Juristen werden dazu erzogen, ihr heimisches Rechtssystem als das Alleinseligmachende anzusehen. Wenn in anderen Rechtsgebieten bestimmte Rechtsgeschäfte anders geregelt sind als daheim, bewirkt das zumindest Erstaunen, meist Misstrauen.
Der Erwerb einer Immobilie, zum Beispiel, ist in Spanien anders geregelt, als in Deutschland, Österreich und der Schweiz, und funktioniert dennoch.
Zunächst gibt es für den Erwerb von Immobilien im spanischen Código Civil keine Formvorschrift, allerdings binden mündliche oder privatschriftliche Kaufverträge nur die handelnden Personen. Es fehlt diesen Verträgen die Außenwirkung, und somit sind sie im Grundbuch nicht eintragungsfähig, es sei denn der Richter ordnet an, dass ein Eigentümerwechsel aufgrund eines solchen Vertrages eingetragen werde.
Früher war es allgemeine Praxis, zunächst einen privatschriftlichen Vertrag abzuschließen, in dem der tatsächlich zu zahlende Kaufpreis festgehalten wurde. Danach ging man zum Notar und verbriefte den Kaufvorgang zu einem vollkommen anderen Preis. Das war zwar nicht legal, aber, solange die Steuerverkürzung nicht den Betrag von 120.000 € erreichte, wurde es nur als Ordnungswidrigkeit angesehen. Man darf nicht vergessen, dass diejenigen, die die Gesetze erlassen, auch Häuser, Wohnungen oder Baugrundstücke besitzen. Abgeordneter hin, Gemeinwohl her, zuerst kommt der eigene Geldbeutel.
Unterdessen ist es immer seltener üblich geworden, dass ein manchmal erheblicher Teil des Kaufpreises „so“ bezahlt wird. Wer heute einen Teil schwarz zahlt, ist entweder gezwungen beim Wiederverkauf ebenfalls einen Teil schwarz zu kassieren, oder aber führt einen Gewinn, den er nur auf dem Papier macht, Steuern zu zahlen. Diese Misslichkeit hat sich herumgesprochen, und deshalb ist die Verschieberei von Geldpaketen unter dem Tisch des Notars glücklicherweise Geschichte.
Der notarielle Vertrag (escritura de compra-venta) ist grundbucheintragungsfähig. Im Gegensatz zum deutschen Recht, geht das Eigentum an der Kaufsache allerdings nicht mit der Eintragung ins Grundbuch über, sondern mit Unterschrift des Vertrages und Inbesitznahme des Kaufobjektes. Das Grundbuch hat im spanischen Rechtssystem lediglich deklaratorischen Charakter. Das bedeutet, dass das Grundbuch nicht Größe und Beschaffenheit der Immobilie garantiert, und wichtiger noch, es ist nicht der Notar, der sich um die Eintragung im Grundbuch kümmert. Die Käufer müssen sich selbst um die grundbuchliche Eintragung kümmern.
Wie macht man das als Ortsfremder, der außer „buenos días“ kein Wort spanisch kann? Es gibt im ganzen Land so genannte Gestorías. Das sind Besorgerbüros, die sich von der Steuererklärung bis eben zur Grundbucheintragung um alles kümmern, wozu der Normalbürger entweder keine Zeit hat oder zu wenig spanisch spricht. Oder aber, und das ist wahrscheinlich der vernünftigste Weg, man beauftragt seinen Anwalt, die grundbuchliche Eintragung zu besorgen.
Aha, denkt der misstrauische Leser, hier versucht mal wieder einer, sich selbst ins Spiel zubringen.
Dazu zwei Antworten:
- Der misstrauische Leser hat natürlich Recht.
- Dennoch ist es sinnvoll.
Ein Immobilienerwerb bedeutet regelmäßig den Handwechsel von zumindest sechsstelligen Geldbeträgen. Der Kaufvertrag beim Notar wird in aller Regel auf Spanisch abgefasst. Wer da nicht über exzellente Kenntnisse der Landessprache verfügt, wird wohl schwerlich bemerken, ob da „verheiratet in Zugewinngemeinschaft, in Gütertrennung oder in Gütergemeinschaft“ steht. Es ist kaum vorstellbar, welche Probleme ein da gemachter Fehler dann verursacht, wenn der vor dem Altar gehauchte Treueschwur doch nicht die erwartete Haltbarkeit hat.
Natürlich gibt es immer wieder Immobiliemakler, die, manchmal sogar mit einigem Recht, behaupten, sie hätten unterdessen so viel Erfahrung mit notariellen Kaufverträgen, dass man sich gut und gerne das eine Prozent, das der Anwalt in der Regel in Rechung stellt, sparen kann. Wenn dann allerdings etwas schief geht, haftet der Makler für den Fehler nicht, der Rechtsanwalt aber schon. Auch darf man nicht vergessen, dass viele Makler vom Heranziehen eines Anwaltes abraten, weil sie so befürchten müssen, dass so all die Rechtsmängel aufgedeckt werden, die der Makler zuvor kunstvoll zugekleistert hat.
Besondere Vorsicht ist beim Kauf von unbebauten Grundstücken geboten. Nicht immer sind sie bebaubar. Das kann sich von Provinz zu Provinz ändern, manchmal sogar innerhalb der gleichen „Comunidad Autónoma“. So sind die Mindestgrößen von bebaubaren ländlichen Grundstücken auf Ibiza und Formentera geringer als die auf Mallorca, und doch gehören alle diese Inseln zur Comunidad Autónoma de las Islas Baleares“.
Rechtssicherheit gibt es nur für Immobilien in konsolidierten Bauzonen. Das ist entweder der Städtische Bereich oder aber die so genannten Urbanisationen, wenn sie denn von den Gemeinden als solche abgenommen sind. Im ländlichen Bereich schützt niemand und nichts den Eigentümer einer Immobilie davor, dass ihm eine Autobahn, Kläranlage oder Eisenbahnstrecke vor die Nase gesetzt wird. Und wenn für eine solche Maßnahme tatsächlich einmal enteignet werden muss, dann wird nur der Wert dessen nach langer Wartezeit entschädigt, was strikt legal war. Das ist manchmal erschreckend wenig, weil bekanntlich der Immobilienbesitzer auf dem Lande fast immer zum Bastler mutiert: Da wird ein Pool gebaut, da ein kleines Appartement hinzugefügt, Garagen, Grillplätze und Schwiegermütterverbringungshäuschen, all das braucht man natürlich auch. Baugenehmigung? Ach, das kostet ja nur Geld und außerdem müsste man dazu ja spanisch sprechen…
Und so gehen die Jahre dahin und der Immobilienbesitzer denkt an’s Vererben. Aber das ist ein gesondertes Kapitel.
Palma de Mallorca, April 2011
Hans Freiherr von Rotenhan, Abogado