Fachbeitrag 27.06.2011

Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst – Arbeitszeit?


Die Rufbereitschaft und der Bereitschaftsdienst sind in vielen Branchen üblich; z.B. in den Pflegeberufen. Es besteht erfahrungsgemäß im Umgang und in der Anwendung dieser Begriffe eine weitgehende Unsicherheit.

Die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers bemisst sich vom Beginn der Arbeit bis zu ihrem Ende ohne die Ruhepausen. Ist ein Arbeitnehmer bei mehreren Arbeitgebern beschäftigt, sind diese Arbeitszeiten zusammenzurechnen. Die Dauer der zu leistenden Arbeitszeit ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag, z.B. 6 Stunden täglich in einer 5-Tage-(Arbeits-)Woche. Die maximale zulässige Arbeitszeit ergibt sich entweder aus den für das jeweilige Unternehmen geltenden Tarifvertrag oder aus dem Arbeitszeitgesetz bzw. aus dem Jugendarbeitsschutzgesetz.

Der Bereitschaftsdienst ist dadurch gekennzeichnet, dass der Arbeitgeber den Aufenthaltsort des Arbeitnehmers bestimmt und ihn zu jeder Zeit einsetzen kann. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stellen auch die sogenannten inaktiven Zeiten des Bereitschaftsdienstes keine Pausen dar. Typischerweise stellt sich der Bereitschaftsdienst bei den Pflegeberufen so dar, dass sich der Arbeitnehmer (Pflegefachkraft) beispielsweise in einem vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Zimmer oder in einen bestimmten Gebäude aufhalten muss, um im Bedarfsfall Arbeit leisten zu können. Die Konsequenz davon ist, dass der Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit zu werten ist. Allerdings ist dies nicht gleichbedeutend damit, dass die Dauer des Bereitschaftsdienstes in der gleichen Höhe wie die Vollarbeit zu vergüten ist. Regelungen dazu finden sich entweder im geltenden Tarifvertrag oder bereits im Arbeitsvertrag. Üblich sind dabei Vergütungsabstufungen in Prozent, die von 15 % bis zu 55 % der Vergütung reichen und als Maßstab den Arbeitsanfall während des Bereitschaftsdienstes heranziehen.

Die Rufbereitschaft allein gilt dagegen nicht als Arbeitszeit. Grund dafür ist, dass sich der Arbeitnehmer zu Hause aufhalten kann oder sogar an einem von ihm frei gewählten Ort. Dem Arbeitnehmer obliegt lediglich die Pflicht, sich für den Fall bereitzuhalten, dass er „gerufen“ wird, um dann die Arbeit unverzüglich aufnehmen zu können. Dabei gilt, dass die tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung hier als Arbeitszeit zu werten ist.

Das Bundesarbeitsgericht hat bereits entschieden, dass beispielsweise eine Bestimmung des Arbeitgebers, nach der die Arbeitnehmerin beispielsweise innerhalb von 20 Minuten die Arbeit aufnehmen müsse, mit einer Rufbereitschaft nicht vereinbar ist. Eine freie Wahl des Aufenthaltsortes ist hier für die betreffende Arbeitnehmerin nicht mehr gewährleistet. Der Aufenthaltsort ist durch die Zeitvorgabe des Arbeitgebers bestimmt. In diesem Fall ist es sinnvoll für den Arbeitgeber einen Bereitschaftsdienst einzurichten.

Für die Einordnung als Rufbereitschaft oder Bereitschaftsdienst kommt es auch nicht auf die tatsächliche Bezeichnung an, sondern wie die übliche Ausgestaltung nach den ausgeführten Grundsätzen aussieht. Werden die Voraussetzungen insbesondere für den Bereitschaftsdienst verletzt, so können sich daraus Ansprüche auf Vergütung der Arbeitszeit im Einzelfall ergeben.

 

Magister juris/ Master of Mediation

Annett Kunz

Rechtsanwältin & Mediatorin

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Autor

Rechtsanwalt
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