Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 13.03.2017 zum Kopftuchverbote für Mitarbeiter von Privatunternehmen. Welche Auswirkungen hat diese für die Bundesrepublik Deutschland?
Der EuGH hat in seiner Entscheidung keine endgültige Regelung geschaffen, jedoch angedeutet unter welchen Voraussetzungen ein Kopftuchverbot zulässig sein könnte. Insbesondere kommt es nach wie vor auf den Einzelfall an.
Grundsätzlich ist noch einmal vorab zu stellen, dass in der EU-Menschenrechts-Charta und dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland die Religionsfreiheit verankert ist, weswegen auch das Tragen religiöser Symbole in der Öffentlichkeit grundsätzlich gestattet ist. Die Religionsfreiheit ist lediglich dann einschränkbar, wenn sie mit anderen Grundrechten oder Interessen Dritter kollidiert und diesen der Vorrang einzuräumen ist.
Zu entscheiden hatten der EuGH über zwei ähnlich gelagerte Fälle. In einem dieser Fälle war die Klägerin eine bekennende Muslima und Mitarbeiterin eines Sicherheitsdienstes. Der Arbeitgeber hatte seinen Mitarbeitern das Tragen von religiösen und politischen Abzeichen ausdrücklich untersagt, da sie den Arbeitgeber und den Kunden in der Außendarstellung repräsentieren würden.
Der EuGH lag hat in diesem Fall angenommen, dass keine unmittelbare Diskriminierung wegen des Glaubens oder einer bestimmten Glaubensrichtung vorlag, da die Vorschrift, neutrale Kleidung zu tragen, einen rein beruflichen Zweck erfüllt hat und insofern sachlich gerechtfertigt ist. Der EuGH hat aber auch zugleich darauf hingewiesen, dass stets der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten ist.
Danach ist es grundsätzlich auch für Unternehmen in Deutschland möglich das Tragen von allen sichtbaren religiösen und politischen Zeichen zu untersagen. Unzulässig dürfte es jedenfalls ein, lediglich ein Verbot für Kopftücher zu erlassen, wenn bekennende Muslima ein Kopftuch tragen.
Um das Tragen von allen sichtbaren religiösen und politischen Zeichen durchzusetzen, bedarf es in einem Unternehmen einer allgemeinen innerbetrieblichen Regelung zur politischen oder religiösen Neutralität.
Entscheidend ist es hierbei, dass eben nicht auf bestimmte religiöse Zeichen abgezielt werden darf. Nur dann, wenn eine allgemeine Neutralitätspflicht existiert, darf ein Unternehmen als Arbeitgeber auf einen Mitarbeiter einwirken, wenn gegen das Neutralitätsgebot verstoßen wird.
Fraglich bleibt es und es kann derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden, ob der Arbeitgeber das Tragen von allen sichtbaren religiösen und politischen Zeichen nur dann untersagen kann, wenn der betroffene Mitarbeiter das Unternehmen in seiner Funktion gegenüber Kunden nach außen repräsentiert, somit sichtbar für Kunden ist.
Es verbleibt somit auf Grundlage des EuGH Urteils dabei, dass der Arbeitgeber das Tragen von allen sichtbaren religiösen und politischen Zeichen nicht grundlegend verbieten darf, wenn kein direkter sichtbarer Kontakt mit Kunden besteht.
Welche Maßnahmen hat ein Unternehmen als Arbeitgeber zu ergreifen, wenn ein Mitarbeiter mit sichtbaren Kundenkontakt gegen das Neutralitätsgebot verstößt oder sich damit nicht abfinden möchte.
Sollte der Mitarbeiter sich nicht daran halten wollen und dies kundgetan, so hat der Arbeitgeber als am wenigstens einschneidende Maßnahme zu prüfen, ob der Mitarbeiter auf einen anderen Arbeitsplatz im Unternehmen eingesetzt werden kann. Sollte so ein Arbeitsplatz vorhanden, jedoch der Mitarbeiter mit diesem nicht einverstanden sein, so müsste der Arbeitgeber gegenüber dem Mitarbeiter eine Änderungskündigung aussprechen.
Sollte kein anderer Arbeitsplatz vorhanden sein, der Mitarbeiter gegen das Verbot zum Tragen von allen sichtbaren religiösen und politischen Zeichen verstoßen, so kann der Arbeitgeber den Mitarbeiter abmahnen und im Wiederholungsfall ordentlich kündigen. Dass der Verstoß eine außerordentliche fristlose Kündigung rechtfertigen dürfte, wird diesseits bezweifelt.
Bisher in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung noch nicht entschieden ist der Fall, dass wegen des Glaubens das Händeschütteln bei Kundenkontakt verweigert wurde. Diese Konstellation ist dem Verfasser aus dem Umgang mit Mandanten vertraut, als dass diese berichtet haben, dass es diese Fälle gab. Hier sind ebenfalls Grundrechte mit einander in Einklang zu bringen. Sollte sich ein gläubiger Moslem weigern einer Frau im Rahmen eines geschäftlichen Kontaktes die Hand zu geben, so mag anzunehmen sein, dass dies eine Diskriminierung und einen Verstoß gegen die Gleichberechtigung, sowie die Menschenwürde darstellen könnte. Es ist jedoch allgemein in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt und zu beachten, dass nicht auf die Wünsche der Kunden eine Sanktion gegenüber dem Mitarbeiter erfolgen kann. Und dies gilt eben auch für die Untersagung des Tragens von Kopftüchern.
Sollte nun ein Unternehmen sich zu Eigen machen wollen ein Neutralitätskodex einzuführen, so muss ihm bewusst sein, dass dies aufwendig ist. Zum einen bedarf es der ordentlichen Ausarbeitung und zudem einer Abstimmung mit dem Betriebsrat, sofern ein solcher existent ist. Auch ist zu beachten, dass die Erstellung eines solchen ein Neutralitätskodex dazu führen kann, dass dies als Diskriminierung bereits vorhandener Angestellter angesehen werden könnte, wenn im Unternehmen zuvor das Tragen von sichtbaren religiösen und politischen Zeichen erlaubt war.
Anzumerken in diesem Zusammenhang noch, dass das Tragen eines Kopftuches nicht das Regelbeispiel ist, welches die Rechtsprechung und auch die Anwälte beschäftigt, sofern es um das Neutralitätsgebot geht. Die Beispiele sind vielfältig und ergeben sich größtenteils aus der politischen Gesinnung der Mitarbeiter und das hiermit verbundene Tragen von Abzeichen und der Verteilung von Flyern, welche im Zusammenhang mit verfassungsfeindlichen Gruppierungen, Vereinen und Parteien zu sehen sind.
Es bleibt somit festzuhalten, dass auf die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung noch einige Arbeit zur Klärung von widerstreitenden Interessen zukommen wird, jedoch sollte man als Unternehmen aus eigenem Antrieb nur dann einen Neutralitätskodex einführen, wenn es im Betrieb tatsächlich zu einer Störung des Betriebsfriedens gekommen ist und es wahrscheinlich ist durch die Erstellung eines Neutralitätskodexes den Betriebsfriedens wieder herzustellen.