Fachbeitrag 24.11.2010

Urlaubsabgeltung und Vertrauensschutz


Das Bundesarbeitsgericht hatte sich im Urteil vom 23.03.2010, gerichtliches Aktenzeichen 9 AZR 128/09 nochmals mit der Frage zu befassen, ob bei einer lang andauernden Erkrankung sowie einer hieran anschließenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Urlaub des Arbeitsnehmers abgegolten werden muss. 

Bekanntermaßen verfällt der gesetzliche Urlaub nach lang andauernden Erkrankung entsprechend der neuen Rechsprechung des Europäischen Gerichtshofes, der sich das Bundesarbeitsgericht angeschlossen hat, nicht.

 

In der Vergangenheit hat das Bundesarbeitsgericht über lange Jahre hinweg die Auffassung vertreten, dass ein Urlaubsabgeltungsanspruch dann verfällt, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ablauf des auf das Urlaubsjahr folgenden Übertragungszeitraums von 3 Monaten arbeitsunfähig bleibt.

 

Im vorliegenden Fall stritten die Parteien über Urlaubsabgeltungsansprüche des Arbeitsnehmers betreffend die Jahre 2004 und 2005.

 Die Arbeitgeberseite vertrat unter anderem die Auffassung, dass ihr im Hinblick auf die langjährige Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichtes Vertrauensschutz zu gewähren sei, da jedenfalls im hier maßgeblichen Zeitraum ein die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts korrigierendes Urteils  des Europäischen Gerichtshofes noch nicht vorlag.

 Das Bundesarbeitsgericht kam zum Ergebnis, dass die Deutschen Gerichte selbstverständlich nach Art. 20 Abs. III GG gehalten seien, den Grundsatz des Vertrauensschutzes zu beachten. Die langjährige Rechtsprechung der Urlaubssenate des Bundesarbeitsgerichtes, die seit 1982 vom Verfall von Urlaubs-(Abgeltungs-)ansprüchen bei bis zum Ende des Übertragungszeitraums fortdauernder Arbeitsunfähigkeit ausging, sei geeignet gewesen, Vertrauen der Arbeitgeberseite auf den Fortbestand dieser Rechtsprechung zu begründen.

 Allerdings, so das Bundesarbeitsgericht, ende dieser Vertrauensschutz mit Ablauf der Umsetzungsfrist für die Arbeitszeitrichtlinie 93/104/EG am 23.11.1996. Hierdurch, so das Bundesarbeitsgericht, sei eine wesentliche Änderung eingetreten. Danach entfalle die Vertrauensgrundlage. Seit dem 24.11.1996 sei das Vertrauen von Arbeitgebern auf den Fortbestand der bisherigen zum nationalen Recht ergangenen Rechtssprechung nicht länger schutzwürdig.

 In der Konsequenz bedeutet dies, dass bei der Frage der Urlaubsabgeltung bei lang andauernder Erkrankung, wie hier gegeben, ein Vertrauensschutz des Arbeitsgebers auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur bis zum 23.11.1996 angenommen werden kann.

 Es wird also in in meisten Fällen für die Arbeitgeberseite nicht möglich sein, die Inanspruchnahme von Urlaubsabgeltungs- oder Urlaubsansprüchen im Falle von lang andauernden Erkrankungen mit dem Argument des Vertrauensschutzes auf die langjährige gegenläufige Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichtes zu vermeiden.

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Rechtsanwalt
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