Fachbeitrag 02.10.2009

Erbrechtsreform – Alles Gute im neuen Jahr?


Die Neuregelung wird am 01.01.2010 in Kraft treten. Die grundsätzliche Struktur des Erbrechts wird bestehen bleiben, schließlich hat dies in den letzten 100 Jahren größtenteils wunderbar funktioniert. Allerdings erzwingt die sich ständig bewegende Gesellschaft auch eine Änderung der seit mehr als 100 Jahren bestehenden Regeln. Es wird insbesondere auf neue Entwicklungen in der Gesellschaft Rücksicht genommen.

Mit der Reform wird das Pflichtteilsrecht aber nicht abgeschafft. Eine Mindestbeteiligung der Kinder am Nachlass der Eltern bleibt erhalten.

Die Änderungen im Blick:

1. Modernisierung der Pflichtteilsentziehungsgründe

2. Pflichtteilsrecht und Stundung

3. Pflichtteilsergänzungsanspruch

4. Erbausgleich bei Pflegeleistungen

5. Anpassung der Verjährungsfristen

Die Änderungen im Einzelnen:

1. Im Einzelnen werden die Pflichtteilsentziehungsgründe modernisiert und den geänderten Wertvorstellungen, also dem aktuellen Zeitgeist angepasst.

Weiterhin werden die Gründe geändert, aus denen ein Erblasser den Pflichtteil entziehen kann. Hier wird daher insbesondere die Testierfreiheit gestärkt, damit jeder Einzelne sein Vermögen auch tatsächlich nach seinen Vorstellungen verteilen kann.

Die Entziehungsgründe sollen vereinheitlicht werden, indem sie künftig für Abkömmlinge, Eltern und Ehegatten oder Lebenspartner gleichermaßen Anwendung finden. Bislang gelten insoweit Unterschiede.

Darüber hinaus sollen künftig alle Personen geschützt werden, die dem Erblasser ähnlich wie ein Ehegatte, Lebenspartner oder Kind nahe stehen, z. B. auch Stief- und Pflegekinder. Eine Pflichtteilsentziehung soll auch dann möglich sein, wenn der Pflichtteilsberechtigte diesen Personen nach dem Leben trachtet oder ihnen gegenüber sonst eine schwere Straftat begeht.

Nach derzeitiger Gesetzeslage ist dies nur bei entsprechenden Vorfällen gegenüber einem viel engeren Personenkreis möglich.

Der Entziehungsgrund des „ehrlosen und unsittlichen Lebenswandels” soll nunmehr entfallen. Dieser gilt nach der aktuellen Gesetzeslage nur für Abkömmlinge, nicht aber für die Entziehung des Pflichtteils von Eltern und Ehegatten. Zum anderen hat sich dieser Grund als zu unbestimmt erwiesen.

Anstatt des Grundes des „ehrlosen und unsittlichen Lebenswandels” soll künftig eine rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung zur Entziehung des Pflichtteils berechtigen. Zusätzlich dazu muss es dem Erblasser unzumutbar sein, dem Verurteilten seinen Pflichtteil zu belassen. Gleiches soll bei Straftaten gelten, die im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen wurden.

Es wird also insbesondere auf die Unzumutbarkeit der Überlassung eines Pflichtteils ankommen. Dies lässt viel Spielraum für die Ausgestaltung von Pflichtteilsversagungsgründen.

2. Weiterhin werden die Gründe für eine Stundung der Pflichtteilsverpflichtung erweitert.

Mit der Reform wird in erster Linie denjenigen Erben geholfen, deren Erbe aus einem Vermögensgegenstand besteht und die einen Pflichtteilsberechtigten auszahlen müssen. Damit der Erbe in einer solchen Situation nicht verkaufen muss, um den Pflichtteilsanspruch erfüllen zu können, wird die gesetzliche Stundungsmöglichkeit künftig auf alle Erben erweitert.

Ab dem 01.01.2010 wird hier also verbessert für den pflichtteilsverpflichteten Erben die Möglichkeit der Stundung geregelt.

Besteht das Vermögen des Erblassers im Wesentlichen z.B. aus einem Eigenheim oder einem Unternehmen, müssen die Erben diese Vermögenswerte oft nach dem Tod des Erblassers verkaufen, um den Pflichtteil auszahlen zu können. Eine Lösung bietet hier die bereits nach aktueller Rechtslage geltende Stundungsregelung, die jedoch derzeit eng ausgestaltet und nur dem pflichtteilsberechtigten Erben eröffnet ist.

Die Reform ändert hier den Zugang zu der Stundung. Nunmehr soll in Zukunft die Stundung unter erleichterten Voraussetzungen und für jeden Erben durchsetzbar sein.

3. Auch am Pflichtteilsergänzungsanspruch geht die Reform nicht spurlos vorbei.

Es sollen nach dem Willen des Gesetzgebers nunmehr (also ab dem 01.01.2010) sogenannte gleitende Ausschlussfristen gelten.

Nach der aktuelle geltenden Gesetzeslage können Schenkungen des Erblassers zu einem Anspruch auf Ergänzung des Pflichtteils gegen den Erben oder den Beschenkten führen.

Durch diesen Anspruch wird der Pflichtteilsberechtigte so gestellt, als ob die Schenkung nicht erfolgt ist und damit das Vermögen des Erblassers durch die Schenkung nicht verringert worden wäre. Die Schenkung wird nach der aktuell geltenden Rechtslage in voller Höhe berücksichtigt. Hier gilt bisher die sogenannte 10-Jahres-Frist. Sind also seit der Schenkung mindestens 10 Jahre verstrichen, bleibt die Schenkung unberücksichtigt.

Die Reform sieht nun mit ihren Änderungen vor, dass die Schenkung für die Berechnung des Ergänzungsanspruchs prozentual der Zeit, die sie zurückliegt, immer weniger Berücksichtigung findet.

Eine Schenkung im ersten Jahr vor dem Erbfall wird in Zukunft voll in die Berechnung einbezogen, also zu 100 %.; im zweiten Jahr dann nur noch zu 90 %, im dritten Jahr dann nur noch zu 80 %, usw. Damit wird sowohl dem Erben als auch dem Beschenkten mehr Planungssicherheit eingeräumt.

4. Weiterhin und ganz besonders interessant und wichtig für Menschen, die nahe Angehörige zu Haus pflegen, ist die Reformierung des Erbausgleichs bei Pflegeleistungen.

Die Reform hilft also insbesondere den Menschen, die nahe Angehörige im häuslichen Umfeld betreuen und pflegen. In Zukunft werden solche Pflegeleistungen im Erbrecht auch dann berücksichtigt, wenn der Abkömmling dafür nicht auf eigenes Einkommen verzichtet. Bisher war dies die gängige rechtliche Praxis und eine Reformierung zwingend erforderlich.

Nach der aktuell geltenden Rechtslage geht der pflegende Angehörige oftmals leer aus, wenn der Erblasser in seinem Testament keine entsprechende Ausgleichsregelung getroffen hat. Ausgleichsansprüche gibt es bisher nur für einen Abkömmling, der unter Verzicht auf berufliches Einkommen den Erblasser über längere Zeit gepflegt hat.

Ab dem 01.01.2010 soll der Anspruch unabhängig davon sein, ob für die Pflegeleistungen auf ein eigenes berufliches Einkommen verzichtet wurde. Insoweit ist dies also eine deutliche Verbesserung im Vergleich zur alten Regelung.

5. Weiterhin wurde die Verjährung von Ansprüchen des Familien- und Erbrechts überarbeitet.

Hier werden die speziellen Verjährungsvorschriften an die Reform der Verjährungsvorschriften des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes von 2001 angepasst.

Danach ist eine Regelverjährung von drei Jahren gegeben. Dagegen unterliegen die familien- und erbrechtlichen Ansprüche nach der aktuell geltenden Rechtslage immer einer Sonderverjährung von 30 Jahren, von denen das Gesetz aber zahlreiche Ausnahmen macht.

Bisher hat diese Verjährungsproblematik oft zu Wertungswidersprüchen in der Praxis geführt und entsprechende Schwierigkeiten bei der Abwicklung der betroffenen Rechtsverhältnisse bereitet.

Die Verjährung familien- und erbrechtlicher Ansprüche wird daher der Regelverjährung von 3 Jahren angepasst. Dort, wo es sinnvoll ist, bleibt jedoch auch die lange Verjährung erhalten.

Informieren Sie sich bei Ihrem Rechtsanwalt über das neue Erbrecht ab dem 01.01.2010. Der Gang zum Anwalt lohnt sich.

02.10.2009

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Rechtsanwalt
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