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Fachbeitrag 11.06.2012

Scherz unter Kollegen – keine Kündigung trotz Körperverletzung!


Das Arbeitsgericht Marburg hat entschieden, dass ein Scherz unter Kollegen den Arbeitgeber selbst dann nicht zur Kündigung berechtigt, wenn das Opfer erhebliche Verletzungen davonträgt.

 

Zum Fall

Ein gewerblicher Arbeitnehmer wollte sich mit einem Kollegen einen Scherz erlauben und brachte an dessen Wasserflasche zwischen Flaschenhals und Deckel Sekundenkleber an. Dabei bedachte er jedoch nicht, dass Sekundenkleber erst an der Luft austrocknet- in diesem Fall an Lippe und Zunge des Kollegen. Da der Flaschenhals sich von dort nicht mehr lösen ließ, musste der Kollege ärztlich behandelt werden und verbrachte mehrere Tage im Krankenhaus. Zwar gelang es dort, die Wasserflasche wieder von Lippe und Zunge zu trennen, das Opfer hatte jedoch über mehrere Wochen erhebliche Schmerzen und blieb arbeitsunfähig.

Der Arbeitgeber nahm diesen Scherz unter Kollegen angesichts der schlimmen Folgen zum Anlass, gegenüber dem „Täter“ eine fristlose Kündigung auszusprechen. Dabei stützte er sich maßgeblich darauf, dass dem Arbeitnehmer eine fahrlässige Körperverletzung gemäß § 229 StGB vorzuwerfen sei. Zudem habe er dem Arbeitgeber erheblichen Schaden zugefügt. Denn dieser musste aufgrund der Verletzung für mehrere Wochen Lohnfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz leisten. Der Arbeitnehmer erhob gegen die Kündigung Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Marburg und beantragte festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung nicht beendet worden sei.

 

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts

Das Arbeitsgericht Marburg gab der Kündigungsschutzklage unter dem Aktenzeichen 2 Ca 205/11 statt und erklärte die fristlose Kündigung für unwirksam. Dabei stützte es sich maßgeblich darauf, dass der Arbeitnehmer nicht vorsätzlich gehandelt habe. Er habe lediglich die Flasche verschließen bzw. verkleben wollen. Eine körperliche Schädigung seines Kollegen habe er zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt. Das Gericht hielt ihm daher zugute, dass hier lediglich ein sehr unglücklicher Verlauf eines spaßig gemeinten Scherzes vorgelegen habe.

 

 Einzelfallentscheidung

Es handelt sich in jedem Fall um eine Einzelfallentscheidung. Das Bundesarbeitsgericht geht nämlich in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Arbeitnehmer, die eine Straftat zulasten des Arbeitgebers oder eines Kollegen begehen, in der Regel außerordentlich (fristlos) gekündigt werden dürfen. Ein derartiges rechtswidriges, schädigendes Verhalten muss der Arbeitgeber in der Regel nicht hinnehmen. Dies gilt insbesondere dann, wenn mit der Straftat auch eine erhebliche finanzielle Schädigung einhergeht, wie im vorliegenden Fall durch die Lohnfortzahlung. Hier machte der betroffene Arbeitnehmer durch seinen Anwalt allerdings mit Erfolg geltend, dass es sich lediglich um ein Versehen bzw. eine von ihm nicht beabsichtigte Folge gehandelt habe. Insofern konnte der Arbeitgeber die Kündigung hier nur auf die Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers stützen. D. h., er konnte geltend machen, dass der Arbeitnehmer zwar die Schädigung des Kollegen nicht vorausgesehen hatte, jedoch hätte voraussehen müssen. Unter Umständen hätte das Gericht hier bei Ausübung seines Ermessenspielraumes dazu kommen können, dass die Kündigung zwar nicht als fristlose, wohl aber als fristgemäße (ordentliche) Kündigung Wirksamkeit erlangte.

 

Folgen für den Arbeitnehmer

Insofern kam der gekündigte Arbeitnehmer hier letztlich noch glimpflich davon.

Gleichwohl hatte der Rechtsstreit für ihn unter drei Gesichtspunkten erhebliche Folgen:

Erstens dürfte die mit dem misslungenen Scherz verbundene fristlose Kündigung seines Arbeitsverhältnisses ihn erheblich psychisch belastet haben.

Zweitens verurteilte das Arbeitsgericht Marburg den Arbeitnehmer dazu, seinem Arbeitgeber den entstandenen Schaden zu ersetzen. Er musste an den Arbeitgeber fast 1.000,00 € Lohnfortzahlung, die dieser an den verletzten Kollegen geleistet hatte, zahlen. Für einen gewerblichen Arbeitnehmer keine unerhebliche Summe.

Drittens ist zu berücksichtigen, dass dem Arbeitnehmer erhebliche Rechtsanwaltskosten entstanden sind. Auch wenn das Arbeitsgericht Marburg hier seiner Klage im vollen Umfang stattgab, musste er seine Rechtsanwaltskosten selbst tragen. Denn gemäß § 12a Arbeitsgerichtsgesetz tragen die Parteien in erster Instanz die Rechtsanwaltskosten stets selbst. Ob der Arbeitnehmer eine Rechtsschutzversicherung hatte, welche diese Kosten übernahm, ist nicht bekannt.

 

RA Pascal Croset, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Berlin www.ra-croset.de

 

Pascal Croset ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht mit Kanzleisitz in Berlin. Er ist ideologisch nicht festgelegt und vertritt daher Arbeitgeber (kleine, mittelständische und große Unternehmen mit bis zu 1.500 Mitarbeitern) und Arbeitnehmer (Angestellte aller Einkommensklassen, Führungskräfte, leitende Angestellte und Geschäftsführer) – deutschlandweit.

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