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Fachbeitrag 18.07.2013

Newsletter 2/2013


Wir behandeln heute vier kürzlich ergangene Urteile des Cour de cassation und des EuGH aus den Bereichen der Schiedsgerichtsbarkeit, der internationalen Zuständigkeit der französischen Gerichte und der vertraglichen Haftung.

1. Schiedsgerichtsbarkeit – Widerklage einer vermögenslosen Partei

In unserem Newsletter von Juli 2012 hatten wir auf ein Urteil des Appellationsgerichts Paris vom  16. November 2012 hingewiesen. Das Gericht hatte geurteilt, dass Art. 30 Abs. 4 der ICC Schiedsordnung 1999, wonach eine Widerklage als zurückgenommen gilt, wenn der entsprechende Vorschuss nicht eingezahlt worden ist,  gegen Art. 6 Nr. 1  EMRK verstosse, weil diese Rechtsfolge “exzessiv” sei. Im zu entscheidenden Falle war die widerklagende Partei aufgrund eines Insolvenzverfahrens vermögenslos.

Gegen dieses Urteil wurde Kassationsbeschwerde eingelegt. Mit Urteil vom 28.03. 2013 hat der Kassationsgerichtshof diese Entscheidung nun aufgehoben. Der Gerichtshof stellt fest, dass die Weigerung eines Schiedsgerichts, eine Widerklage zu prüfen, einen Verstoss gegen den Justizgewähranspruch darstelle und eine Verletzung der Gleichheit der Parteien sein könne, wenn die Widerklage mit dem Klageanspruch in einem untrennbaren Zusammenhang steht. Die Sache wird zurückverwiesen.

Diese Begründung hat alle überrascht, weil kein Gesetzestext  eine solche Verbindung der Klage mit der Widerklage verlangt oder daran irgendwelche Rechtsfolgen anknüpft; es ist auch unklar, was dieser enge Zusammenhang mit dem Justizgewähranspruch zu tun hat. Wir verstehen die Entscheidung so, dass die Nichtberücksichtigung der Widerklage dann rechtswidrig ist, wenn die Begründung der Widerklage die eigentliche Klageerwiderung beinhaltet. Viele Fragen bleiben jedoch offen, die an anderer Stelle behandelt werden müssen.

2.  “Vices caches” und Haftungsbeschränkung

Das Problem der “vices caches” ist dem Exporteur nach Frankreich nur zu gut bekannt, nicht nur wegen der langen Dauer des Risikos (zwei Jahre nach Entdeckung des Fehlers), sondern auch, weil die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen auch im kaufmänischen Verkehr nicht abbedungen werden können.

Die Cour  de cassation  hat diese Rechtslage nun in einer Entscheidung vom 2.04.2013 bestätigt, die Anlass ist, diese Problematik in Erinnerung zu rufen.. Bei der Lieferung von zwei Rotationsmaschinen waren Mängel aufgetreten, die Anlass zu einer Klage auf Minderung gaben. Die Parteien hatten eine Haftungsbeschränkungsklausel vereinbart. Entsprechend ihrer ständigen Rechtsprechung hält die Cour de cassation diese Haftungsbeschränkung gegenüber der Klage aufgrund von  “vices cachés”  für unwirksam. Eine Freizeichnung_ oder Haftungsbeschränkungsklausel kann ihre Wirkung nur bei Klagen entfalten, die auf sonstigen Vertragsverstössen beruhen.

Es ist allerdings hervorzuheben, dass  eine Begrenzung von Gewährleistungsansprüchen bei  Werkverträgen im Rahmer der allgemeinen Grenzen der Zulässigkeit von Freizeichnungsklauseln möglich ist. Nach französischem Recht liegt ein  Werkvertrag vor, wenn der Gegenstand des Vertrages speziell nach den Vorgaben des Bestellers hergestellt wird. Wie der hier besprochene Fall zeigt, ist nicht jede Maschinenlieferung ein Werkvertrag.

3. « Action directe »

In einem im Jahre 2011 erschienen Aufsatz (RIW 2011, 295 ) hatten wir auf ein vor dem EuGH anhängiges Verfahren hingewiesen, in dem die Cour de cassation dem EuGH die Frage vorgelegt hatte, ob die französische “action directe” vertraglichen oder deliktischen Charakter habe.  Im zweiten Falle kommt  nach der EuGVO nur der deliktische Gerichtsstand zur Anwendung (Art. 5 Nr. 3 EuGVO), im anderen Falle wäre zu prüfen, ob eine zwischen dem Hersteller und seinem direkten Vertragspartner vereinbarte Gerichtsstandsklausel auf den Endnutzer  übergegangen ist. In seiner Entscheidung vom 7.02.2013 hat der EuGH nun wie erwartet entschieden,  dass die “action directe” in Vertragsketten deliktisch zu qualifizieren ist und Art. 5 N. 3 EuGVO  Anwendung findet. Die zwischen dem Hersteller und seinem direkten Vertragspartner vereinbarte Gerichtsstandsklausel gilt nicht gegenüber dem letztem Käufer der Waren. Ein Übergang der Gerichtsstandsklausel wie bei einem Konossement findet bei einer Vertragskette nicht statt.

Dies bedeutet für den deutschen Exporteur, dass er sich gegenüber einer Klage des letzten Käufers nicht mehr auf eine Gerichtsstandsklausel berufen kann. Da der Ort des Schadenseintritts normalerweise in Frankreich liegen wird, sind die französischen Gerichte nach Art. 5 Nr. 3 EuGVO zuständig. Die Bedeutung dieser Entscheidung geht jedoch nicht darüber hinaus. Nach französischem materiellen Recht (soweit es anwendbar ist) ist die “action directe” nach wie vor vertraglich zu qualifizieren, so dass dem Hersteller etwa die Berufung auf eine Haftungsklausel, die er mit seinem direkten Vertragspartner vereinbart  hat,  nicht verwehrt ist.

4. “Optionelle” oder “potestative” Gerichtsstandsklauseln

Gerichsstandsklauseln, in denen zwar ein ausschliesslicher Gerichtsstand vorgesehen ist,  sich eine Partei jedoch  vorbehält, die andere Partei an deren allgemeinen Gerichtsstand oder an jedem anderen Gerichtsstand zu verklagen, sind im Bereich von Asset- oder Projektfinanzierungen häufig. In einem französisch- luxemburgischen Fall hat die Cour de casssation nun im Rahmen des Art. 23 EuGVO entschieden, das seine solche Klausel aufgrund der in ihr enthaltenen Willkürlichkeit unwirksam ist.

Diese Entscheidung überrascht in mehrfacher Hinsicht.  Art. 23 EuGVO enthält kein solches Tatbestandsmerkmal. Bis zu der Refom der EuGVO von 2000 waren “einseitige” Klauseln sogar ausdrücklich möglich. Zudem hat der EuGH in mehreren Entscheidungen zu Art. 23 EuGH entschieden, dass die nationalen Gerichte in Art. 23 EuGVO keine dort nicht enthaltene  Tatbestandsmerkmale hinzufügen dürfen. Schliesslich handelte es sich aus Sicht der Bank um einen Passivprozess, in der die Option gar nicht zum Tragen kam.  

Friedrich Niggemann hat diese Entscheidung in einer Besprechung eingehend kommentiert, die in einer der nächsten Hefte der IPrax erscheinen wird.

Paris, im Juli 2013

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Autor

Rechtsanwalt
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