Fachbeitrag 30.09.2016

Mobbingvorwürfe gegen CDU-Generalsekretär Peter Tauber


Ein Kommentar aus anwaltlicher Sicht

Frau Anne Höhne-Weigl, ehemalige Geschäftsführerin des CDU Main-Kinzig-Kreises behauptet, sie habe im November 2006 auf dem Schreibtisch ihres Kreisvorsitzenden, Herrn Tom Zeller, ein nicht unterschriebenes Papier gefunden, das mit „Pflegehinweise für das Kaninchen“ und „Operation Kaninchenjagd“ überschrieben war und das angeblich vom Nachfolger von Herrn Zeller, dem heutigen CDU-Generalsekretär Peter Tauber stammen soll. Dieser bestreitet vehement, Autor des Papieres zu sein, gibt aber später gegenüber der Deutschen Presse Agentur zu, das Papier gekannt und nichts unternommen zu haben. Jetzt will angeblich Tom Zeller für das Papier „verantwortlich sein“, unklar bleibt, warum er sich selbst einen Brief mit „Lieber Tom,…“ schreiben sollte.

Ziel der „Operation Kaninchenjagd“ ist – so geht aus dem Papier hervor, das hier als pdf heruntergeladen werden kann – das Kaninchen – (Frau Höhn-Weigl meint, damit könne nur sie gemeint sein) gegen Zahlung einer geringen, nur symbolischen Abfindung zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages zu bewegen.

Mobbing wird definiert als ein Verhalten, das bezweckt oder bewirkt, dass die Würde des Betroffenen verletzt wird und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird (BAG 8 AZR 593/06). Die Operation „Kaninchenjagd“ wäre als Mobbing anzusehen.

Wie sollte im konkreten Fall die „Operation Kaninchenjagd“ ablaufen?

Gespräch mit dem Kaninchen:

Der Termin sollte auf einen Freitag oder Samstag gelegt werden, damit das Kaninchen zwei/drei Tage niemand konsultieren konnte. An den darauf folgenden Wochentagen sollte das Kaninchen mit Arbeit eingedeckt werden, damit es nicht zum Anwalt kommt.

Kommentar aus meiner Sicht:  Wichtig ist, sich niemals unter Zeitdruck setzen zu lassen und auf keinen Fall einen Aufhebungsvertrag zu unterschreiben, ohne diesen vorher anwaltlich überprüfen zu lassen. Auch braucht man sich nicht so mit Arbeit eindecken lassen, dass man nicht zum Anwalt gehen kann. Wenn sich eine solche Drucksituation am Arbeitsplatz auf das gesundheitliche Befinden auswirkt, ist es gerechtfertigt, die Arbeit liegen zu lassen und dem Vorgesetzt zu sagen: „Mir ist nicht gut – ich gehe zum Arzt“. Jeder vernünftige Arzt schreibt in dieser Situation (bei gegebener medizinischer Indikation) arbeitsunfähig. Wenn man aus der Drucksituation am Arbeitsplatz raus ist, kann man auch in Ruhe zum Rechtsanwalt gehen. Ich gebe in Notsituationen schnelle telefonische Unterstützung oder kurzfristige Termine.

Teilnehmer am Gespräch:

Teilnehmen sollte „das Scherbengericht“ plus einer, der dem Kaninchen als „Vertrauensperson“
zugeordnet ist. Dieser sollte dem Kaninchen später raten, den Aufhebungsvertrag anzunehmen.

Kommentar aus anwaltlicher Sicht: man sollte wenn möglich immer eine Person seines
Vertrauens zu einem Personalgespräch mitnehmen: Betriebsrat, Personalrat, Rechtsanwalt. Ausserdem sollte man sich vorher erkundigen, was Thema des Gesprächs sein soll.

Einstieg zum Gespräch:

Das Kaninchen sollte befragt werden, wie es sich fühlt. Wenn etwas Negatives kommt, sollte eingehakt werden, dass die Situation schwierig ist. Wenn sich das Kaninchen positiv äußert, sollten alle negativen Handlungen aufgezählt werden. Dem Kaninchen sollte aufgezeigt werden, dass die Konflikte die Arbeit der Geschäftsstelle behindern und der Partei schaden.

Kommentar aus meiner Sicht: Wer eine Frage beantwortet, gesteht dem Fragesteller das Recht zu, die Frage zu stellen. Also darf man solche Fragen wie „Wie fühlen Sie sich?“ komplett ignorieren und seinerseits etwas fragen, z.B. „Was ist denn Ziel unseres heutigen Gesprächs?“
Wer fragt, der führt. Ich rate auch dazu, nicht zu jedem Vorwurf sofort Stellung zu nehmen. Viel sinnvoller (und rechtlich zulässig) ist es, sich jeden Vorwurf auf einem Block zu notieren und dem Vorgesetzten zu sagen: „Ich schreibe jetzt alles genau auf, dann bespreche ich es mit meinem Anwalt und Sie erhalten dann gegebenenfalls eine anwaltliche Stellungnahme“. Das bewirkt fast immer, dass der Vorgesetzte sich mit persönlichen Anschuldigungen zurückhält und sehr vorsichtig wird.

Begründung für den Trennungswunsch:

– Konflikt mit dem deutlich jüngeren Vorgesetzten, es werde ein jüngerer GF gewünscht
– dramatisch finanzielle Situation des Kreisverbandes
– massive Einsparungen beim Personal seien erforderlich
– der Vertrag des Kaninchens müsste sowieso „angepasst werden“
– ein Wechsel in die Kreisverwaltung sei zugesichert, ginge aber nicht übergangslos
– die CDU sei eine Familie und entsprechend wolle man sich verhalten.

Kommentar aus meiner Sicht: Der Wunsch nach einem jüngeren Geschäftsführer ist eine klare rechtswidrige Diskriminierung wegen Alters. Die angeblichen weiteren Gründe „finanzielle Situation, massive Personaleinsparungen“ sind – wie aus dem Papier „Operation Kaninchenjagd“ hervorgeht – nur vorgeschoben. Misstrauen ist daher auch angeblichen „guten Gründen“ gegenüber immer angebracht. Es gibt immer einen vorgeschobenen Grund und einen wahren Grund.

Angebot des Aufhebungsvertrages:

Der Kreisvorsitzende  sollte komplett verschweigen, dass das Kaninchen eigentlich einen sehr guten Kündigungsschutz nach der Hessischen Landkreisordnung hat. Nötigenfalls sollte er bluffen und sagen, dass dieser Schutz Grenzen habe. Sodann würde man „nur einmal und nur heute“ ein Angebot zur Aufhebung des Arbeitsverhältnisses unterbreiten, dass ein ehrenvolles Ausscheiden, ein hervorragendes Arbeitszeugnis, eine (symbolische) Abfindung, eine Zusage, sich für die Weiterbeschäftigung in der Kreisverwaltung einzusetzen und die Weiterbeschäftigung der Tochter des Kaninchens mit Aussicht auf bessere Bedingungen enthalte.

Kommentar aus rechtlicher Sicht: Wie schon gesagt – niemals unter Druck setzen lassen. Angebote „nur hier und heute“ gibt es nicht.  Schnelle Lösungen sind für den Arbeitnehmer teure Lösungen. Nahezu immer erreicht ein Anwalt bessere Bedingungen oder wehrt den Wunsch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ab.

Flankierende Maßnahmen:

Flankierend sollte der Druck auf der Geschäftsstelle erhöht und „Stimmung gemacht“ werden.
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ml;ber den bestehenden Kündigungsschutz sollte getäuscht werden.

Ausstiegsszenario:

Bei Gegenwehr des Kaninchens sollte die Jagd sofort abgeblasen werden. Statt dessen sollte „die Schlagzahl erhöht werden“, die finanzielle Situation dramatisiert werden, eine „fehlerhafte Ein-stellung“ des Kaninchens verbreitet werden, die Tochter des Kaninchens sofort gekündigt werden, mit Ermahnungen und Abmahnungen begonnen werden. Feste Arbeitszeiten sollten angeordnet werden, Mehrarbeit angeordnet werden, die private Nutzung des Internets sollte verboten werden, Internet und E-Mails sollten kontrolliert werden.

Kommentar aus meiner Sicht: Ruhig bleiben. Von Drohungen nicht einschüchtern lassen. Mit Ermahnungen und Abmahnungen sofort zum Anwalt. Feste Arbeitszeiten und Mehrarbeit können nicht in jedem Fall angeordnet werden. Eine Überprüfung des Arbeitsvertrages ist notwendig. Nötigenfalls jede Anordung des Arbeitgebers anwaltlich überprüfen lassen, ob das Direktionsrecht nicht überschritten wird. Ab sofort keine private Nutzung des Geschäfts-PC und Geschäfts-Handy. Private Daten löschen.

Zusammenfassung:

Das Papier „Operation Kaninchenjagd“ zeigt exemplarisch, wie Arbeitgeber vorsätzlich ein feindliches Arbeitsumfeld schaffen und auf den Arbeitnehmer Druck ausüben, um ihn zur Aufgabe des Arbeitsplatzes zu bewegen. Nicht jeder Arbeitnehmer hat aber das „Glück“ seine Mobbing-anleitung auf einem Schreibtisch vorzufinden und den Mobbingangriff somit stoppen zu können. Gleichzeitig zeigt das Papier, dass fast jede Maßnahme des Arbeitgebers arbeitsrechtlich gekontert werden kann. Der Arbeitnehmer ist nicht schutzlos, er muss sich nur rechtzeitig anwaltlich beraten lassen.

Und letztlich zeugen die „Pflegehinweise für das Kaninchen“ neben einer menschenverachtenden Einstellung auch von einer gewissen Naivität – um nicht zu sagen: Dummheit – des unbekannten Autors, ein solches Papier überhaupt in die Welt zu setzen.

Autor: Rechtsanwalt Frank Linzer, Fachanwalt für Arbeitsrecht

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