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Fachbeitrag 28.04.2015

Schutzfähigkeit von Formen für das französische Markenrecht


Formen sind vom französischen Markenrecht her schutzfähig. Dem Artikel L 711-1 der französischen Regelung zum geistiges Eigentums nach können somit “Formen, insbesondere die einer Ware oder ihrer Verpackung oder jene die eine Dienstleistung verkörpern, als gültiges Zeichen gelten“.

Eine Markenanmeldung welche sich auf eine Form bezieht wird vom französischen Patent und Markenamt (INPI) erstweilen überprüft. Zu allererst achtet es darauf, dass die Marke nicht irreführend ist, nicht gegen die öffentliche Ordnung und den guten Sitten verstößt.

Danach wird das INPI sicherstellen dass diese Form bestimmte spezifische Bedingungen einhält.

In der Tat kann der Schutz einer Form durch das Markenrecht mit anderen Schutzarten kumulieren und zwar dadurch dass eine Form gleichzeitig als Marke, Geschmacksmuster, Urheberrecht oder Patent geschützt werden kann. Es darf natürlich nicht so sein dass der Markenschutz zum Mittel der Umgehung der anderen Gesetzgebungen wird. Die Marke besitzt eine spezifische Funktion: sie muss dem Verbraucher die Sicherheit der Herkunft der Waren und der Dienstleistungen gewährleisten und ihm dabei gestatten, sie von jenen anderer Herkunft zu unterscheiden.

Um es zu verhindern, dass sich rein funktionelle oder ästhetische Formen, die nur einen zeitlich begrenzten Schutz genießen dürfen (durch Patent- oder Geschmacksmusterrecht), in das Markenrecht einschleichen, nennt das Gesetz drei spezifische Gründe für Nichteintragungsfähigkeit: “es fehlt solchen Zeichen die nötige Unterscheidungskraft die aus Formen bestehen die von der Natur her auferlegt wurden, oder die von der Funktion des Produktes hergeleitet werden, oder ihm seinen substanziellen Wert geben“[1]. Dies bedeutet dass einer Form, die ausschließlich natürlich, funktional oder ornamental geprägt ist, die Eintragung verweigert wird.

Die Schwierigkeiten entstehen natürlich sobald das Zeichen die Ware “selbst ist”. Das Adverb “ausschließlich” erhält hier seine volle Bedeutung da es nicht darum geht, systematisch alle Formen auszuschließen die ein wenig funktional sind oder attraktiv aussehen. Es muss schon ein Gleichgewicht zwischen der Grundvoraussetzung zur Verfügbarkeit, welche weiterhin erhalten bleiben soll, und den vom Gesetzgeber eingeräumten Möglichkeiten gefunden werden, für die Eintragung von Marken dessen Form jener der Ware entspricht.

In der Praxis ist die Bewertung dieser Kriterien komplex und nicht immer leicht einzuschätzen.

1)   Einschätzung der spezifischen Kriterien

→  die ausschließlich natürliche Form: es sind die Formen die von der Natur der Ware auferlegt werden.

Es stellte sich somit die Frage zu wissen ob die berühmten Havaianas Flip-Flops als Marke geschützt werden konnten. In erster Instanz war das Pariser Bezirksgericht der Meinung, es handle sich bei dem Zeichen um “eine Flip-Flop Sandale in ihrer banalsten Form” und dass ihm somit die Eintragung verweigert werden sollte, da Zeichen, welche den von der Natur der Ware aus auferlegten Formen entsprechen, nicht eintragungsfähig sind.[2].

Das Pariser Berufungsgericht hat dieses Urteil aufgehoben. Es hat am 12. Dezember 2014 geurteilt, dass die dreidimensionale Gemeinschaftsmarke Nr. 9039892, welche in der Warenklasse 25 für “Schuhe; Sandalen” angemeldet worden war, ihre Gültigkeit besaß, mit dem Motiv “dass die Marke eine Reihe von Elementen aufweist, deren Kombinierung ungewöhnlich ist und sie somit erheblich von ähnlichen, auf dem Markt existierenden Formen unterscheidet; demnach erfüllt dieses Zeichen eine Identifizierungsfunktion für die betroffenen Waren“[3].

Desgleichen war das Pariser Bezirksgericht der Meinung dass die dreidimensionale Internationale  

Marke Nr. 1002313 Gültigkeit besaß mit dem Motiv dass “die Marke aus einem Gefäß besteht auf dem Figurenelemente in einer bestimmten Ordnung aufgeführt sind, die nicht von der Natur der Ware auferlegt werden und das Ergebnis von einer eigenartigen Kombination sind, die sich optisch auf einem und demselben Punkt vereint“[4].

→  die ausschließlich funktionale Form : es handelt sich von Formen bei denen sämtliche wesentliche Elemente einer technischen Lösung unterliegen.

Der Europäische Gerichtshof hat in Sachen Lego[5] dargelegt dass “das Vorhandensein eines oder einiger beliebigen willkürlichen kleineren Elemente in einem dreidimensionalen Zeichen, bei denen alle wesentlichen Elemente einer technischen Lösung unterliegen, unwesentlich für die Schlussfolgerung ist, dass das Zeichen ausschließlich aus der Form der Ware besteht, die für den Erhalt der technischen Lösung notwendig ist“. Das Ziel ist hier zu “verhindern dass das Markenrecht dazu benutzt wird, einem Unternehmen das Monopol für technische Lösungen oder charakteristische Funktionsweisen einer Ware zu verschaffen”.

Die Untersagung zur Eintragung solcher Zeichen dient dazu, das Markenrecht nicht dafür zu benutzen um auf unbeschränkte Zeit hinaus exklusive Rechte für technische Lösungen zu erhalten. Letztere müssen “demnach unbeschränkt von der Gesamtheit der Wirtschaftsbeteiligten benutzt werden können”.

Der Europäische Gerichtshof hat ebenfalls bezüglich der drei Rotationsköpfe des Rasierapparates Philips dargelegt, dass es unnötig sei zu suchen ob es andere Formen auf dem Markt gäbe die zum gleichen Ergebnis führen da die Funktionsweise einer Form vom Blickpunkt des technischen Ergebnisses des Produkts aus bestimmt werden muss (s. Rechtssache Philips)[6]. Somit gilt die Theorie der Vielfalt der Formen, nach der eine Marke dann gültig ist wenn es noch andere technische Mittel für die gleichen Ergebnisse gibt, als unzulässig.

Die Gerichte, die die französische Rechtsprechung anwenden, scheinen da flexibler zu sein als die Instanzen der Europäischen Union.

Somit war das Pariser Bezirksgericht der Meinung dass die dreidimensionale Gemeinschaftsmarke Nr. 8717688, welche in Warenklasse 18 für Lederwaren, Koffer, Reisekoffer angemeldet worden war und welche aus zwei Darstellungen eines knotenförmigen Verschluss in der Form eines Knotens besteht, ihre Gültigkeit hat. In der Tat, obwohl der knotenförmige Verschluss einen funktionellen Charakter besitzt, das heißt die Tasche zu öffnen und zu schließen, ist es nicht seine spezifische Form die dies ermöglicht. Die Marke erhält somit genügend Unterscheidungskraft um dem maßgeblichen Verkehrskreis eine Garantie über die Ursprungsidentität der Waren zu gewährleisten.[7]

Ebenso hat das Pariser Berufungsgericht am 13. Dezember 2013 geurteilt dass die dreidimensionale internationale Registrierung Nr. 804396, welche in der Warenklasse 30 für “Schokoladeriegel” angemeldet worden war, als Marke ihre Gültigkeit hat.

Wenn man die am französischen Markt angebotenen Schokoladenriegel betrachtet, erkennt man dass die von der Société des Produits Nestlé angemeldete Form weder von der Natur noch von der Funktion der Ware auferlegt wurde, sondern dass sie das Ergebnis einer willkürlichen Wahl ist. Auch in der Tatsache dass beide Riegel der Länge nach durch eine dünnere Schicht miteinander verbunden sind, was das Entzweien der Riegel erleichtert, kann man die Beschaffenheit der angemeldete Form nicht ausschließlich als funktional betrachten, da es durchaus andere Möglichkeiten gibt, einen Riegel durchbrechbar zu gestalten[8].

→  die Form die dem Produkt seinen wesentlichen Wert gibt: es sind die Formen die gänzlich oder teilweise den wirtschaftlichen Wert der Ware bestimmen.

Hier stellt sich die Frage: hätte der Verbraucher das Produkt gewählt wenn es eine andere Form gehabt hätte? Ist die Antwort positiv, dann spielt die Form eine zweitrangige Rolle und dient nur dazu, ein Produkt von einem anderen zu unterscheiden: sie spielt dann die traditionelle Rolle einer Marke und ihr muss demnach voller Markenschutz gewährt werden. Ist die Antwort negativ, dann spielt die Form eine ausschlaggebende Rolle: sie wurde für sich selbst ausgesucht. Sie kann somit lediglich das Urheberrecht oder das Geschmacksmusterrecht beanspruchen, da es nicht der Zweck einer Marke ist, den ästhetischen Aspekt einer Form zu schützen, sondern der, dem maßgebenden Verkehrskreis zu ermöglichen die Ursprungsidentität eines Produkts zu erkennen.

Natürlich hängt die Form von den Waren ab und wird deshalb nicht gleichermaßen einschlägig sein. Es gibt Waren bei denen die Form nicht determinierend ist. Das trifft zum Beispiel im Lebensmittelbereich zu, wo es selten ist dass die Warenform zum Kauf anregt. Nehmen wir das Beispiel von Schokoladenkonfekte in der Form von gedrehten Zweigen.

Die Richter haben anerkannt dass ihr Wert nicht aus ihrem Aussehen besteht, sondern aus ihrer geschmacklichen Qualität, ihrer Konsistenz und, generell gesehen, sind es ihre intrinsischen Qualitäten, die vom Schokoladenverbraucher ersucht werden und nicht ihre förmliche Darstellung[9].

Die Marke wurde somit als gültig anerkannt.

Im Bereich des Uhrenbaus erwog das Pariser Bezirksgericht am 16. November 2007, die Gültigkeit folgender internationaler Registrierungen:

Nr. 594072 und Nr. 729271

und zwar mit dem Motiv dass der Verbraucher beim Kauf einer Uhr zwangsläufig seine Aufmerksamkeit nicht nur auf deren bildlichen Aspekt lenkt, sondern auch auf den der Werkstoffe die zu ihrer Fertigstellung verwendet wurden, den des Know-hows des betreffenden Uhrmachers und, vor allem, den der Fähigkeit der Ware ihre Hauptfunktion zu erfüllen, nämlich die Zeit anzugeben”.

2)   Formen die eine Dienstleistung verkörpern

Das französische Recht gestattet den Schutz von Formen die eine Dienstleistung verkörpern. Die Marke spielt in der Tat bei Dienstleistungen dieselbe Rolle wie bei Waren: sie ermöglicht es einem Dienstanbieter die Dienste die er erbringt von denen seiner Konkurrenten zu unterscheiden und ermöglicht damit dem Verkehrskreis sie zu erkennen.

Der immaterielle Charakter der Dienstleistungen macht es, dadurch dass er nicht auf einem materiellen Objekt beruht, jedoch schwer ihn mittels einer Marke zu identifizieren. In diesem Fall optieren die Händler oft für die interne oder externe Darstellung einer Verkaufsstelle, in welcher diese Dienste angeboten werden. Die Gestaltung des Standorts, des Mobiliars, der Lage und Präsentation der Waren, des Materials, der Farbpalette, der Beleuchtung…. sind allesamt Elemente die deutlich die Verkaufsstelle eines Händlers von der seiner Konkurrenten abheben.

Der Europäische Gerichtshof, der in Sachen “apple store” (die Aushängeschilder-Läden des Firma, APPLE Inc.) angerufen worden war, erinnert daran dass die Darstellung einer Verkaufsstelle als Marke eingetragen werden kann “sobald dessen optische Gestaltung bedeutend von jener abweicht, die den Normen oder den Gepflogenheiten des spezifischen wirtschaftlichen Sektors entsprechen” und dies “ebenfalls dann wenn weder Größe noch Proportionen angegeben werden[10]. Eine solche Eintragung untersteht der Bedingung dass die Marke sich dazu eignet, die Dienstleistungen ihres Inhabers von denen der anderen Firmen zu unterscheiden, was eine bestimmte Spezifizität in der Einrichtung der Verkaufsstelle mit sich bringt. Es wäre deshalb sehr interessant zu wissen welche Entscheidung das Deutsche Patent- und Markenamt, das den Europäischen Gerichtshof angerufen hatte, treffen wird.

3)   Nichtbeachtung der Benutzung und des Bekanntheitsgrades für die Zeichen die aussschließlich aus natürlichen, funktionalen oder ornamentalen Formen bestehen

Gemäß Artikel L 711-2 der französischen Regelung zum Geistigen Eigentum “kann die Unterscheidungskraft einer Marke durch deren Benutzung erworben werden, mit der Ausnahme von Zeichen die ausschließlich aus einer Form bestehen“.

Für solche Marken kann keine Schutz beantragt werden und dies unabhängig vom Gebrauch der daraus gemacht werden könnte. Ihnen bleibt ausnahmslos jeglicher Schutz versagt. Es handelt sich hier darum, unter allen Umständen jenen Marken ein Anrecht auf Eintragung zu verwehren, die von Natur aus dem Patentrecht, dem Urheberrecht oder dem Geschmacksmusterrecht unterstehen.

Dasselbe gilt für den Bekanntheitsgrad. Ein Zeichen kann noch so ausgeprägt und wohlbekannt sein, ohne dass es ein Anrecht auf Schutz erhält wenn seine Unterscheidungskraft und Bekanntheit sich nur auf seine Ästhetik stützt.

4)   Schlußfolgerung

Sicher ist, dass es im Markenrecht viel schwieriger ist eine Form zu schützen als ein klassisches Zeichen. All diese Beispiele zeigen wie schwer man dabei eine klare Richtlinie schaffen kann, da die Einschätzung der Kriterien meist subjektiv ist und manchmal falsch eingesetzt wird.

Die Entscheidungspraxis des Französischen Patent- und Markenamts (INPI) scheint dem Anmelder viel vorteilhafter zu bleiben als jene des Harmonisierungsamtes des Binnenmarkts. Es ist nachweisbar dass die Wahrnehmung der maßgebenden Verkehrskreise in Frankreich und Europa nicht unbedingt dieselbe ist. Und zwar sind der Gemeinschaftsrechtsprechung nach “die Verbraucher es nicht gewohnt, in der Abwesenheit eines jeglichem Grafik- oder Textelements, den Ursprung der Waren von ihrer Form oder Verpackung herzuleiten und es könnte sich deshalb als viel schwieriger erweisen die Unterscheidungskraft einer dreidimensionalen Marke im Gegensatz zu einer Wortmarke nachzuweisen”[11]. Je mehr sich eine Form derjenigen nähert die das Produkt vermutlich erhalten wird, desto wahrscheinlicher ist es dann dass ihr die Unterscheidungskraft fehlt. Und, e contrario, besitzt nur eine Form, die sich erheblich von der Norm oder den Gepflogenheiten des Sektors abhebt, die nötige Unterscheidungskraft.

2009 wurde so dem Schokoladenkonfekt Bounty die Eintragung als Gemeinschaftsmarke versagt, obwohl sie aus einer rechteckigen Form besteht, mit abgerundeten Enden und drei Pfeilen oder Balken auf der Oberfläche. Es steht nicht fest ob diese Merkmale eine Eintragung in Frankreich verhindert hätten, wo doch der Schokoladenriegel Kit Kat 2013 vor dem Berufungsgericht angenommen wurde[12].


[1]  Artikel L 711-2 c) des Gesetzbuchs für Geistiges Eigentum

[2] Bezirksgericht Paris, 3.. Kammer 1. Abteilung, 13. Februar 2014

[3] Berufungsgericht Paris, Standort 5, 2. Kammer, 12. Dezember 2014

[4] Bezirksgericht Paris, 3. Kammer, 4. Abteilung, 6. November 2014

[5] Europäischer Gerichtshof, Große Kammer, 14 September 2010

[6] Europäischer Gerichtshof, 18. Juni 2002, Rechtssache C-299/99

[7] Pariser Bezirksgericht, 3.. Kammer 2. Abteilung, 18. Januar 2013

[8] Pariser Berufungsgericht, Standort 5, 2. Kammer, 13. Dezember 2013

[9] Pariser Berufungsgericht 30. Januar 2009, PIBD 2009 Nr. 896, III, S. 1053

[10] Europäischer Gerichtshof, 3. Kammer, 10. Juli 2014, Rechtssache C-421/13 Apple Inc. ./. Deutsches Patent- und Markenamt

[11] Europäischer Gerichtshof 1. Instanz 8. Juli 2009, Rechtssache T-28/08

[12] Pariser Berufungsgericht, Standort 5, 2. Kammer, 13. Dezember 2013

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Rechtsanwalt
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