Nach der Emmely-Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10.06.2010 kann das unrechtmäßige Einlösen von Pfandbons im Wert von insgesamt 1,30 Euro grundsätzlich einen zur fristlosen Kündigung geeigneten Grund darstellen. Allerdings ist dabei stets eine Interessenabwägung notwendig, ob im Einzelfall nicht eine Abmahnung ausreichen würde, um das verlorene Vertrauen wieder herzustellen. Für die Praxis war bisher nicht ganz eindeutig, welche Umstände im Einzelnen bei der Interessenabwägung insoweit zu berücksichtigen seien sollen. Fest stand bisher nur, dass allein die Höhe des finanziellen Schadens nicht maßgeblich ist, sondern der Grad des Verschuldens ebenso zu berücksichtigen ist wie die Dauer der Betriebszugehörigkeit und ein offenes oder verdecktes Vorgehen des entsprechenden Mitarbeiters.
Mittlerweile kommt durch Folgeentscheidungen nachgeordneter Gerichte mehr und mehr Licht in das Dunkel der Frage, wann denn wohl die Interessenabwägung eine Prognose berechtigen kann, dass der Arbeitnehmer sich nach einer Abmahnung künftig wieder vertragstreu verhält und deshalb eine Kündigung ausgeschlossen ist:
Das Landesarbeitsgericht Hamm hat in einer Entscheidung vom 02.09.2010 das Aufladen eines Elektrorollers im Büro durch einen Betriebsratsvorsitzenden mit Stromkosten von 1,8 Cent verständlicherweise nicht für eine fristlose Kündigung ausreichen lassen. Das Arbeitsgericht Bonn hat in einer Entscheidung vom 26.10.2010 die fristlose Kündigung eines Betriebsratsvorsitzenden für unzulässig erklärt, der nach 30-jähriger Betriebszugehörigkeit 3 Schrauben im Wert von 0,28 Cent entwendet hatte. Das Landesarbeitsgericht Hamm hat sodann in einem Urteil vom 04.11.2010 eine außerordentliche Kündigung zurückgewiesen bei einem Mitarbeiter der Campus-Gastronomie der Ruhr-Uni Bochum, dem vorgeworfen worden war, er habe beim Durchgang durch die Küche Pommes frites und 2 Frikadellen zum Verzehr an sich genommen.
Damit zeichnet sich in der Rechtsprechung eine Tendenz ab, nicht mehr wie in der früheren, grundlegenden Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 17.05.1984 den bloßen Verzehr eines Stückes Bienenstich für eine fristlose Kündigung ausreichen zu lassen. Dennoch kann jeder Arbeitnehmer nur eindringlich gewarnt werden vor Diebstahl oder Unterschlagung auch nur geringwertiger Sachen, da im Einzelfall durchaus nach Abwägung der beiderseitigen Interessen eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein kann.
Als Grund für die fristlose Kündigung kommen dabei nicht nur Vermögensdelikte in Betracht, sondern auch andere, hartnäckige Verstöße gegen Anweisungen des Arbeitgebers. So hat das Arbeitsgericht Krefeld die fristlose Kündigung eines Auslieferungsfahrers und Servicetechnikers für rechtswirksam erklärt, der hochexplosiven Flüssigsauerstoff für seinen Auftraggeber bei dessen Kunden auszuliefern hatte und dabei rauchte. Verständlich ist diese Entscheidung vor dem Hintergrund der Explosionsgefahr, die im Arbeitsvertrag und einer gesonderten Zusatzvereinbarung ausdrücklich erwähnt war und verbunden wurde mit einem uneingeschränkten Rauchverbot in allen Auslieferungsfahrzeugen und im Umkreis von mindestens 10 m von diesen Fahrzeugen.