Zum besseren Verständnis sei der Text des § 16 Abs. 1 und Abs. 2 vorweg angeführt:
„Buchauszug und Büchereinsicht:
(1) Der Handelsvertreter kann vom Unternehmer zur Nachprüfung des Betrages der ihm zustehenden Provision einen Buchauszug sowie alle Auskünfte verlangen.
(2) Wenn der Handelsvertreter glaubhaft macht, dass der Buchauszug unrichtig oder unvollständig ist oder dass ihm die Mitteilung eines Buchauszugs verweigert wurde, kann er, auch vor dem Prozess, bei dem Bezirksgericht, in dessen Sprengel sich die Handelsbücher befinden, deren Vorlage beantragen; zugleich kann er auch beantragen, dem Unternehmer ergänzende Auskünfte aufzutragen, die eine vollständige Berechnung des dem Handelsvertreter zustehenden Anspruchs ermöglichen.“
Das Recht des Handelsvertreters auf Erhalt eines Buchauszugs vom Unternehmer stellt, dies sei einleitend vorangestellt, eine starke Waffe in Händen des Handelsvertreters dar. Während aufrechten Vertrages wird der Handelsvertreter wohl eher selten von diesem Recht Gebrauch machen um nicht eine zur Vertragsbeendigung führende Verstimmung des Unternehmers zu riskieren.
Wenn allerdings das Vertragsverhältnis bereits, aus welchen Gründen immer, gestört ist und insbesondere nach Beendigung desselben, stellt das Recht auf Erhalt eines Buchauszuges einen praktischen und wichtigen Rechtsbehelf dar.
Im Stadium vor Vertragsbeendigung und allenfalls auch zur Vorbereitung derselben durch den Handelsvertreter, kann die Forderung nach einem Buchauszug u. U. bei Verweigerung desselben innerhalb angemessener Frist dazu verwendet werden, um aus beim Unternehmer liegenden Gründen das Vertragsverhältnis zu beenden und dennoch den Anspruch auf Ausgleichszahlung im Sinne des § 24 des Handelsvertretergesetzes aufrecht zu erhalten.
Nach Beendigung des Vertrages ist der Buchauszug ein unverzichtbares Hilfsmittel für den Handelsvertreter. Der Buchauszug stellt ein Werkzeug des Handelsvertreters dar seine Ansprüche auf Provisionszahlung und Provisionsabrechnung zu überprüfen. Bloß zum Zweck die Höhe des Ausgleichsanspruchs zu berechnen, kann der Buchauszug nicht gefordert werden, dieser Fall ist jedoch in der Praxis zu vernachlässigen.
Der Inhalt des Buchauszugs wird vom Verfasser dieses Artikels gegenüber den Unternehmern unter Berücksichtigung von Rechtsprechung und Lehre wie folgt gefordert:
1) Name und Anschrift des Kunden,
2) Kundennummer,
3) Datum der Auftragserteilung,
4) Umfang des erteilten Auftrages, Warenspezifikation, Warenmengen,
5) Datum der Auftragsbestätigung,
6) Datum der Lieferung,
7) Umfang der Lieferung, Teillieferung, vollständige Lieferung,
8) Datum der Rechnung,
9) Rechnungsbeträge,
10) Datum der Zahlung,
11) Höhe der bezahlten Beträge,
12) Angabe der Annullierungen und Retouren mit Angabe der jeweiligen Gründe hiefür,
13) Gutschriften sowie Angabe der Gründe hiefür,
14) Datum der vollständigen Abwicklung,
15) Auslieferungs-/Fehlbestand,
16) Grund für den Fehlbestand,
17) Wert des Fehlbestandes,
18) Provisionssatz,
19) Höhe der ausbezahlten Provisionen;
Bereits dieser detaillierte Inhalt zeigt welch wirksames Druckmittel der Buchauszug für den Handelsvertreter darstellt, da es im Regelfall für den Unternehmer nur sehr schwer möglich ist diesen Anforderungen gerecht zu werden.
In zeitlicher Hinsicht hat sich der Buchauszug grundsätzlich auf den Rahmen der Verjährungsfrist zu beschränken, also auf den Zeitraum von 3 Jahren ab Ende des Jahres der Abrechnung oder 3 Jahre ab Ende des Jahres der Vertragsbeendigung für nicht abgerechnete Ansprüche. Der Buchauszug hat im Regelfall „bis dato“ zu lauten, also auch über das Ende des Vertrages hinaus Angaben zu enthalten, dies deshalb weil ja die Problematik der so genannten Nachhanggeschäfte zu beachten ist, also Geschäfte die vom Handelsvertreter noch vor Vertragsbeendigung eingeleitet wurden.
Die Herausgabe des Buchauszuges an den Handelsvertreter ist eine unabdingbare Verpflichtung des Unternehmers und kann im Vorhinein auch nicht durch entgegenstehende vertragliche Vereinbarungen beseitigt werden, weil es sich beim § 16 Abs 1 und 2 um eine so genannte zwingende Gesetzesbestimmung handelt auf die im Vorhinein wirksam nicht verzichtet werden kann. Selbst für den Fall, dass im Handelsvertretervertrag ein derartiger schriftlicher Verzicht enthalten ist und vom Handelsvertreter unterschrieben wurde, so ist dieser Verzicht unwirksam.
Der Unternehmer kann sich gegen das Begehren des Handelsvertreters auf Ausfolgung eines Buchauszuges auch nicht dadurch zu Wehr setzen dass er darauf hinweist, er hätte ohnedies immer die Provisionen abgerechnet und habe der Handelsvertreter dagegen keinen Einwand erhoben.
In diesem Zusammenhang muss auch darauf aufmerksam gemacht werden, dass mitunter in Handelsvertreterverträgen enthaltene Passagen dahingehend, dass der Handelsvertreter wenn er nicht binnen bestimmter Fristen gegen die Provisionsabrechnungen Einspruch erhebt, diese ausdrücklich anerkennt etc. ebenfalls in Bezug auf den Buchauszug unwirksam sind. Auch der Einwand des Unternehmers, der Handelsvertreter habe während aufrechten Vertrages Zugang zu einem elektronischen Agentur-Abrechnungssystem gehabt, entbindet den Unternehmer nicht von seiner Verpflichtung.
Der Unternehmer kann sich auch nicht darauf berufen, dass seiner Meinung nach bestimmte Geschäfte, nicht provisionspflichtig seien. Dies befreit ihn nicht von der Verpflichtung, diese Geschäfte ebenfalls in den Buchauszug aufzunehmen. Die oberstgerichtliche Rechtsprechung steht hier auf dem Standpunkt, dass insbesondere auch und ganz besonders Geschäfte bei denen zweifelhaft ist ob hier ein Provisionsanspruch besteht, ebenfalls in den Buchauszug aufzunehmen sind.
Nur wenn von vorne herein ganz klar ist, dass für bestimmte Geschäfte kein Provisionsanspruch besteht, können diese vom Buchauszug ausgenommen werden.
Festzuhalten ist dass der zu übermittelnde Buchauszug leicht und problemlos für den Handelsvertreter lesbar sein muss, d. h. dass er zum einem übersichtlich und chronologisch geordnet sein muss und dass aus dem Buchauszug selbst alle notwendigen Angaben die zur Berechnung der Provisionsansprüche des Handelsvertreters erforderlich sind, zu entnehmen sein müssen. Der Verweis auf irgendwelche andere Quellen oder beiliegende Urkunden ist nicht statthaft.
Der Handelsvertreter muss sich nicht aus irgendwelchen Beilagen, Rechnungskopien etc. seine Provisionsansprüche ausrechnen.
Von wesentlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem Buchauszug ist auch die hier ebenfalls zum besseren Verständnis abgedruckte Bestimmung des § 9 Abs. 2 und 3 des Handelsvertretergesetzes, bei welcher es sich ebenfalls um eine zwingende Bestimmung handelt.
„Entstehung des Provisionsanspruchs:
(2) Der Anspruch auf Provision entsteht spätestens, wenn der Dritte seinen Teil des Geschäfts ausgeführt hat oder ausgeführt haben müsste, hätte der Unternehmer seinen Teil des Geschäfts ausgeführt.
(3) Der Anspruch auf Provision entfällt, wenn und soweit feststeht, dass der Vertrag zwischen dem Dritten und dem Unternehmer nicht ausgeführt wird, und dies nicht auf Umständen beruht, die vom Unternehmer zu vertreten sind. Bei Zahlungsverzug des Dritten hat aber der Unternehmer nachzuweisen, alle zumutbaren Schritte unternommen zu haben, um den Dritten zur Leistung zu veranlassen.“
Entgegen der von nahezu allen Unternehmern geübten Praxis im Falle von Teilauslieferungen, Nichtauslieferungen, Retouren etc. wonach dem Handelsvertreter keine Provision ausbezahlt bzw. bereits gebuchte oder ausbezahlte Provisionen, insbesondere im Fall von Gutschriften gegenüber dem Kunden wiederum abgezogen werden, besteht, was viele Handelsvertreter nicht wissen, ihr Provisionsanspruch aufgrund der oben abgedruckten Gesetzesbestimmung dennoch.
D. h., in den Fällen, in denen der Handelsvertreter einen Auftrag vermittelt hat und der Unternehmer wegen mangelnder Lagerkapazität und ähnlichen Gründen nur einen Teil ausliefert, bleibt der Anspruch auf die volle Provision erhalten.
Dies betrifft auch Fälle von Warenrücknahmen wegen Mängel der gelieferten Artikel, nachfolgender Gutschriften oder auch Fälle von verspäteten Lieferungen welche vom Kunden zurückgewiesen werden etc.
All diese Vorgänge müssen im Buchauszug Ihren Niederschlag finden und befähigen den Handelsvertreter, die in diesem Zusammenhang vorenthaltenen Provisionen nachträglich zu fordern.
Wenn es nach Beendigung des Vertrages nicht zu einer Einigung zwischen dem Handelsvertreter und dem Unternehmer über die geschuldeten Provisionen und in Verbindung damit auch über den Ausgleichsanspruch gekommen ist, wird bei der nunmehr notwenigen Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe in Form einer so genannten Stufenklage zweckmäßigerweise und kostensparend vorgegangen.
In ihrer reinsten Form besteht die Stufenklage primär in der gerichtlichen Geltendmachung des Buchauszugs mit allen oben angeführten 19 Punkten, und sodann erst im Wege des Stufenbegehrens auf Zahlung vorenthaltener Provisionen und ggf., wenn die Voraussetzungen vorliegen, auf Zahlung des Ausgleichsanspruchs. Die Ansprüche werden der Höhe nach zunächst noch nicht beziffert.
Diese so genannte Stufenklage hat den Vorteil, dass sie nur mit einem minimalen Prozess- und damit Kostenrisiko behaftet ist und insbesondere in den Fällen zur Anwendung kommen kann, in denen zugunsten des Handelsvertreters eine Rechtsschutzversicherung nicht vorhanden ist.
Wenn der Unternehmer dann – aus welchen Gründen immer – trotz Klage nicht einen ordnungsgemäßen Buchauszug übermittelt, wird das Gericht im Regelfall mit einem so genannten Teilzwischenurteil vorgehen und den Unternehmer verpflichten binnen 14 Tagen den Buchauszug bei sonstiger Exekution an den Klagsanwalt zu übermitteln.
Nach Rechtskraft dieses Urteils und Ablauf der 14-tätigen Leistungsfrist kann dann im Exekutionswege mit so genannten Beugestrafen gegen den Unternehmer vorgegangen werden. Diese Beugestrafen werden, ausgehend von einer ersten Strafe in Höhe von z.B. € 1.000,00, 14-tägig mit jeweils gesteigerten Beträgen über den Unternehmer verhängt. Die Geldstrafen werden von der Republik Österreich zugunsten sozialer Projekte exekutiv eingetrieben.
Wenn der Unternehmer in dieser Situation noch immer nicht in der Lage oder willens ist den Buchauszug zu erstellen, so wird er sich zwangsläufig mit der Bitte um eine angemessene vergleichsweise Regelung an den Handelsvertreter bzw. dessen Rechtsvertreter wenden.
In den Fällen, in denen seitens des Unternehmers zwar ein Buchauszug vorgelegt wird, jedoch glaubhaft gemacht werden kann, dass dieser unvollständig oder unrichtig ist, besteht gemäß § 16 Abs. 2 des Handelsvertretergesetzes ein weiteres sekundäres Hilfsmittel in Form der so genannten Büchereinsicht. Diese Büchereinsicht kann unter Beiziehung eines Buchsachverständigen sodann direkt in die Buchhaltung des Unternehmers erfolgen um auf diesem Wegen die Provisionsansprüche des Handelsvertreters festzustellen, eine für den Unternehmer sehr unangenehme Vorgangsweise.
Diese Möglichkeit des Handelsvertreters wird allerdings in der Praxis außerordentlich selten angewendet da im Regelfall das Hilfsmittel des Buchauszuges ausreichend ist.