Regress der Haftpflicht – Häufig übersehene Rechtsfolge
“Volkssport Abhauen“ – so wird der Tatbestand der Verkehrsunfallflucht (§ 142 StGB) manchmal bezeichnet. Tatsächlich ist das “Unerlaubte Entfernen vom Unfallort” ein Massendelikt, das quer durch alle Bevölkerungsschichten begangen wird. Ein Fehler beim Einparken, es knirscht, ein Kratzer am anderen Auto, und sofort setzt der Fluchtreflex ein. Später, mit kühlem Kopf, ist der Täter häufig über sich selbst überrascht. “Ich war in Schock” ist eine Erklärung, die man als Anwalt im Verkehrsstrafrecht häufig hört. Doch das Gesetz nimmt darauf keine Rücksicht. § 142 Abs. 4 StGB, häufig als 24-Stunden-Regelung bezeichnet, ist gesetzgeberisch so missglückt, dass Anwälte ihren Mandanten eher abraten, sich nach einer Unfallflucht selbst zu stellen, um Straffreiheit oder Strafmilderung zu erlangen.
Als Beschuldigter einer Verkehrsunfallflucht muss man im Falle einer Verurteilung mit gravierenden Konsequenzen rechnen: Geldstrafe, Fahrverbot oder sogar Entziehung der Fahrerlaubnis können die unmittelbaren Folgen eines Strafbefehls sein, mindestens zwei Punkte im Fahreignungsregister, ein Eintrag im Bundeszentralregister und unter Umständen sogar eine Vorstrafe im Führungszeugnis sind die mittelbaren Folgen. Neben diesen Folgen wird der Regress der Haftpflicht nach einer Unfallflucht häufig vergessen. Einige Monate nach Abschluss des Strafverfahrens meldet sich die Versicherung und fordert den gezahlten Schadensersatz zurück. In vielen Fällen der Unfallflucht bedeutet das, dass man praktisch rückwirkend den Versicherungsschutz verliert.
Regress und Schadensfreiheitsklasse
Wenn die Kfz-Haftpflichtversicherung den Schaden reguliert hat und der Schadensfall abgeschlossen ist, wird man bekanntlich zum nächsten Vertragsjahr zurückgestuft. War man beispielsweise in der SF-Klasse 28 und hat einen Unfall verursacht, ist man im Folgejahr in der SF-Klasse 14. Lange Rede: Es wird teurer. Wenn die Versicherung nach einer Verkehrsunfallflucht erst zurückstuft und später Regress fordert, stellt sich die Frage, ob das rechtmäßig ist. Denn es scheint ja so, als würde sich die Versicherung den regulierten Schaden doppelt zurückholen – ein Mal über die höheren Prämien und ein weiteres Mal über den Regress.
Die Gerichte sehen das allerdings anders. Selbst dann, wenn der Versicherungsnehmer im Rahmen des Regresses den gesamten Schaden selbst reguliert hat, kann er nicht verlangen, dass eine Rückstufung seines Vertrages in eine schlechtere Schadensfreiheitsklasse unterbleibt (LG Dortmund, Urteil vom 24.05.2007 – 2 S 43/06). Die Höherstufung bzw. Rückstufung nach einem Schadensfall und die Regressmöglichkeit des Versicherers bei einer Obliegenheitsverletzung stehen unabhängig nebeneinander. Deshalb schließt die Rückstufung einen Regressanspruch des Versicherers nicht aus (vgl. AG Hamburg, Urteil vom 13.07.2015 – 35a C 487/14; AG Krefeld, Urteil vom 23.11.2011, 7 C 208/11; AG Potsdam, Urteil vom 4.5.2007, 33 C 228/06). Sinn der Rückstufung sei es, unter anderem den Aufwand des Versicherers bei der Abwicklung des Schadensfalls aufzufangen. Der Regressanspruch hingegen folge hingegen aus der Leistungsfreiheit des Versicherers wegen der Verletzung der vertraglichen Obliegenheiten. Man kann die Rechtsprechung also zusammenfassen: Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.
Tipps zum Vorgehen
Viele werden diesen Beitrag erst lesen, wenn das Strafverfahren wegen Verkehrsunfallflucht schon rechtskräftig abgeschlossen ist. Der Ratschlag, bereits im Ermittlungsverfahren zu versuchen, die Verurteilung bzw. den Strafbefehl wegen Verkehrsunfallflucht zu vermeiden, kommt deshalb zu spät. Sollte Ihr Verfahren aber noch nicht abgeschlossen sein: Häufig kann auch eine Einstellung gegen Geldauflage erreicht werden, selbst wenn die Beweislage gegen den Beschuldigten spricht. Mit so einer Einstellung lassen sich Regressforderungen der Versicherung besser abwehren.
Wenn die Regressforderung noch nicht ausgeglichen oder anerkannt ist, sollte man unbedingt prüfen, ob die Forderung nicht abgewehrt werden kann. Selbst wenn die Verkehrsunfallflucht rechtskräftig abgeurteilt wurde, kann in vielen Fällen der sogenannte “Kausalitätsgegenbeweis” geführt werden. Die Versicherung kann dann keinen Regress fordern. Dann bleibt “nur” die Rückstufung.
Wenn Sie einen Verteidiger wegen einer Verkehrsunfallflucht suchen oder sich mit einer Regressforderung konfrontiert sehen – melden Sie sich bei mir. Gerne gebe ich Ihnen eine erste Einschätzung Ihrer Sache.
Mit freundlichen Grüßen aus Berlin
Albrecht Popken
Ihr Fachanwalt für Strafrecht
https://strafverteidiger-berlin.info