Fachbeitrag 06.07.2016

Insolvenzverfahren – Abweisung mangels Masse, § 26 InsO – Rechtsfolgen


Nachdem ein Insolvenzantrag gestellt wurde, prüft das Gericht – über einen vorläufigen Insolvenzverwalter – ob das Vermögen des Unternehmens voraussichtlich ausreichen wird, um die Verfahrenskosten (Gerichtsgebühr, Honorar des Insolvenzverwalters, etc.) zu decken. 
Reicht das Vermögen des Unternehmens voraussichtlich nicht aus, wird die Verfahrenseröffnung mangels Masse abgelehnt, § 26 InsO.

Wie geht es nun weiter?

1. Auflösung des Unternehmens

Unternehmen als juristische Personen (Genossenschaft, Verein, GmbH, AG usw.) und Personengesellschaften (offene Handelsgesellschaft / OHG – oder Kommanditgesellschaft / KG) sind vom Gesetz her aufzulösen. Das Insolvenzgericht wird die Eintragung eines Auflösungsvermerkes und später die Löschung im Handelsregister und weiteren öffentlichen Verzeichnissen veranlassen.

2. Eintragung in das Schuldnerverzeichnis

Die Abweisung eines Eröffnungsantrags mangels Masse führt zur zwangsweisen Eintragung des Unternehmens in das Schuldnerverzeichnis. Dieses Register ist für jedermann – aber nur bei Darlegung eines entsprechenden Zweckes – einsehbar.


3. Fortführung der Zwangsvollstreckung

Das Amt des vorläufigen Insolvenzverwalters endet.

Sicherungsmaßnahmen aller Art werden aufgehoben. Somit ist die Zwangsvollstreckung aus vorhandenen Titeln (Urteil, gerichtlicher oder notarieller Vergleich, Vollstreckungsbescheid, vollstreckbare Urkunde) für alle Gläubiger wieder unbeschränkt möglich. Welche Aussichten auf Erfolg eine Zwangsvollstreckung – nach einer Abweisung mangels Masse – hat, kann nur im Einzelfall beurteilt werden.

4. Strafrechtliche Konsequenzen für den Geschäftsführer

Zwei Drittel aller Geschäftsführer, die für ihre Gesellschaft einen Insolvenzantrag stellen mussten, haben diesen zu spät gestellt. Der Straftatbestand der Insolvenzverschleppung ist daher jedem Insolvenzverfahren – gleich ob es eröffnet oder mangels Masse abgewiesen wird – Prüfungsgegenstand der Staatsanwaltschaft. Aufgrund Mitteilungen in Zivilsachen (MiZi) sind die Insolvenzgerichte verpflichtet, die Strafverfolgungsbehörden von einem Insolvenzverfahren zu unterrichten und die Akten zur strafrechtlichen Prüfung zu übersenden.

Eine Insolvenzverschleppung nach § 15a der Insolvenzordnung (InsO) liegt vor, wenn die Zahlungsunfähigkeit nach § 17 InsO oder die Überschuldung nach § 19 InsO gegeben ist. In diesem Fall ist der Geschäftsführer einer GmbH oder Aktiengesellschaft verpflichtet, binnen einer Frist von drei Wochen einen Insolvenzantrag zu stellen. Versäumt er diese Frist, begeht er eine Insolvenzverschleppung.

Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht. Dies trifft bei der Insolvenzverschleppung zu.

Der verursachte  Schaden und die Dauer der Insolvenzverschleppung sind maßgebliche Kriterien für die Strafhöhe. Bei einem großen Schaden und langen Dauer der Insolvenzverschleppung droht durchaus eine Freiheitsstrafe, vgl. § 15a InsO.

Neben dem Tatbestand der Insolvenzverschleppung können weitere Straftatbestände verwirklicht sein, wie zum Beispiel Betrug (§ 263 StGB), Kreditbetrug (§ 265b StGB), Untreue (§ 266 StGB), Beitragsvorenthaltung (§ 266a StGB), Bankrott (§ 283 StGB).

Bei einer Verurteilung wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung tritt auch die Nebenfolge ein, dass der Verurteilte nicht mehr Geschäftsführer sein darf.

Auch ein Strafbefehl wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung z.B. mit 90 Tagessätzen oder weniger schließt die Möglichkeit aus, weiterhin Geschäftsführer zu sein – auf die Dauer von fünf Jahren -unweigerlich aus. Das Registergericht wird die Eintragung des Geschäftsführers im Handelsregister von Amts wegen löschen.

Von besonderer Bedeutung ist weiter, dass sich bei einer strafrechtlichen Verurteilung nicht selten auch eine zivilrechtliche Haftung und Inanspruchnahme des Geschäftsführers als Privatperson anschließt.

Von besonderer Wichtigkeit ist daher die Verteidigungsstrategie:

Hier sind zunächst die wirklichen Gründe die zur Insolvenz, bzw. zur Insolvenzverschleppung geführt haben von besonderer Bedeutung und besonders herauszuarbeiten um dann eine maßgeschneiderte Strategie im Rahmen eines Gesamtkonzeptes zu entwickeln. Ansonsten besteht die ernstzunehmende Gefahr, sich durch eigene Aussagen – ohne anwaltlichen Rat – bei einer polizeilichen Vernehmung, beispielsweise durch widersprüchliche Auskünfte in (unnötige) Schwierigkeiten zu bringen. Häufig versuchen Geschäftsführer sich bei dem ermittelnden Beamten zu „entschuldigen“ und die Situation zu erklären und liefern dadurch den Strafverfolgungsbehörden gerade erst wichtige Informationen.

5.  Eröffnung Liquidationsverfahren

Es folgt das Liquidationsverfahren. Der Geschäftsführer wird dabei zum Liquidator der GmbH. 
Dieser hat die Aufgabe, die Schlussliquidation durchzuführen und in diesem Zusammenhang die gegebenen steuerrechtlichen Pflichten zu beachten. 

Das Insolvenzgericht teilt den Registergerichten in der Regel die Tatsache einer Insolvenzabweisung mangels Masse von Amts wegen mit.

Entweder ist die GmbH dann tatsächlich vollkommen vermögenslos, oder das Vermögen müsste durch Anfechtung erlangt werden, die jedoch nicht immer rechtlich erfolgreich durchsetzbar ist oder es ist nur noch unbedeutendes Restvermögen (wie z. B. als uneinbringlich bewertete Forderungen, Grundstücke mit wertaufzehrenden erstrangigen Grundschulden, etc.) vorhanden.

Erhält der Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft Kenntnis davon, dass das Insolvenzverfahren mangels Masse abgelehnt wird, wird er per Gesetz wieder Organ der Gesellschaft mit allen Rechten und Pflichten und hat das Liquidationsverfahren einleiten. Die Firma hat den Zusatz i. L. zu führen. Es ist eine Eröffnungsbilanz zu erstellen.

Es gelten die Verfahrensgrundsätze der regulären Liquidation. Die Gesellschafter haben einen Liquidator zu bestellen, der das Restvermögen höchstmöglich veräußert.

Erfahrene Gläubiger oder deren Anwälte können natürlich versuchen, in dieser Zeit titulierte Forderungen mit den möglichen Arten der Vollstreckung durchzusetzen.

Im Rahmen der Liquidation werden regelmäßig in erster Linie die Sicherungsgläubiger versuchen, die Ihnen zustehenden Sicherheiten mit Hilfe des Liquidators zu verwerten.

Nicht durch Dritte belastetes Vermögen der Gesellschaft hat der Liquidator zu bewerten und zu verwerten.

Bei Liquidation „nach Ablehnung mangels Masse“ gilt nicht das Verbot der Gläubigerbenachteiligung. Bei der durchzuführenden Verteilung des möglichen Erlöses im Rahmen der Liquidation obliegt es dem Liquidator, wem er wann wie viel gibt.

Der Erlös aus der Veräußerung – häufig werden Preise durchgesetzt, die nicht marktgerecht sind – reicht nie für alle Gläubiger aus, so dass beliebige Gläubiger ganz oder teilweise ausgezahlt werden, ohne dass die anderen Übergangenen und nicht Berücksichtigten dagegen etwas einwenden können.

Hier ist eine Lücke im Gesetz: Der Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerberücksichtigung wie im Rahmen eines Insolvenzverfahrens vom Gesetzgeber vorgegeben, ist nach dessen Aufhebung bei einer Liquidation nach Insolvenzablehnung außer Kraft gesetzt.

Die Buchführungspflicht der Gesellschaft bleibt während der Liquidation im vollem Umfang bestehen, d. h. der Liquidator hat gleichfalls die Pflicht, die Bücher auch im Rahmen der Liquidation wie ein ordentlicher Kaufmann und nach gesetzlichen Anforderungen zu führen.

In dem gesetzlichen Zeitraum der Liquidation müssen auch deshalb die Bücher ordnungsgemäß und zeitnah geführt werden, da den ausgefallenen Gläubigern ein starkes Einsichtsrecht in die Buchführung zusteht. Sie dürfen und können sich umfassend über die Umstände informieren, unter denen sie mit ihren Forderungen ausgefallen sind. Grundsätzlich sind die Gläubiger berechtigt, nach Tatsachen zu forschen, ob ihnen ein entsprechender Schadenersatzanspruch zusteht.

6. Abschlussvergleich

Um die Gläubiger nicht noch mehr zu verärgern, und hier eine gleichmäßige und vielleicht für später wichtige Gläubigerbefriedigung zu erhalten, ist der Versuch eines Liquidationsvergleiches immer sinnvoll. Dabei werden sämtliches Anlagevermögen und sonstige Werte liquidiert und dann im Rahmen einer zu ermittelnden Quote den Gläubigern mitgeteilt.

Auch selbst bei Forderungen, die aufgrund gerichtlicher Urteile vollstreckbar sind, sollte mit den Gläubigern oder ihren Vertretern gesprochen werden, ob sie sich nicht auch – der Fairness halber – an dem quotalen Vergleich beteiligen wollen. Regelmäßig ist eine quotale Einigung – mit Nachweis, dass das Anlagevermögen bzw. die restlichen Vermögensverwerte marktgerecht und zu besten Preisen verwertet worden ist – im Rahmen eines Vergleichs zu erzielen, sodass das Unternehmen auch „tatsächlich“ beendet und endgültig abgeschlossen werden kann.

Meine Kanzlei berät und vertritt Sie hinsichtlich der aufgeworfenen Fragestellungen und begleitet Sie sowohl im Strafverfahren, wie auch im anschließenden Liquidationsverfahren und möglichen Vergleichsverfahren. 

V.i.S.d.P.:
Rechtsanwalt Jörg Streichert
Der Verfasser ist für den Inhalt verantwortlich.
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