Fachbeitrag 17.08.2009

Spielraum bei Abfindungsverhandlungen ist groß


Eine falsche Gesprächseröffnung kann schon mehrere 1000 Euro kosten

Gibt es für einen Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine Abfindung?

Dr. Breuer: Der Arbeitnehmer hat nur dann einen Anspruch auf Abfindung, wenn der Arbeitgeber wegen dringender betrieblicher Erfordernisse kündigt und zusätzlich gemäß § 1a Kündigungsschutzgesetz (KSchG) in dem Kündigungsschreiben darauf hinweist, dass der Arbeitnehmer, wenn er die dreiwöchige Klagefrist verstreichen lässt, eine Abfindung in Höhe von 0,5 Bruttomonatsverdiensten für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses beanspruchen kann.
Der Arbeitnehmer hat auch dann einen Anspruch auf eine Abfindung, wenn der Betriebsrat für den Fall von Entlassungen einen entsprechenden Sozialplan mit dem Arbeitgeber vereinbart hat. Möglich ist auch, dass ein ein Tarifvertrag eine Abfindung bestimmt.
In Ausnahmefällen kann im Kündigungsschutzprozess durch einen Auflösungsantrag das Arbeitsgericht eine Abfindung festsetzen.
In allen anderen Fällen, und das ist der häufigste Fall, ist die Abfindung reine Verhandlungssache.  Wichtig ist, dass innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage erhoben wurde, denn sonst gilt die Kündigung als wirksam. Wichtig ist, dass diese Abfindungen nicht von Gesetzes wegen, auf Sozialplanabfindungen angerechnet werden.

Welcher Betrag ist in der Praxis realistisch? Welche Faktoren werden bei der Höhe der Abfindung berücksichtigt?

Dr. Breuer: Grundsätzlich sind das Bruttogehalt, Alter und die Dauer des Arbeitsverhältnisses wesentliche Faktoren für die Anfindungshöhe. Wobei Bruttogehalt der Monatsverdienst ist, dem der Arbeitnehmer an Sach- und Geldbezügen zusteht. Sicher muss auch die wirtschaftliche Situation des Arbeitgebers berücksichtigt werden. Es ist jedoch eine Tatsache, dass die Höhe einer nicht durch Sozialplan oder Tarifvertrag gegebenen Abfindung vom Inhalt und Verlauf der Verhandlungen abhängt. Der falsche Gesprächs- und Verhandlungsbeginn kann die Abfindung schon um mehrere tausend Euro nach unten drücken. Wenn der Arbeitnehmer der Gegenseite zu erkennen gibt, er will eigentlich gar nicht mehr weiterarbeiten, ist er schon in der Defensive. Denn wer gibt jemanden Geld, der sowieso aufhören will?
Ziel kann es nur sein, die im Einzelfall optimale Abfindung zu verhandeln. Sicher spielt hier die Erfahrung des Anwalts auf dem Gebiet des Arbeitsrechts eine erhebliche Rolle.

Immer wieder ist in diesem Zusammenhang von der Faustformel 0,5 Bruttomonatsgehälter pro Dienstjahr (§1a Kündigungsschutzgesetz) die Rede. Was ist da dran?

Dr. Breuer: Diese Faustformel hat sich in den vergangenen Jahren als häufiges Verhandlungsergebnis erwiesen und fand mittlerweile Einzug in § 1a KSchG.

Wie ist die beste Taktik, um eine möglichst hohe Abfindung herauszuholen?

Dr. Breuer: Die beste Taktik gibt es nicht. Die Abfindung entspricht schließlich dem Betrag, den der Arbeitgeber, für den Verzicht des Arbeitnehmers auf seinen Arbeitsplatz, bereit ist zu zahlen. Die Höhe der Abfindung hängt also maßgeblich vom möglichen Erfolg der Kündigungsschutzklage, bzw. Wirksamkeit der Kündigung ab. Stellt sich im weiteren Verlauf des Kündigungsschutzprozesses die Unwirksamkeit der Kündigung heraus, wird der Arbeitgeber eine höhere Abfindung zahlen müssen, um sich aus dem Arbeitsverhältnis “freizukaufen”.

Gibt es einen Gestaltungsspielraum, um so viel wie möglich von der Abfindung vor der Steuer zu retten?

Dr. Breuer: Bei Abfindungen wegen Auflösungen des Arbeitsvertrages gibt es keine Steuerfreibeträge mehr. Abfindungen können als Entschädigung steuerbegünstigt sein, sog. Fünftelungsverfahren. Entschädigungen in diesem Sinne sind aber nur dann gegeben, wenn die Zahlung als Ersatz für entgangene oder noch entgehende Einnahmen gewährt werden. Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses muss zudem vom Arbeitgeber veranlasst sein. Die begünstigende steuerliche Regelung setzt zusätzlich eine Zusammenballung der Einkünfte in einem Kalenderjahr voraus, sodass Zahlungen, die sich über mehrere Kalenderjahre erstrecken, regelmäßig nicht begünstigt sind.

Ist eine Abfindung auch SV-pflichtig?

Dr. Breuer: Nein. Auf Abfindungen, die für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt werden, sind keine Pflichtbeiträge in der Sozialversicherung zu entrichten. Dagegen unterliegt eine lediglich als Abfindung bezeichnete Zahlung von offenen Lohnansprüchen in Verbindung mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Beitragspflicht in der Sozialversicherung. Dienen Abfindungen lediglich dem Ausgleich für Änderungen im Arbeitsverhältnis und besteht dieses fort, so handelt es sich ebenfalls um beitragspflichtiges Arbeitsentgelt.

In wie weit wird die Abfindung auf das Arbeitslosengeld angerechnet?

Dr. Breuer: Die Abfindung wird grundsätzlich nicht auf das Arbeitslosengeld angerechnet. Die Zahlung einer Abfindung führt nur dann zum vorübergehenden Ruhen des Anspruches auf Arbeitslosengeld, wenn die für den Arbeitgeber geltende ordentliche Kündigungsfrist nicht eingehalten wurde, um den Doppelbezug von Arbeitslohn und Arbeitslosengeld zu verhindern. Die Dauer des Arbeitslosengeldanspruches wird nicht gemindert. Es wird lediglich der Beginn der Leistung auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Wichtig ist, dass für den Ruhenszeitraum kein Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung besteht. Der Versicherungsschutz besteht nur noch begrenzt für einen Monat nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses.

17.08.2009

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Rechtsanwalt
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