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Fachbeitrag 13.02.2007

Österreich: Patientenverfügungen


In der medizinischen und rechtlichen Praxis werden häufig Patientenverfügungen errichtet. Obwohl das Recht des Patienten, seinen Willen zu bestimmten Behandlungen vorweg zu deklarieren, unbestritten ist, werfen solche Verfügungen im Detail doch zahlreiche Rechtsfragen auf. Es war beispielsweise bisher ungewiss, unter welchen Voraussetzungen diese Erklärungen des Patienten für den Arzt und andere Beteiligte verbindlich sind. Zudem war nicht geregelt, wie weit derartige Verfügungen gehen können und welche Formerfordernisse dabei eingehalten werden müssen. Auch können Patientenverfügungen, die vielfach die Behandlung im letzten Lebensstadium ansprechen, schwierige rechtliche und ethische Probleme hervorrufen. Diese und andere Umstände führten zu Unsicherheiten: Der Patient konnte sich nicht sicher sein, dass seine Erklärung auch wirklich beachtet werden wird. Der behandelnde Arzt hatte demgegenüber kein sicheres rechtliches Fundament, auf dem er seine medizinische Entscheidung treffen konnte.

Mit dem Bundesgesetz über Patientenverfügungen (Patientenverfügungs-Gesetz – PatVG), welches am in Kraft tritt, wird dieses Rechtsgebiet klarer und transparenter geregelt. Das PatVG berührt jedoch nicht die strafrechtlichen Verbote der Mitwirkung am Selbstmord und der Tötung auf Verlangen. Die so genannte „aktive Sterbehilfe“ bleibt weiterhin verboten. Ein in Form einer Patientenverfügung geäußerter Wunsch nach „aktiver Sterbehilfe“ ist auch künftig nicht beachtlich.

Nach dem geltenden Recht war es einem einsichts- und urteilsfähigen Patienten bereits bisher überlassen, in medizinische Maßnahmen einzuwilligen oder solche abzulehnen. Das Patientenrecht auf Selbstbestimmung verpflichtete den Arzt bereits bisher dazu, den Patienten vor einer Behandlung aufzuklären und seine „informierte Einwilligung“ einzuholen. Die Entscheidung des Patienten, mit der er eine Behandlung ablehnt, war und ist rechtlich verbindlich. Der Arzt muss diese Entscheidung befolgen, auch wenn er persönlich anderer Meinung ist. Dies gilt selbst dann, wenn eine Behandlung medizinisch indiziert ist und der Patient ohne diese voraussichtlich sterben würde. Die Patientenautonomie begrenzt damit generell die ärztliche Behandlungspflicht.

Nunmehr werden Formerfordernisse, Inhalt und Dauer einer verbindlichen Patientenverfügung gesetzlich geregelt. Zu unterscheiden sind grundsätzlich die „verbindliche Patientenverfügung“ und die „für die Ermittlung des Patientenwillens beachtliche Verfügung“.

1. Die verbindliche Patientenverfügung
Unter einer verbindlichen Patientenverfügung ist eine Willenserklärung zu verstehen, mit der eine einsichts-, urteils- und außerungsfähige Person im Voraus eine bestimmte medizinische Behandlung für den Fall ablehnt, dass sie nicht mehr einsichts-, urteils- oder äußerungsfähig ist. Der Verfasser dieser Verfügung sorgt damit für den Fall vor, dass er später – beispielsweise in Folge einer Erkrankung, eines Unfalls, einer körperlichen oder geistigen Schwäche oder einer Medikation – nicht mehr zu einer aktuellen Entscheidung oder Äußerung seines Willens fähig sein sollte. Wenn der Patient jedoch zum Zeitpunkt der medizinischen Behandlung noch eine autonome Entscheidung treffen und diese auch artikulieren kann, gilt seine aktuelle  Entscheidung. Sie geht einer in Form einer Patientenverfügung gekleideten Willenserklärung immer vor. Gegenstand einer Patientenverfügung kann nur die Ablehnung einer bestimmten medizinischen Behandlung sein; Maßnahmen im Bereich der Pflege unterliegen nicht dem Anwendungsbereich dieses Gesetzes. Deshalb kann der Patient nicht vorweg seine Grundversorgung mit Nahrung und Flüssigkeit, die Teil der Pflege ist, ausschließen. Auch kann er den Arzt in seiner Verfügung nicht dazu verhalten, eine bestimmte Behandlung vorzunehmen.

1.1 Konkrete Beschreibung der abgelehnten Behandlung
Die medizinische Maßnahme, die abgelehnt wird, muss in der Erklärung – um verbindlich zu sein – eindeutig umschrieben werden. Hiefür kann es freilich nicht auf eine detaillierte Aufzählung aller erdenkbaren Fälle, in denen bestimmte Maßnahmen unterbleiben sollen, ankommen. Es reicht aus, wenn aus dem Gesamtzusammenhang der Patientenverfügung hervorgeht, welche medizinischen Behandlungen abgelehnt werden. Allzu allgemeine Formulierungen, wie das Verbot eines „menschenunwürdigen Daseins“, der Wunsch nach der Unterlassung einer „risikoreichen Operation“, die Ablehnung einer „künstlichen Lebensverlängerung“ oder das Verlangen nach einem „natürlichen Sterben“, werden aber wieder zu unbestimmt sein und als Direktiven daher ausscheiden. Sie können nur für die Ermittlung des relevanten Patientenwillens eine wesentliche Hilfe sein (beachtliche Verfügung des Patienten).

1.2 Umfassende ärztliche Aufklärung
Eine weitere inhaltliche Voraussetzung einer gültigen Patientenverfügung ist, dass der Patient über das Wesen und die Folgen einer Patientenverfügung für die medizinische Behandlung (z.B. gesundheitliche Folgen bei Unterlassung der Behandlung, Behandlungsalternativen, usw.) ärztlich aufgeklärt worden ist. Auf die ärztliche Aufklärung kann der Patient bei Errichtung einer verbindlichen Patientenverfügung – anders als sonst – nicht verzichten. Damit ein Patient sein Recht auf Selbstbestimmung in Anspruch nehmen kann, muss er alle Informationen erhalten, die Grundlage seiner Entscheidung sind. Der aufklärende Arzt muss schließlich auch prüfen, ob der Patient die Rechtsfolgen der Patientenverfügung zutreffend einschätzt. Die Vornahme der eingehenden Aufklärung und das Vorliegen der Einsichts- und Urteilsfähigkeit müssen vom aufklärenden Arzt in der Verfügung selbst (falls der Arzt bei der Errichtung der Patientenverfügung anwesend ist) oder in einer gesonderten – später als Anhang der Patientenverfügung fungierenden – Urkunde dokumentiert werden. Er hat dabei auch darzulegen, dass und aus welchen Gründen der Patient die Folgen der Patientenverfügung zutreffend einschätzt. Wird die Patientenverfügung in Anwesenheit des Arztes errichtet, so erfüllt dieser durch die Aufnahme einer Kopie derselben (samt den ärztlichen Vermerken auf der Urkunde) an die Krankengeschichte gleichzeitig die ihm krankenanstalten- oder arztrechtlich vorgegebenen Dokumentationspflichten.

1.3 Formerfordernis
Um Unsicherheiten hintanzuhalten, statuiert das PatVG besondere Errichtungs- und Formvorschriften. Eine verbindliche Patientenverfügung muss schriftlich vor einem Rechtsanwalt, einem Notar oder einem rechtskundigen Patientenvertreter errichtet und eigenhändig unterfertigt werden. Der Patient muss über die Folgen der Patientenverfügung sowie die Möglichkeit ihres jederzeitigen Widerrufs belehrt werden. Der Rechtsanwalt muss den Patienten über das Wesen der verbindlichen Erklärung belehren und ihn vor allem darauf aufmerksam machen, dass seine Entscheidung vom Arzt in aller Regel befolgt werden muss, selbst dann nämlich, wenn die Behandlung medizinisch indiziert ist und der Patient ohne diese voraussichtlich sterben würde. Der Patient muss ferner auch darüber informiert werden, dass der behandelnde Arzt in solchen Situationen auch nicht Angehörige befassen oder das Verfahren zur Bestellung eines Sachwalters einleiten kann. Die Pflicht zur rechtlichen Aufklärung über die Auswirkungen einer verbindlichen Patientenverfügung wird schließlich auch durch eine Belehrung über die Alternativen zu einem solchen Schritt, etwa die Verfassung einer nicht verbindlichen (beachtlichen) Verfügung, enthalten müssen. Der Rechtsanwalt hat die Vornahme dieser Belehrung in der Patientenverfügung (also in der Urkunde selbst, aber auch in einem Anhang dazu) unter Angabe seines Namens und seiner Anschrift zu bestätigen. Die erforderliche Aufklärung durch den Arzt muss entweder vorher stattgefunden haben oder im Zuge der Errichtung der Patientenverfügung erfolgen.

1.4 Gültigkeitsdauer einer Patientenverfügung
Da die medizinische Wissenschaft sich ständig weiterentwickelt und die Haltung eines Patienten gegenüber einer von ihm zunächst abgelehnten medizinischen Maßnahme sich im Lauf der Zeit auch ändern kann, ist es zweckmäßig, die Wirksamkeitsdauer einer verbindlichen Patientenverfügung zeitlich zu begrenzen. Eine Patientenverfügung verliert daher nach Ablauf von 5 Jahren ab der Errichtung ihre Verbindlichkeit, sofern der Patient nicht eine kürzere Frist bestimmt hat.
Wenn der Patient danach an seiner Patientenverfügung weiterhin festhalten will, muss er sie nach einer erneuten ärztlichen Aufklärung unter Einhaltung der vorhin erwähnten Formerfordernisse nach Ablauf ihrer Gültigkeitsdauer (oder auch noch rechtszeitig vorher) erneuern.

2. Die beachtliche Patientenverfügung
Auch eine nicht verbindliche Patientenverfügung hat zu beachtet werden, nämlich als ein – wesentliches – Hilfsmittel für die Ermittlung des relevanten Patientenwillens. Je näher sie einer verbindlichen Patientenverfügung kommt, umso größere Bedeutung ist ihr beizumessen. Ein allenfalls bestellter Sachwalter hat jedenfalls bei der Beurteilung des Wohles des Patienten immer auch eine nicht verbindliche Patientenverfügung bei seiner Entscheidung ins Kalkül zu ziehen. In solchen Fällen muss aufgrund einer sorgfältigen Abwägung aller Umstände des Einzelfalls ermittelt werden, wie der Betroffene in der gegebenen Situation entscheiden würde, wenn er seinen Willen noch kund tun könnte. Dazu muss nach Anhaltspunkten gesucht werden, die seinen Willen erkennen lassen. Diese Anhaltspunkte müssen bewertet und gegeneinander abgewogen werden. Dazu gehören etwa die religiöse oder weltanschauliche Überzeugung, persönliche Wertvorstellungen des Patienten, aber auch frühere mündliche oder
schriftliche Äußerungen. Für solche Fälle kann die beachtliche (aber nicht verbindliche) Patinicht mehr ausreichend wäre, um die nun zu beurteilende medizinische Entscheidung abzudecken (clausula rebus sic stantibus).
Der Patient kann die von ihm getroffene Verfügung jederzeit – formfrei – widerrufen.

3. Notfälle
Maßnahmen der medizinischen Notfallversorgung sollen durch das PatVg nicht beeinträchtigt werden. Im Besonderen sollen solche Maßnahmen, deren Aufschub das Leben oder die Gesundheit des Patienten gefährden kann, nicht durch die Suche nach einer Patientenverfügung hinausgezögert werden. Das gilt auch für die im Anschluss an die unmittelbare Notversorgung folgenden Behandlungen in weiteren Versorgungseinrichtungen. Wenn aber in einer Notfallseinrichtung oder in einer anderen Versorgungseinrichtung eine Patientenverfügung in der Krankengeschichte dokumentiert ist, muss diese auch in Notfällen beachtet werden.

4. Ärztliche Dokumentation
Der aufklärende und der behandelnde Arzt haben vor ihnen errichtete und ihnen zugemittelte Patientenverfügung in die Krankengeschichte bzw die ärztliche Dokumentation aufzunehmen. Dies kann etwa durch die Anfertigung einer Kopie erfolgen.
In der ärztlichen Dokumentation ist nach den Vorgaben des § 51 ÄrzteG auch festzuhalten, aus welchen Gründen im Einzelfall der Arzt die notwendige Mitwirkung an einer Patientenverfügung ausschließt und deshalb die Patientenverfügung nicht zustande kommen kann. Ist für den Arzt die Einsichts- und Urteilsfähigkeit des Patienten gegeben, so muss dies auf der Urkunde nicht weiter dokumentiert werden. Findet sich auf der Patientenverfügung kein Hinweis auf die Einsichts- und Urteilsfähigkeit, so kann davon ausgegangen werden, dass dieseim Zeitpunkt der Errichtung gegeben war.

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Rechtsanwalt
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