Fachbeitrag 19.08.2013

Vorsicht bei der Freigabe selbständiger Tätigkeiten in der Insolvenz


Seit der Neufassung von § 35 Abs. 2 InsO werden vermehrt selbständige Tätigkeiten von Insolvenzschuldnern im laufenden Insolvenzverfahren freigegeben. Dies kann jedoch zu erheblichen unbeabsichtigten Schwierigkeiten führen, wie der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 18.04.2013, Az. IX ZR 165/12, festgestellt hat. Grundsätzlich ist der Schuldner zumindest im laufenden Insolvenzverfahren vor Aufrechnungen geschützt. Auch die Abtretung künftiger Forderungen sind grundsätzlich nach Insolvenzeröffnung wegen § 91 Abs. 1 InsO für den Gläubiger nicht mehr durchsetzbar, da der Gläubiger nach Insolvenzeröffnung keine Rechte an Gegenständen der Insolvenzmasse erwerben kann.

 

Dies ändert sich durch die Freigabe der selbständigen Tätigkeit gem. § 35 Abs. 1 S. 1 InsO. Durch die Freigabe der selbständigen Tätigkeit verzichtet der Insolvenzverwalter auf seine Verwaltung- und Verfügungsbefugnis hinsichtlich der selbständigen Tätigkeit des Schuldners; sämtliche Einnahmen hieraus gehören dann nicht mehr zur Insolvenzmasse. Fällt aufgrund einer solchen Freigabe der selbständigen Tätigkeit die Verfügungsbefugnis wieder auf den Schuldner zurück, wird die Vorausabtretung infolge Konvaleszenz gem. § 185 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB wieder wirksam. Mithin erlangen Abtretungen, welche oftmals formulargemäß in Darlehensverträgen von Banken (Gläubiger A – Z, Abtretung von Ansprüchen gegen die KZV u.ä.) enthalten sind, in der Insolvenz wieder ihre Wirksamkeit. Auf Anforderung der sichernden Bank muss dann der Gläubiger an die Bank bezahlen. Dies kann nach Freigabe einer selbständigen Tätigkeit den Schuldner dazu zwingen, diese wieder aufzugeben, da er nicht mehr an den Früchten seiner Arbeit partizipiert. Im vorliegenden Fall hatte ein Arzt seine Ansprüche gegenüber der KZV an seine Bank abgetreten. Da die KZV nun nur noch an die Bank zahlen darf, ist die selbständige Tätigkeit des Schuldners bedroht.

 

Ähnliche Schwierigkeiten drohen nach dem Abschluss des Insolvenzverfahrens in der Restschuldbefreiungsphase.

Dieses Ergebnis kann nur durch Verhandlungen mit den Gläubigern oder durch Vereinbarung mit dem Insolvenzverwalter, die selbständige Tätigkeit unter dessen Regie fortzuführen, umgangen werden.

 

Dr. Kramp

Rechtsanwalt

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