Fachbeitrag 05.02.2007

Unterhaltspflicht gegenüber Kindern


Das ab dem 1.7.1998 geltende Kindesunterhaltsgesetz brachte folgende Neuerungen:
• es gibt keinen Unterschied mehr zwischen dem Unterhaltsanspruch eines ehelichen und eines nichtehelichen Kindes.
• der Unterhaltsanspruch der Kinder kann dynamisiert werden mit der Folge, dass er automatisch steigt, sobald der Bundesjustizminister neue Regelbeträge festlegt, was alle zwei Jahre geschieht.
• Unterhaltsansprüche können unter bestimmten Voraussetzungen in einem vereinfachten Verfahren geltend gemacht werden.

1. Wer schuldet den Kindesunterhalt?
Kindesunterhalt wird primär von den leiblichen Eltern geschuldet. In Ausnahmefällen kommt auch eine Unterhaltspflicht der Großeltern in Betracht, falls die Eltern nicht leistungsfähig sind oder nicht mehr leben.
Bei minderjährigen Kindern gilt:
Minderjährige Kinder haben Anspruch auf Naturalunterhalt (also Betreuung, Kochen, Einkaufen usw.) und auf Barunterhalt (Geld). Leben die Eltern getrennt, so erfüllt derjenige Elternteil, bei dem das Kind lebt, seine Unterhaltspflicht bereits durch die Betreuung etc., er gewährt Naturalunterhalt. Dieser Elternteil schuldet i.d.R. kein Geld.
Der andere Elternteil schuldet den sogenannten Barunterhalt, dessen Höhe sich allein nach seinem Einkommen richtet. Anhand dieses Einkommens wird dann der zu zahlende Unterhalt in der Düsseldorfer Tabelle abgelesen. Das Einkommen bzw. Vermögen desjenigen Elternteils, bei dem das Kind lebt, ist grundsätzlich irrelevant. Deshalb kann es vorkommen, dass ein Kind z.B. bei seiner gut verdienenden Mutter lebt, aber trotzdem vom seinem nur wenig verdienenden Vater Unterhalt verlangen kann.
Von dieser Regel gibt es folgende Ausnahmen:
• beim Sonderbedarf
• wenn derjenige Elternteil, bei dem das Kind lebt, sehr viel mehr Einkommen als der barunterhaltspflichtige Elternteil hat
• wenn das Kind sich abwechselnd bei beiden Elternteilen aufhält
Bei volljährigen Kindern gilt:
Ein volljähriges Kind hat keinen Anspruch mehr auf Naturalunterhalt (Betreuung), sondern nur noch auf Barunterhalt (Geld). Gegenüber volljährigen Kindern sind beide Eltern barunterhaltspflichtig, und zwar auch derjenige Elternteil, bei dem das Kind lebt.
Für den Barunterhalt eines volljährigen Kindes haften beide Elternteile. Das heißt, mit Eintritt der Volljährigkeit haben grundsätzlich beide Eltern Unterhalt in Geld zu zahlen. Das gilt auch für denjenigen Elternteil, bei dem das Kind lebt. Dieser Elternteil kann dem nicht entgegenhalten, er leiste (weiterhin) Naturalunterhalt. Der Naturalunterhalt kann aber mit dem Barunterhalt verrechnet werden.
Jeder Elternteil haftet (nur) anteilmäßig in Höhe seines unterhaltsrelevanten Einkommens abzüglich des Selbstbehalts, der gegenüber volljährigen Kindern bei 840 Euro liegt.
Wichtig: Die Unterhaltspflicht eines Elternteils kann deshalb nur dann ausgerechnet werden, wenn auch das Einkommen des anderen Elternteils bekannt ist. Das volljährige Kind, das Unterhalt verlangt, ist verpflichtet, dem einen Elternteil über das Einkommen des anderen Elternteils Auskunft zu geben.
Jeder Elternteil schuldet aber maximal den Unterhalt, der sich nach der Düsseldorfer Tabelle ergeben würde, wenn er alleine Unterhalt nach seinem Einkommen zahlen müsste.

2. Wieviel Kindesunterhalt wird geschuldet?
Der Unterhaltsanspruch wird in mehreren Schritten ermittelt:

a.
 Zunächst wird der sogenannte Unterhaltsbedarf ermittelt. Hierbei geht es um die Frage, wieviel Geld das Kind mindestens für seinen Lebensunterhalt braucht. Die Höhe dieses Betrages richtet sich gemäß § 1610 BGB nach der “Lebensstellung des Bedürftigen”. Die Lebensstellung des Bedürftigen – hier also des Kindes – ist je nach seiner Lebenssituation verschieden.
Deshalb muss man folgende Gruppen unterscheiden:
o minderjährige Kinder
o volljährige Schüler bzw. Auszubildende bis 21 Jahre, die noch im Elternhaus wohnen
o Studenten
o andere volljährige Kinder

b.
 Auf der zweiten Stufe wird das eigene Einkommen des Kindes ggf. vom Unterhaltsanspruch abgezogen.
Zu beachten ist, dass das anrechenbare Einkommen minderjähriger Kinder beiden Elternteilen gleichmäßig zugute kommt. Die Barunterhaltspflicht verringert sich also nur um die Hälfte des anrechenbaren Kindeseinkommens.
Man erhält so den Unterhaltsanspruch.

c.
 Bei volljährigen Kindern wird schließlich noch ermittelt, wie sich dieser Unterhaltsanspruch auf beide Eltern aufteilt, d.h. welcher Elternteil welchen Anteil des Unterhaltsanspruchs zu zahlen hat. 
 
3. Berechnung des unterhaltsrelevanten Einkommens
Die Grundlage einer Unterhaltsberechnung ist immer das sog. durchschnittliche bereinigte Monatsnettoeinkommen des Zahlungspflichtigen. Es wird also zunächst ermittelt, wie viel der Unterhaltszahler monatlich netto zur Verfügung hat. Man nennt dies die Ermittlung der Leistungsfähigkeit; denn verteilt werden kann nur das, was tatsächlich auch vorhanden ist.
Bei Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit berechnet sich die Leistungsfähigkeit nach folgendem Schema:
Jahresbruttoeinkommen einschließlich aller Einmalzuwendungen
./.  gezahlte Lohn-, Kirchen- und sonstige Steuern
./.  Sozialabgaben (Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherung)
./.  berufsbedingter Aufwendungen (im Regelfall pauschal 5 %)
./.  angemessener Raten anerkennenswerter Kreditverpflichtungen
ergibt das Jahresnettoeinkommen.
Das Jahresnettoeinkommen wird durch zwölf geteilt, um das durchschnittliche Monatsnettoeinkommen zu erhalten.
Bei Freiberuflern gilt im Prinzip das Schema auch. Hier muss nur gesondert ermittelt werden, wie hoch die Altersvorsorge- und Krankenversicherungszahlungen sind, da Selbständige nicht in der gesetzlichen Renten- bzw. Krankenversicherung sind.
Unter berufsbedingten Aufwendungen versteht man Kosten, die notwendig mit der Ausübung des Berufs verbunden sind, also etwa Ausgaben für Fachbücher, Berufskleidung, Beiträge zu Berufsverbänden, beruflich bedingte Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Um einer kleinlichen Rechnerei vorzubeugen, können nach der Rechtsprechung der meisten Oberlandesgerichte diese Kosten mit einer Pauschale von 5 Prozent vom Monatsnettoeinkommen – höchstens aber monatlich 150,– Euro – angesetzt werden, wenn solche Aufwendungen überhaupt anfallen. Wer mit dem Rad zur Arbeit fährt und keine Aufwendungen hat, bei dem darf eine Pauschale selbstverständlich nicht abgesetzt werden.
Bei Freiberuflern können berufsbedingte Aufwendungen nicht zusätzlich berücksichtigt werden, weil alle entsprechenden Kosten bereits bei der Ermittlung des Gewinnes abgesetzt worden sind.

4. Änderung des Kinderunterhaltsgesetzes zum 1.1.2001
Bisher galt: Der Unterhaltspflichtige konnte die Hälfte des staatlichen Kindergelds vom Kindesunterhalt abziehen, wenn der andere Elternteil das Kindergeld bezog.
Dies ändert sich ab dem 1.1.2001 in vielen Fällen. In §1612b BGB – Anrechnung des Kindergeldes – wurde nämlich der Absatz 5 geändert, der nun folgenden Wortlaut hat: “Eine Anrechnung des Kindergeldes unterbleibt, soweit der Unterhaltspflichtige außer stande ist, Unterhalt in Höhe von 135 % des Regelbetrages nach der Regelbetrag-Verordnung zu leisten”
135% des Regelbetrages entspricht einem Kindesunterhalt nach Stufe 6 der Düsseldorfer Tabelle (Nettoeinkommen 2.100,- -2.300,- Euro). Das heißt: alle Unterhaltspflichtigen, die weniger als 2.100,- Euro netto monatlich verdienen, müssen in Zukunft mehr Kindesunterhalt zahlen!
Das hat zur Folge, dass nur noch ein Teil des Kindergeldes angerechnet wird.
Jeder Unterhaltspflichtige muss demnach mindestens so viel zahlen, dass jedes Kind zusammengerechnet aus Unterhalt und halbem Kindergeld folgende Beträge erhält:
Alter:  0 – 5  6 – 11  12- 17  ab
18 
          254 €  308 €   364 €  420 €
Oder anders ausgedrückt: Zieht man von den gerade genannten Beträgen 77,- Euro ( = halbes Kindergeld) ab, so erhält man den geschuldeten Betrag. Aber: man muss maximal den vollen Betrag der Düsseldorfer Tabelle für die jeweilige Stufe (also ohne Verrechnung des Kindergelds) zahlen.
Ab dem vierten Kind sind weitere 12,50 Euro abzuziehen (jeweils bezogen auf die Tabellenbeträge).

5. Welche Auswirkung haben eine neue Ehe bzw. weitere Kinder des Unterhaltspflichtigen?
Für die Unterhaltspflicht kommt es nur darauf an, wie viel der Unterhaltspflichtige verdient. Sein neuer Partner kann so viel verdienen wie er/sie will, der Verdienst wird nicht mitgerechnet. Der unterhaltspflichtige Vater kann daher z.B. eine reiche Frau heiraten, ohne dass sich dadurch der Kindesunterhalt erhöht.
Sämtliche Kinder eines Unterhaltspflichtigen sind untereinander gleichberechtigt, egal ob aus erster Ehe, zweiter Ehe oder unehelich. Das bedeutet, dass der Unterhalt für Kinder aus erster Ehe nicht allein deshalb gekürzt werden kann, weil weitere Kinder aus einer neuen Beziehung vorhanden sind.
Minderjährige unverheiratete Kinder und volljährige im Haushalt eines Elternteils lebende Schüler bis 21 Jahre stehen dem Ehegatten gleich, § 1609 Absatz 2 BGB. Das gilt auch für den 2. Ehegatten. Der neue Ehegatte geht also den Kindern aus erster Ehe nicht vor. Der neue Ehegatte geht aber volljährigen Kindern vor, wenn es sich nicht um im Haushalt eines Elternteils lebende Schüler bis 21 Jahren handelt.
Allerdings führt die Geburt weiterer Kinder i.d.R. zu einer Verringerung des Kindesunterhalts für die “alten” Kinder, weil nunmehr niedrigere Sätze nach der Düsseldorfer Tabelle anzuwenden sind. Der Düsseldorfer Tabelle liegt der Fall zu Grunde, dass eine Unterhaltspflicht gegenüber drei Personen besteht (ein Ex-Ehegatte und zwei Kinder oder drei Kinder). Sind mehr als drei Unterhaltsberechtigte vorhanden, so ist der Unterhalt aus einer geringeren Einkommensgruppe zu entnehmen.

6. Was kann ich tun, wenn kein Unterhalt oder nur unregelmäßig gezahlt wird?
Das Jugendamt kann Sie beraten und unterstützen. Wenn Sie sich unsicher sind, wenn der Unterhaltspflichtige gar nicht oder unregelmäßig zahlt, ist es aber auch sinnvoll, sich an einen Anwalt zu wenden.

7. Tipp
Warten Sie nicht zu lange, bis Sie Beratung und Unterstützung in Anspruch nehmen. Unterhalt kann nämlich grundsätzlich nur für die Zukunft gefordert werden. Haben Sie also in der Vergangenheit zu wenig Unterhalt bekommen, aber nichts unternommen, kommt ihr Ehepartner billig davon: Er muss nichts nachzahlen!
Sie können den Unterhaltspflichtigen auffordern, bei dem zuständigen Jugendamt eine Urkunde errichten zu lassen. Das ist kostenlos! Eine Urkunde kann nur für Kindesunterhalt für Kinder bis 21 Jahre errichtet werden.
Wenn ihr Ehepartner nicht freiwillig zum Jugendamt geht, bleibt Ihnen nur der Weg zum Gericht. Sie müssen die Gerichts- und Anwaltskosten nicht selbst tragen, wenn sich Ihr Ehepartner in Verzug befindet. Sie sollten Ihren Ehepartner deshalb schriftlich (per Einschreiben/Rückschein) zur Erstellung einer Jugendamtsurkunde auffordern und ihm eine bestimmte Frist (2 – 3 Wochen) setzen. Dann können Sie auch einen Anwalt beauftragen, ohne dass Sie die Kosten tragen müssen.

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Rechtsanwalt
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