlten Haltegriffe und der Austritt zum Balkon war in einer mehr als 20 cm hohen Stufe ausgestaltet. Der Käufer meinte, die Wohnungen seien ihm als „barrierefrei“ verkauft worden. Außerdem seien die Wohnungen als „seniorengerecht“ beworben worden und eine Ausstattung, die es letztendlich einem Bewohner, der auf einen Rollstuhl oder Rollator angewiesen sei, unmöglich mache den Balkon zu nutzen, könne nicht als „seniorengerecht“ angesehen werden.

Der Verkäufer verlor seinen Prozess. Es war ihm zum einen nicht gelungen, die behaupteten ausdrücklichen Zusagen zu beweisen. Zum anderen folgte das Gericht nicht den Ausführungen des Käufers, aufgrund der Bewerbung als „seniorengerecht“ sei eine barrierefreie Ausstattung zu erwarten gewesen.

Das Gericht führte aus, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes dann, wenn außerhalb eines schriftlich niedergelegten Vertrages anlässlich der Vertragsanbahnung in Prospekten oder sonstigen Werbematerialien über den niedergelegten Vertragsinhalt hinausgehende Versprechen gemacht werden, geprüft werden müsse, ob diese Angaben nicht ebenfalls Vertragsinhalt geworden seien. Als Beschaffenheitsvereinbarung könnten – so das OLG Koblenz – dabei jedoch nur solche Angaben angesehen werden, aus welchen sich eine bestimmte Eigenschaft oder Ausstattung des Objekts eindeutig entnehmen lasse. Dies sei bei dem Begriff „seniorengerecht“ nicht der Fall. Weder ließen sich hieraus konkrete Ausstattungsmerkmale herleiten, noch gebe es ein allgemeines Verständnis dazu, was an Wohnungsausstattung erforderlich sei, damit eine Wohnung als „seniorengerecht“ bezeichnet werden könne. Die Auffassung des Käufers, „seniorengerecht“ sei gleichzusetzen mit „völlig barrierefrei“ und setze die Anbringung von Haltegriffen in Bädern und Toiletten voraus, wollte das Gericht nicht teilen. „Seniorengerecht“ sei kein Rechtsbegriff und könne nicht mit dem Begriff „behindertengerecht“ gleichgesetzt werden, da eben nicht jeder Mensch fortgeschrittenen Alters als körperlich behindert oder auf Rollstuhl oder Rollator angewiesen anzusehen sei.

Gerade beim Umgang mit Prospekten und Werbematerial ist also größte Vorsicht geboten. Man sollte sich immer der Tatsache bewusst sein, dass der Autor eines Prospektes vor allem den beworbenen Gegenstand verkaufen möchte. Es ist also dringend zu empfehlen, das eigene Verständnis vom beschriebenen Gegenstand kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls mit dem Verkäufer zu klären. Das Ergebnis einer solchen Nachfrage muss dann unbedingt schriftlich dokumentiert werden, da andernfalls – wie auch der Fall des OLG Koblenz wieder verdeutlicht – im Streitfall das Risiko besteht, dass sich die Vorsicht mangels Beweisbarkeit nicht auszahlt.

Rated 3,3 out of 5
3,3/5 (998)
Autor

Rechtsanwalt
Fachbeitrag von einem unserer 56.713 Anwälte. Sind Sie Anwalt und möchten einen Fachbeitrag beisteuern, der im Durchschnitt 456 x pro Monat gelesen wird? Mehr zu unserem Kanzleimarketing für Anwälte.