Fachbeitrag 19.09.2014

Vergütung aus selbstständiger Tätigkeit teilweise pfandfrei


Der Bundesgerichtshof hatte in seiner Entscheidung vom 26. 6. 2014 Az. IX ZB 87/12 Gelegenheit, sich mit der Pfändbarkeit von Einkünften aus verständiger Tätigkeit im Rentenalter auseinander zusetzen.

Im zu entscheidenden Fall war ein Insolvenzschuldner als Anwalt und Notar tätig. Im Insolvenzverfahren bezog er verschiedene Renten und Versicherungsleistungen. Des Weiteren wurde er als Unternehmensberater freiberuflich tätig.

Der Insolvenzschuldner beantragte, ihm gemäß § 850 Buchst. a Nr. 1 ZPO die Hälfte des infolge der Mehrarbeit erzielten Einkommens insolvenz- und damit pfandfrei zu belassen. Das Insolvenzgericht und als Beschwerdegericht das Landgericht haben diesen Antrag zurückgewiesen. Die eingelegte Rechtsbeschwerde vor dem Bundesgerichtshof hatte Erfolg und führte zur Zurückverweisung an das Landgericht.

Gemäß § 35 Abs. 1 InsO erfasst die Insolvenzmasse auch den Neuerwerb des Schuldners. Dieser besteht meist aus Arbeitsentgelt und sonstigen Einkünften. Gemäß § 36 InsO sind die Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850 ff. ZPO entsprechend anwendbar. Nach § 850 Buchst. a Nr. 1 ZPO ist die Hälfte der für Mehrarbeit geleisteten Vergütung unpfändbar. Auf die Vergütung von Selbstständigen ist diese Norm nicht direkt anwendbar, da dessen Arbeitszeit weder durch Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, Dienstordnung oder in sonstiger Weise geregelt ist. Insofern lässt sich eine Mehrarbeit bei Selbstständigen grundsätzlich nicht feststellen. Anders kann es lediglich dann aussehen, wenn der selbstständig Tätige seine Tätigkeit neben einer vollzeitigen abhängigen Beschäftigung ausübt. Nunmehr hat der Bundesgerichtshof den Gedanken des § 850 Buchst. a Nummer 1 ZPO auch auf den Fall erstreckt, in dem das Rentenalter überschritten wurde. Dann sei nämlich eine Erwerbstätigkeit grundsätzlich nicht mehr zu erwarten. Aus diesem Grunde stelle auch eine selbstständige Tätigkeit eine Mehrarbeit dar, so dass der Bundesgerichtshof es als sachgerecht ansah, die Pfändungsschutzvorschriften des § 850 Buchst. a Z. 1 ZPO analog anzuwenden.

Der Bundesgerichtshof gab dem Antrag des Schuldners jedoch nicht statt, da es sich nicht direkt um (abhängiges) Arbeitseinkommen handle. Es handele sich bei den Einkünften aus der selbständigen Tätigkeit vielmehr um sonstige Einkünfte gemäß § 850 Buchst. i ZPO. Nach § 850 Buchst. i Abs. 1 ZPO sind bei der Entscheidung die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners zu würdigen. Auch ist der Antrag abzulehnen, als überwiegende Belange der Gläubiger entgegenstehen. Eine entsprechende Abwägung habe das Insolvenzgericht vorzunehmen.

Diese Entscheidung zeigt, wie kompliziert die Anwendung der Wenner Schutzvorschriften im laufenden Insolvenzverfahren werden kann. Hilfe leistet hier jeder auf Insolvenzrecht spezialisierte Rechtsanwalt oder Fachanwalt für Insolvenzrecht.

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