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Fachbeitrag 19.01.2011

Sachgrundbefristung; vorübergehender betrieblicher Bedarf


Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsvertrages.

Die Klägerin trat ab 25.11.2005 in die Dienste der Beklagten. Zwischen den Parteien wurde zunächst am 24.11.2005 ein befristeter Arbeitsvertrag geschlossen. Es wurden am 23.05.2006, 11.12.2006, 22.06.2007 und am 13.06.2008 weitere Verträge geschlossen und jeweils innerhalb der jeweiligen Befristung, zuletzt bis zum 30.06.2009 verlängert. Die Beklagte gab in den Verträgen zunächst eine Befristung nach § 14 Abs.1 Nr. 1 TzBfG vor. Zugleich und in den nachfolgenden Verträgen gab sie indessen wiederholt als „Grund der Befristung“ an, dass „der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend (besteht)“. Nachdem die Beklagte eine weitere Beschäftigung der Klägerin über den 30.06.2009 hinaus ablehnte, erhob die Klägerin am 21.07.2009 Entfristungsklage bei Gericht.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Befristungen des Arbeitsverhältnisses seien von Anfang an sachgrundlos erfolgt. Da die Befristung sowohl den gesetzlich vorgegebenen Zeitrahmen als auch die Anzahl der Verlängerungsmöglichkeiten überschritten habe, ende ihr Arbeitsverhältnis nicht durch Fristablauf.

Die Beklagte ist der Auffassung, lediglich der letzte befristete Vertrag mit der Klägerin sei einer Überprüfung durch das Gericht zugänglich. Dieser sei von dem sachlichen Grund der in „besonderem Umfang geforderten Qualitätsrichtlinien und –maßnahmen“ im Zusammenhang mit dem von ihren Kunden geforderten Aufbau eines Lagerbestandes gerechtfertigt.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die zulässige Klage ist begründet.

1) Die Befristungsabreden sind nicht rechtswirksam:

a) Die Vertragsbeziehung der Parteien begann am 25.11.2005. Eine sachgrundlose Befristung war daher lediglich bis 24.11.2007 gemäß § 14 Abs. 2 TzBfG rechtlich zulässig.

b) Die Beklagte hat von Anfang an eine sachliche Befristung des Beschäftigungsverhältnisses aus dem Grund eines „nur vorübergehenden Bedarfs“ an der Arbeitsleistung festgeschrieben, dies zwar mit „Reklamation Gleitschuhe“ (Arbeitsvertrag vom 25.11.2005 und 23.05.2006), mit „Sichtkontrollen“ (Arbeitsvertrag vom 11.12.2006) und schließlich mit in „in besonderem Umfang geforderten Qualitätsrichtlinien und –maßnahmen“ (Verträge vom 22.06.2007 und 13.06.2008) beschrieben.
Jedoch kann hierin von Anfang an kein sachlicher Grund im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr.1 TzBfG gesehen werden. Ein „nur vorübergehender Bedarf“ mag an der zeitlichen Grenze des § 14 Abs. 2 TzBfG gemessen werden. Wenn das Gesetz sachgrundlose Befristungen bis zur Dauer von höchstens 2 Jahren zulässt, muss an den in § 14 Abs.1 Nr.1  TzBfG normierten Sachgrund „nur vorübergehender Bedarf“ ein strenger Maßstab angelegt werden.
Die Klägerin, die in der Endkontrolle eingesetzt war, hatte in der Spritzgussfertigung hergestellte Produkte wie z.B. Gleitschuhe visuell und auf andere Weise zu überprüfen. Sie hatte dabei eine Arbeitsleistung zu erbringen, die sich vom ersten bis zum letzten Arbeitstag nicht verändert hatte. An dieser Arbeit bestand demnach von Anfang an mindestens bis November 2008 ein unveränderter und nicht nur vorübergehender Bedarf.

c) Selbst wenn man allein die letzte Befristungsabrede der Parteien vom 13.06.2008 betrachtet, ergibt sich nichts anderes, zumal die prognostizierte Berechnung des Arbeitsbedarfs als befristeten Bedarf aus Anlass des Aufbaus eines Lagerbestandes nicht in nachvollziehbarer Weise von der Beklagten dargetan wurde.

2) Der „nur vorübergehende Bedarf“ an der Arbeitskraft eines Arbeitnehmers ist jeder Befristungsabrede immanent. Um einen sachlichen Grund im Sinne von § 14 Abs.1 Nr.1 TzBfG darstellen zu können, bedarf es mehr als nur der Wiederholung des Gesetzeswortlauts. Die Beschreibung mit Qualitätskontrolle, visueller Kontrolle, Reklamation Gleitschuhe kann einer gebotenen Überprüfung nicht standhalten. Weshalb die Reklamation Gleitschuhe mindestens zweimal eine befristete Beschäftigung der Klägerin rechtfertigte, ist nicht ersichtlich. Dass der Aufbau eines Lagerbestandes eine sachliche Befristung bis zum 30.06.2009 sachlich rechtfertigen soll, ist dabei nicht nachzuvollziehen.

3) Die Befristungsabreden der Parteien sind daher nicht aus sachlichem Grund getragen. Sie übersteigen den 2-Jahres-Rahmen einer sachgrundlosen Befristung und auch die zugelassene Zahl der Verlängerungsvereinbarungen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endet daher nicht durch die zuletzt vereinbarte Befristung zum 30.06.2009. Die auf diese Feststellung gerichtete Klage ist begründet.

 

Arbeitsgericht Stuttgart, Urteil vom 25.02.2010, Az. 17 Ca 7572/09

Eingereicht von Rechtsanwalt Jürgen Schmitt, Friedrichstrasse 5,
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