Der Ausgangsfall: Es ging um einen Rechtsstreit mit einer Versicherung wegen Zahlung von Krankengeld, der Kosten verursacht hat. Die Aufwendungen für einen Zivilprozess können eine außergewöhnliche Belastung eines Steuerpflichtigen sein, so formuliert es der BFH. Die Folge liegt auf der Hand: die Einkommensteuer wird für den Steuerbürger reduziert.
Während nach früherer Ansicht der Münchener Finanzrichter Prozessaufwendungen nur berücksichtigt worden waren, wenn es um die Existenz ging, zeigen sich die Juristen jetzt realitätsnah. Denn sie sehen ein: Niemand geht zu Gericht, weil es ein besonderes Vergnügen wäre. Meistens sind es ernste Auseinandersetzungen, die nur durch die staatlichen Gerichte gelöst werden dürfen; denn nur sie haben das staatliche Gewaltmonopol. Ohne Richterspruch werden sich nicht immer Versicherungen, Banken, Fondsinitiatoren oder sonstige Finanzinstitute dem Recht beugen.
Gibt der Staat den Rechtsweg vor – und damit auch die Kosten für einen Streit – entstehen diese Gebühren zwangsweise. Nur in den Fällen, in denen ein Misserfolg des gerichtlichen Streites im Vorherein fest steht, dürften diese Kosten nicht der Allgemeinheit in Folge des Steuerabzugs zur Last fallen.
Mit den Worten „Vorherzusagen wie ein Gericht entscheiden wird, ist `riskant´“, zitiert der BFH den bedeutenden Rechtsgelehrten im Steuerrecht, Klaus Tipke. Aus diesem Grunde kann man – wenn nach anwaltlicher Beratung der Erfolg zumindest genauso wahrscheinlich wie ein Misserfolg prognostiziert wird – den Fiskus im „worst case“ (schlechtesten Falle) daran beteiligen.
STELLUNGNAHME DER KANZLEI GÖDDECKE
Erfreulicherweise kommt etwas mehr Wirklichkeit in die Amtsstuben der Finanzämter hinein. Niemand wird ohne Grund seine Rechte in einem Streit vor dem Zivilgericht einfordern, denn er geht nach der Lebenserfahrung immer davon aus, dass er auch das Verfahren gewinnen will und seine Chancen dafür gut stehen.
Dann ist es auch richtig, wenn der Fiskus – sollte es anders kommen – an den Kosten im angemessenen Rahmen mit beteiligt wird. Steuerpflichtige und Steuerberater müssen im Regelfall dabei das Zuflussprinzip beachten; die Kosten müssen in dem Steuerjahr geltend gemacht werden, in dem sie anfallen.
Quelle: Bundesfinanzhof (BFH) Urteil vom 12. Mai 2011, Az. VI R 42/10
16. Oktober 2011 (Rechtsanwalt Hartmut Göddecke)