Seit Mitternacht feuert Ihr Nachbar eine Silvesterrakete nach der anderen in den Neujahrshimmel. Schließlich driftet eine ab und verirrt sich in Ihr Wohn-, Gartenhaus, Scheune, Stall oder ein ähnliches Gebäude, das prompt in Brand gerät.
Haben Sie gegen Ihren Nachbarn einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch und können Sie von ihm verlangen, dass er zum nächsten Jahreswechsel die Raketen erst gar nicht von seinem Grundstück abschießen darf?
Mit Urteil vom 18. September 2009 (V ZR 75/08) entschied der Bundesgerichtshof einen Fall, in dem eine solche vom Nachbarn abgefeuerte Silvesterrakete sich in einen schmalen Spalt zwischen Außenwand und Dach der benachbarten Scheune verirrte, dort explodierte und einen Gebäudekomplex in Brand setzte. Der Bundesgerichtshof wies die Zahlungsklage ab, sofern sich der Zahlungsanspruch gegen den Feuerwerker auf den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 BGB stützte. Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch sei zwar gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen. Dazu können an sich auch Feuerwerkskörper gehören.
Damit der Anspruch zustande kommt, muss der raketenbegeisterte Nachbar außerdem Störer im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB sein. Das ist nicht immer der Fall. So befand der BGH im konkreten Fall, bei dem Nachbar habe es sich nicht um einen Störer gehandelt. Er habe die Raketen in zwölf Meter Entfernung von der Scheune abgefeuert, deren Außenverkleidung aus unbrennbaren Materialien bestanden habe. Somit habe er mit seinem Feuerwerk noch keine konkrete Brandgefahr geschaffen. Erst in dem Moment des Eindringens der Rakete durch den Scheunenspalt, sei diese konkrete Gefährdung entstanden.
Das Zünden von Feuerwerksraketen am Neujahrstag sei ein gesellschaftlicher Brauch, der nicht in dem für die Entstehung des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs erforderlichen sachlichen Zusammenhang zum Nachbargrundstück stehe.
Also kann ein durch Feuerwerk geschädigter Grundstückseigentümer nicht generell und vorsorglich vom Nachbarn verlangen, kein Feuerwerk zum Neujahr abzubrennen, selbst wenn eine mögliche Beeinträchtigung seiner Gebäude damit verbunden sein könnte. Der Unterlassungsanspruch entsteht erst in dem Moment der Konkretisierung der Gefahr und dann ist es zu spät, um ihn noch geltend zu machen.
Seinen Zahlungsanspruch kann der geschädigte Nachbar demnach nicht ohne weiteres auf § 906 Abs. 2 BGB stützen. Er muss auf seine Versicherung bauen, die im BGH-Fall als Sachversicherer den Schaden ersetzt hatte.
Ausgeschlossen ist es dennoch nicht, dass der Nachbar für den Schaden aufkommen muss, denn der Bundesgerichtshof hält einen Anspruch aus unerlaubter Handlung nicht für gänzlich ausgeschlossen. Dann müsste der Nachbar beispielsweise durch Verletzung seiner Verkehrssicherungspflicht im Zusammenhang mit der Handhabung der Raketen schuldhaft gehandelt haben. Im konkreten Fall wird über diese Frage nun das Oberlandesgericht entscheiden.
Das vorinstanzliche Oberlandesgericht hatte in seinem Urteil darauf hingewiesen, auf die Feuerwerkstradition zum neuen Jahr müsse sich ein Gebäudeeigentümer – in vernünftigen Grenzen – zum Selbstschutz einrichten. So sei zum Beispiel vom Besitzer eines Gebäudes zu erwarten, dass er in der Silvesternacht und am Abend des 1.1. Fenster und Türen seiner Gebäude schließe, um Vorsorge vor dem Eindringen von Feuerwerkskörpern zu treffen.