Fachbeitrag 23.05.2011

Keine Obliegenheitsverletzung bei unterlassener Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht


Beantragt der Versicherungsnehmer – beispielsweise zu einer Kranken-  oder Be­rufs­un­fä­hig­keits­(zusatz-)ver­si­che­rung – Leistungen, so beginnt der Versicherer sei­ne oft lang­wie­ri­ge und umfangreiche Leistungsprüfung in der Regel damit, Ein­sicht­nah­me in die Krankenunterlagen sämtlicher ärztlicher Behandler zu fordern und legt dem irritierten Kunden Schweigepflichtentbindungsformulare vor.

Das LG Dortmund hat sich in seinem Urteil vom 01.04.2010 – 2 S 56/09 – mit der Fra­ge beschäftigt, ob die Weigerung des Versicherungsnehmers, seinen be­han­deln­den (Haus-)Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden, pflichtwidrig ist. Im Er­geb­nis wur­de dies verneint. Eine derartige Weigerung stelle keine Ob­lie­gen­heits­ver­let­zung dar, sie sei vielmehr eine Ausprägung des Rechts auf in­for­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung. Einfach formuliert: Der Versicherungsnehmer darf sich wei­gern, Nur: Er erhält (zunächst) auch keine Leistungen. Praktisch besehen macht die­se recht­li­che Einordnung der Weigerung für die Leistungsverpflichtung des Ver­si­che­rers also kei­nen Unterschied. Der Versicherer ist (zunächst) lei­stungs­frei, da die Leistung (noch nicht) fällig ist. Interessant ist das Urteil dennoch: Nicht jede ärzt­li­che Behandlung ist für die Leistungsprüfung relevant, der Versicherer hat kei­nes­wegs Anspruch auf “gläserne Versicherte”. Und: Oft­mals drohen die Ver­si­che­rer ihren Kunden im Falle einer Weigerung damit, den Vertrag kündigen. Das ist je­doch nicht möglich, denn die unterlassene Ent­bin­dung von der ärzt­li­chen Schwei­ge­pflicht stellt keine Ob­lie­gen­heits­ver­let­zung dar. Der Ver­si­che­rer hat des­halb auch kein Kündigungsrecht gemäß § 28 VVG n.F.

Bereits im Rahmen erster Kontaktaufnahmen des Versicherungsnehmers zur Scha­dens­an­zei­ge und Auskunftserteilung gegenüber dem Versicherer, dessen Ver­tre­tern in Agenturen oder einem Makler ergeben sich für den Versicherten er­heb­li­che Stolpersteine und Hürden. Hierzu sollte sich der ver­si­che­rungs­recht­li­che Laie zur besseren späteren Anspruchsdurchsetzung zeit­nah von einem Fach­an­walt für Versicherungsrecht beraten und zur Wah­rung der Waffengleichheit zu ge­ge­be­ner Zeit auch vertreten las­sen.

Laux Rechtsanwälte

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