Fachbeitrag 11.01.2016

Handschriftliches Testament auf Zettel?


Ist ein auf einem Zettel handschriftlich gefertigtes Testament wirksam?

Mit dieser Frage musste sich das AG Lübbecke und das OLG Hamm in 2. Instanz befassen. Nein, entschieden die Richter und befanden, dass zumindest die Verwendung von einer handelsüblicher Schreibunterlage erforderlich sei. Ein ernsthafter Testierwillen kann nicht  feststellbar sein, wenn das vermeintliche Testament nicht auf einer üblichen Schreibunterlage, sondern auf einem Stück Papier oder einem zusammengefalteten Pergamentpapier errichtet worden ist. Unter Hinweis auf diese Rechtslage hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm die erstinstanzliche Entscheidung des Amtsgerichts Lübbecke bestätigt, die die Erteilung eines auf der Grundlage
zweier vermeintlicher Testamente beantragten Erbscheins abgelehnt hat.

Zum Fall:

Die im Juli 2013 im Alter von 102 Jahren verstorbene, verwitwete Erblasserin aus Preußisch Oldendorf war Eigentümerin eines Hausgrundstücks in Lübbecke. Sie hinterließ eine in Preußisch Oldendorf lebende Tochter, drei Enkel in Lübbecke und eine Enkelin in Münster. Die Enkelkinder stammten von dem im Jahr 2009 vorverstorbenen Sohn H. der Erblasserin ab. In der Annahme gültige Testamente der Erblasserin in den Händen zu haben, aus denen sich eine Erbeinsetzung ihres Vaters H. ergebe, legten die Enkel im April 2014 zwei Schriftstücke aus dem Jahre 1986 vor. Bei einem dieser Schriftstücke handelte es sich um einen ca. 8×10 cm großen, per Hand ausgeschnittenen Zettel mit handschriftlicher Aufschrift. Unter dieser folgten die Angabe 1986 und ein Schriftzug mit dem Nachnamen der Erblasserin. Bei dem zweiten Schriftstück, einem mehrfach gefalteten Stück Pergamentpapier, finden sich die gleichen Worte in leicht abgewandelter Anordnung. Auf der Grundlage der vorstehenden Schriftstücke beantragten die Enkel einen die vier Enkelkinder als Miterben ausweisenden Erbschein. Sie vertraten die Auffassung, die Schriftstücke seien Testamente der Erblasserin mit einer Erbeinsetzung zugunsten ihres vorverstorbenen Vaters, an dessen Stelle sie als Miterben zu gleichen Teilen getreten seien.

Der Erbscheinantrag ist erfolglos geblieben. Das Amtsgericht Lübbecke habe, so der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm, den Erbscheinantrag zu Recht zurückgewiesen. Es könne bereits nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass es sich bei den beiden Schriftstücken um letztwillige Verfügungen der Erblasserin handele. Die Errichtung eines Testaments setze einen ernstlichen Testierwillen des Erblassers voraus. Er müsse eine rechtsverbindliche Anordnung für seinen Todesfall treffen wollen, bloße Entwürfe eines Testaments reichten nicht aus.

Im vorliegenden Fall bestünden Zweifel am ernstlichen Testierwillen der Erblasserin. Erhebliche Zweifel folgten schon aus dem Umstand, dass die vermeintlichen Testamente nicht auf einer üblichen Schreibunterlage, sondern auf einem ausgeschnittenen Stück Papier und einem gefalteten Bogen Pergamentpapier geschrieben worden seien. Nach der äußeren und der inhaltlichen Gestaltung sei ein Testament ebenfalls fraglich. Die Überschrift enthalte gravierende Schreibfehler, im Text fehle ein vollständiger Satz. Dabei sei die Erblasserin der deutschen Sprache in Schrift und Grammatik hinreichend mächtig gewesen. Gegen das Vorliegen von Testamenten spreche zudem der Umstand, dass beide Schriftstücke auf das Jahr 1986 datiert sein. Ein Grund für die Errichtung von zwei nahezu inhaltlich identischen Testamenten innerhalb eines Jahres sei nicht ersichtlich. Das Vorliegen zweier inhaltlich ähnlicher Schriftstücke auf ungewöhnlichen Schreibunterlagen spreche vielmehr dafür, dass es sich lediglich um schriftlich dokumentierte Vorüberlegungen oder Entwürfe handele.

Schließlich seien die Schriftstücke mit diversen unwichtigen und wichtigen Unterlagen ungeordnet in einer Schatulle aufgefunden worden. Auch dies lasse nicht notwendig auf einen ernsthaften Testierwillen beim Verfassen der Schriftstücke schließen. Die Erblasserin müsse die Schriftstücke nicht bewusst aufbewahrt, sondern könne diese lediglich vergessen haben.

Der Umstand, dass die Erblasserin in der Folgezeit kein weiteres abweichendes bzw. klarstellendes Testament errichtet habe, sei ebenfalls nicht aussagekräftig. Hierzu hätte aus Sicht der Erblasserin nur dann Veranlassung bestanden, wenn es sich bei den beiden Schriftstücken bereits um Testamente gehandelt hätte. Gerade dies sei aber nicht sicher festzustellen.

Der Beschluss ist rechtskräftig.

Beschluss des OLG Hamm vom 27.11.2015, Az.: 10 W 153/15

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Rechtsanwalt
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