Aus Top agrar 03/2010
Viele Agrarbetriebe in Ostdeutschland konnten ihre Umsatzsteuer bisher nicht pauschalieren. Der Grund: Sie wurden wegen ihrer Rechtsform (Kapitalgesellschaft, z.B. GmbH) als gewerblich behandelt. Dies war falsch, wie der Bundesfinanzhof schon 2008 entschieden hat. top agrar berichtete ausführlich (und mit Berechnungsbeispielen) in Heft 12/2008, Seite 60.
Erst jetzt hat die Finanzverwaltung festgelegt, wann und wie die betroffenen Unternehmen zwischen den beiden Umsatzsteuer-Systemen (Pauschalierung/Regelbesteuerung) wählen können:
j 1. Für die Jahre ab 2010 gilt folgende Regelung: Sie können, wenn gewünscht, die bisherige Regelbesteuerung einfach fortsetzen. Das heißt, Sie geben wie bisher Umsatzsteuer-Voranmeldungen oder jährliche Umsatzsteuererklärungen ab.
Dies wird nicht als Option zur Regelbesteuerung gewertet. Sie verpflichten sich damit also nicht, für die nächsten 5 Jahre die Regelbesteuerung anzuwenden, wie es sonst der Fall ist, wenn Landwirte zur Regelbesteuerung übergehen.
Im Klartext: Sie können auch in Zukunft jederzeit entscheiden, doch noch zur Pauschalierung zu wechseln. Dies gilt so lange, wie die Umsatzsteuer für das betreffende Kalenderjahr noch nicht formell bestandskräftig geworden ist (1 Monat nach Abgabe der Umsatzsteuererklärung). Sie könnten also z.B. noch Anfang 2011 entscheiden, rückwirkend ab 2010 die Umsatzsteuer zu pauschalieren.
Diese flexible Wahlmöglichkeit besteht jedenfalls so lange, wie das derzeit gültige Umsatzsteuergesetz noch nicht geändert ist.
j 2. Die betroffenen Agrarbetriebe (Kapitalgesellschaften) können sich aber auch für zurückliegende Jahre auf das BFH-Urteil berufen und nachträglich die umsatzsteuerliche Pauschalierung beantragen. Betroffen sind in der Regel die Jahre ab 2005 bis 2009, für die die Umsatzsteuer-Festsetzungen meist noch nicht materiell bestandskräftig sind.
Wollen Sie für eines oder mehrere Jahre rückwirkend die Pauschalierung wählen, müssen Sie dies nach den Vorgaben der Finanzverwaltung bis spätestens 30.6.2010 beim Finanzamt beantragen.
Vorteilhaft ist dabei, dass Sie auch einzelne Jahre auswählen, also nicht alle noch änderbaren Vorjahre berichtigen müssen. Beispiel: Sie stellen fest, dass die Pauschalierung für Ihren Betrieb in den Jahren 2006 und 2007 günstiger gewesen wäre.
Für das Jahr 2006 und die Jahre ab 2008 wollen Sie jedoch die Regelbesteuerung beibehalten.
Das ist möglich. Vorsicht jedoch: In der Entscheidung, für das Jahr 2008 keinen Antrag zu stellen, sondern es bei der Regelbesteuerung zu belassen, sieht die Finanzverwaltung einen Optionsantrag für die nächsten 5 Jahre. Das heißt: Für die Jahre 2008 bis 2012 wäre das Unternehmen dann zwingend an die Regelbesteuerung gebunden. Erst danach könnte die Umsatzsteuer wieder pauschaliert werden.
Das Pauschalierungswahlrecht für zurückliegende Jahre hat also seine Tücken. Das zeigt auch folgendes Beispiel: Eine Agrar-GmbH würde gerne rückwirkend für die Jahre 2005 und 2007 die Umsatzsteuer pauschalieren, das Jahr 2006 also aussparen. Das ist nicht möglich. Mit der Entscheidung, für das Jahr 2006 die Regelbesteuerung beizubehalten, wäre die GmbH für 5 Jahre an die Regelbesteuerung gebunden, weil der Fiskus darin die Ausübung des Optionsrechts sieht.
Fazit: Prüfen Sie jetzt kurzfristig mit Ihrem Steuerberater, ob und für welche Jahre es interessant sein könnte, rückwirkend die Pauschalierung zu wählen. Die Antragsfrist für solche Fälle wurde von der Finanzverwaltung auf den 30.6.2010 festgelegt.
Steuerberater Dr. H.-P. Lange/Dr.H. Spils ad Wilken