Der französische Architektenvertrag
(12. September 2008)
I.) Vergabeverfahren
Bei der Vergabe öffentlicher Architektenleistungen ist zwischen Aufträgen unterhalb der Schwellenwerten und Aufträgen überhalb der Schwellenwerte zu unterscheiden.
1.) Aufträge unterhalb der Schwellenwerte
Unterhalb der Schwellenwerte von 137.000, – Euro bei Staatsaufträgen oder 211.000,- Euro bei Aufträgen der territorialen Gebietskörperschaften kann bei Architektenaufträgen das angepasste Verfahren („procédure adaptée“) angewendet werden. Bei der Berechnung der Schwellenwerte ist nicht die Auftragshöhe der später zu erbringenden Bauleistungen maßgeblich, sondern das Gehalt des Architekten.
Bei dem angepassten Vergabeverfahren handelt es sich um kein in dem CMP geregeltes und formalisiertes Vergabeverfahren. Vielmehr muss hier der jeweilige öffentliche Auftraggeber selbst ein Auswahlverfahren im Vorfeld bestimmen, welches er während des Vergabeverfahrens anwenden möchte. Der öffentliche Auftraggeber wählt im angepassten Verfahren deshalb grundsätzlich die Art der Bekanntmachung und auch die weitere Durchführung des Vergabeverfahrens unter Beachtung der Vergaberechtsprinzipien in voller Eigenverantwortung selbst aus. Er kann aber auch alternativ ein in dem CMP („Code des marchés publics“) genanntes formalisiertes Vergabeverfahren anwenden. Das einzuhaltende selbstbestimmte Vergabeverfahren, das der öffentliche Auftraggeber festsetzt, muss den potentiellen Architekten zu Beginn der Ausschreibung bekannt sein.
Die Möglichkeit, selbst das einzuhaltende Vergabeverfahren als ausschreibende Stelle zu bestimmen, entbindet auch keineswegs von der Einhaltung der Vergaberechtsprinzipien („principes généraux“) des Art. 1 CMP. Das wurde auch durch den EuGH bereits entschieden. Mit einem neueren Urteil hat der EuGH endgültig klargestellt, dass die öffentliche Hand keinerlei Auftragsvergabe „rechtsfrei“ vornehmen kann. Daher hat auch bei dem angepassten Verfahren der öffentliche Auftraggeber ein Minimum an Regelungen zu treffen („contenu de procédure“), damit die Vergaberechtsprinzipien, vor allem das Transparenzgebot, eingehalten werden können. Hinsichtlich der einzuhaltenden Fristen muss die ausschreibende Vergabestelle mangels Regelungen im CMP den Architekten zumindest ausreichend Zeit („délai suffisant“) zur Einreichung der Angebote einräumen. Sollte sie zu kurz bemessen sein, würde dies einen Verstoß gegen die Vergaberechtsgrundsätze des Transparenz- und Gleichheitsgebots bedeuten, die auch unterhalb der Schwellenwerte Anwendung finden und könnte daher zur Nichtigkeit des Vergabeverfahrens führen. Eine Verkürzung der im CMP für die formalisierten Vergabeverfahren vorgesehenen Fristen ist aber zumindest in Eilfällen oder aber auch bei Vorliegen einer fakultativ durchgeführten Vorinformation möglich. Ferner hat der öffentliche Auftraggeber den Architektenauftrag öffentlich auszuschreiben, wobei es ihm obliegt, wie er ausschreiben möchte. Welcher Grad der Öffentlichkeit erforderlich ist, muss nach sachgerechter Marktanalyse vom öffentlichen Auftraggeber entschieden werden. Als Veröffentlichungsform kommt eine Bekanntmachung in der Presse, durch Aushängung am Bürgermeisteramt oder durch Internet in Betracht. Von der zweiten Alternative ist abzuraten, da sie den lokal ansässigen Architekten eine erleichterte Kenntnis gegenüber anderen Architekten ermöglicht.
Ab Erreichen eines Auftragswertes von 90.000,- Euro muss selbstverständlich – wie bei den übrigen französischen Vergabeverfahren – eine Veröffentlichung im BOAMP oder im JAL erfolgen. Bei Aufträgen, bei denen Kunstwerke an öffentlichen Gebäuden ausgeschrieben werden sollen, kann das Vergabeverfahren ab Erreichen eines Schwellenwertes von 10.000,- Euro unter Einhaltung der Minimalvoraussetzungen erfolgen. Wie bei den übrigen formalisierten Vergabeverfahren kann die Vergabestelle auch im Hinblick auf eine schnellere und effizientere Vergabe das Vergabeverfahren im Internet ausschreiben und den interessierten Bietern die auszufüllenden Formulare auf diesem Wege zukommen lassen („voie dématérialisé“). Die interessierten Architekten können dann via Internet ihre Bewerbungen („dépôt des candidatures“) und Angebote („offres“) abgeben. Der Architekt, der das wirtschaftlich günstigste Angebot abgegeben hat, erhält den Auftrag. Wird ein angepasstes Vergabeverfahren durchgeführt, obwohl der im CMP bestimmte Auftragswert die Schwellenwerte überschreitet und somit der Concours (s.u.) einzuhalten gewesen wäre, begeht nicht nur einen Vergaberechtsverstoß mit der Folge der Nichtigkeit des Architektenvertrages, sondern verstößt auch gegen Art. 313-4 des Code des juridictions financières, womit der öffentliche Auftraggeber auch zu Geldstrafen („peines d’amendes“) verurteilt werden kann.
Alle Architekten, die einen Planentwurf abgegeben haben, haben Anspruch auf eine Prämie, deren Höhe in der Bekanntmachung genannt ist.
2.) Aufträge überhalb der Schwellenwerte
Überhalb der oben genannten Schwellenwerte ist bei Ausschreibungen von Architektenleistungen zwingend das beschränkte Auswahlverfahren („concours“) anzuwenden, bei dem der öffentliche Auftraggeber den Architekten in einem tatsächlichen Wettbewerbsverfahren auswählt. Das Auswahlverfahren ist ein Auslobungsverfahren, das dazu dient, für den öffentlichen Auftraggeber einen Planentwurf zu entwerfen, dessen Auswahl durch eine Jury aufgrund vergleichender Beurteilung mit oder ohne Verteilung von Preisen erfolgt. Dieses Vergabeverfahren findet vor allem statt bei Raumordnungsvorhaben („aménagement du territoire“), bei Städteplanungen („urbanisme“) und bei Architekten- und Ingenieurleistungen („architecture et de l’ingénierie“). Bei Renovierungsarbeiten, bei Bauten im Forschungsbereich, bei Arbeiten ohne Konzeptionsleistung und bei Infrastrukturprojekten muss ab Erreichen der Schwellenwerte nicht zwingend das beschränkte Auswahlverfahren von den öffentlichen Auftraggebern angewendet werden. Der öffentliche Auftraggeber kann in diesen Fällen auch ein offenes und/oder beschränktes Vergabeverfahren oder in Ausnahmefällen sogar ein Verhandlungsverfahren mit Vergabebekanntmachung und Wettbewerb anwenden.
Im beschränkten Auswahlverfahren enthält die Bewerbung nur die Leistungsvoraussetzungen. Die Bewerbungsfristen bei dem beschränkten Auswahlverfahren sind deckungsgleich mit den Fristen bei dem beschränkten Verfahren. Nach der Vergabebekanntmachung und der Empfangnahme der Bewerbungen und Entwürfe untersucht eine Jury (Mitglieder der Vergabekommission, maximal fünf Spezialisten und eventuell ein Finanzbeamter) zunächst die Eignung der Bewerber, erstellt sodann ein Protokoll („procès-verbal“) und gibt eine begründete Stellungnahme („avis motivé“) ab. Alle Mitglieder haben volles Stimmrecht. Der öffentliche Auftraggeber trifft sodann anhand dieser Entscheidung zunächst eine Vorauswahl. Die nicht berücksichtigten Architekten werden von ihrem Ausschluss informiert. Ihr Planungsentwurf und ihr Angebot werden nicht geöffnet. Anschließend untersucht die Jury die eingereichten Planungsentwürfe und erstellt eine Rangliste der Kandidaten mit entsprechenden begründeten Stellungnahmen. Sie hat hierbei den bei der Vergabebekanntmachung genannten Bewertungsspiegel anzuwenden. Sodann wird ein abschließendes Protokoll erstellt. Die Erstellung der Rangliste erfolgt unter Ausschluss der Öffentlichkeit, wenn der Auftragswert die einschlägigen Schwellenwerte überschreitet. Die Stellungnahme wird von allen Jurymitgliedern unterschrieben und dem öffentlichen Auftraggeber übergeben. Die Stellungnahme der Jury ist für den öffentlichen Auftraggeber unverbindlich. Der öffentliche Auftraggeber verhandelt anschließend mit den Architekten und trifft unter der Beachtung der von der Jury erstellten Liste eine Entscheidung über den Zuschlag.
Indem Frankreich die Aufgabe der Baubetreuung zunächst in Art. 4 des MOP Gesetzes abschließend aufgezählten Kategorien von juristischen Personen französischen Rechts vorbehalten hat, hatte es hiermit gegen ihre Verpflichtungen aus der EWGRichtl 1992/50 verstoßen und wurde am 20. Oktober 2005 von dem EuGH verurteilt, da die Aufgabe der Baubetreuung nicht den in einer abschließenden Liste aufgeführten juristischen Personen eines bestimmten Staates vorbehalten bleiben darf. Der Artikel 4 des MOP Gesetzes wurde inzwischen dieser Rechtsprechung angepasst, womit die französische Baubetreuung nun allen europäischen Dienstleistern offen steht.
Bereits bei der Vergabebekanntmachung ist die Prämie für die Teilnahme bekanntzumachen. Diese Prämie wird bei erfolgreicher Teilnahme am Auswahlverfahren auf den Lohn angerechnet.
Die klassische Zweiteilung zwischen der Ausarbeitung („conception“) der Pläne und der Kontrolle („contrôle“) der Ausführung einerseits und der eigentlichen Bautätigkeit andererseits wird in der Praxis nicht immer eingehalten. Bei öffentlichen Aufträgen sind diese Arbeiten sodann im Planungsumsetzungsverfahren („procédure de conception-réalisation“) auszuschreiben. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass aufgrund technischer Schwierigkeiten eine einheitliche Ausschreibung erfolgen muss.
II.) Vertragsausführung
Der französische Bauleiter („maître d’oeuvre“) hat die Aufgabe, die Bauarbeiten zu koordinieren und zu kontrollieren. Diese Aufgabe wird in der Regel von den Architekten durchgeführt. Die französischen Architekten sind seit 1940 in einen Berufsverband eingetragen und unterliegen verbindlichen Standesregeln. Der französische Architekt hat neben der klassischen Bauleitung auch das Recht, als Makler tätig zu werden (z.B. Immobilienverkäufe durchzuführen). Ein Monopolrecht für architektonische Leistungen besteht in Frankreich nicht. So kann beispielsweise ein Architekt jederzeit einen Teil der Bauleitung an einen Subunternehmer vergeben. Die Bauleitung kann auch von anderen Berufsständen ausgeführt werden (z.B. Technischen Büros). In Frankreich sind zurzeit ca. 30.000 Architekten in der Architektenkammer eingetragen (ca. 16.000 Architekturbüros).
1.) Der Architektenvertrag („la conclusion du contrat d’architecte“)
In Frankreich war lange Zeit streitig, ob es sich bei dem Architektenvertrag um einen Vertrag mit zwingender Vertretungsbefugnis für den Bauherrn („mandat“) oder nur um einen normalen Werkvertrag („louage d’ouvrage“) handelte. Diese Unsicherheiten wurden durch die französische Rechtsprechung 1963 im Sinne der letzteren Alternative entschieden. Der Architektenvertrag ist somit ein Werkvertrag im Sinne des Art. 1779 Code Civil. Dies schließt hingegen eine Vertretungsbefugnis des Architekten für den Bauherrn nicht aus, wenn diese vertraglich ausdrücklich vereinbart worden ist („un tel mandat doit être exprès“).
Bei der Schließung eines Architektenvertrages ist zu unterscheiden zwischen den Architektenverträgen im privaten Bereich und den Architektenverträgen im öffentlichen Bereich (d.h. bei Ausschreibungen).
Im Privatbereich wird der Vertrag zwischen dem privaten Bauherrn und dem Architekten geschlossen. In dem Vertrag sind aus standesrechtlichen Gründen alle Architektenaufgaben zu erwähnen. Der Architektenvertrag sollte schriftlich erfolgen und von beiden Seiten unterzeichnet werden. Die französischen Gerichte gehen hingegen bereits von einer vertraglichen gegenseitigen Vereinbarung zwischen den Parteien aus, wenn aus den Umständen zu schließen ist, dass der Architekt mit den Bauausführungen beauftragt worden ist (z.B. der Architekt auf der Baustelle tätig wird oder bei Unterzeichnung der Baugenehmigung durch den Architekten). Die Beweislast liegt sodann beim Architekten. Bei öffentlichen Bauaufträgen sind bei Vertragsschluss zwingend mehrere Gesetze zu beachten. Viele einschlägige Einzelgesetze enthalten vor allem Regelungen hinsichtlich der Mindestleistungen bei Architektenleistungen und Voraussetzungen der Vergütung. Zu benennen sind hierbei das Gesetz MOP, die Dekrete 93-1268, 93-1269 und 93-1270 vom 29. November 1993 und die Ordonnance 2004-566 vom 17. Juni 2004. Das MOP Gesetz trifft Regelungen hinsichtlich der Übertragung von architektonischen, technischen und wirtschaftlichen Aufgaben an den Bauleiter, die grundsätzlich dem Bauherrn obliegen. Betroffen sind vorwiegend die Konzeption und die Kontrolle der Bauausführungen. Der Auftrag für Architekten und Ingenieure kann sodann von der Planung über die Baukontrolle bis hin zur Abnahme alle Bauleistungen erfassen.
2.) Architektenverpflichtungen („les obligations de l’architecte“)
Die Verpflichtungen des Architekten bestimmen sich nach dem Vertragsinhalt. Bei öffentlichen Aufträgen wird die Verpflichtung der Architekten durch das Dekret 93-1268 vom 29. November 1993 und einem Arrêté vom 21. Dezember 1993 festgelegt.
A.) Verpflichtungen des Architekten vor Baubeginn:
Vor Baubeginn muss der Architekt grundsätzlich vier Verpflichtungen einhalten: Ihn trifft zunächst eine genaue Untersuchungspflicht („études préliminaires“) bezüglich des Baugrundstückes, er hat sodann den Vorentwurf („avant-projets sommaires et définitif“) zu entwerfen, die Baugenehmigung (dossier de permis de construire“) zu beantragen und schließlich einen fertigen Planungsentwurf („projet de conception général“) den Bauherrn zu übergeben. Ferner muss er bei öffentlichen Aufträgen den Bauherrn bei der Ausschreibung der Bauleistungen unterstützen.
Der Architekt hat zunächst die Planungswünsche des Bauherrn zu würdigen und das zu bebauende Grundstück auf die technische Bebauungsmöglichkeit oder das – eventuell bereits bestehende Gebäude – auf die technische Durchführung der Baumaßnahmen zu überprüfen. Er hat auch die Nutzbarkeit des Trinkwassers zu kontrollieren. Der Architekt erstellt sodann einen ersten Vorentwurf, der die Baubeschaffenheit des Grundstückes mit einbezieht. Der Vorentwurf enthält die komplette Konzeption, die Maße und die abzuschätzenden Kosten. Wenn dieser Vorentwurf von dem Bauherrn bewilligt worden ist, hat der Architekt einen endgültigen Entwurf zu entwerfen, der die kompletten Kosten enthält. Nach der Erstellung des Entwurfes erarbeitet der Architekt die graphischen Dokumente, die für die Beantragung der Baugenehmigung notwendig sind und hilft dem Bauherrn bei der Beantragung der Baugenehmigung („permis de construire“). Wenn diesbezüglich keine vertraglichen Vereinbarungen getroffen worden sind, muss der Architekt die Baugenehmigung nicht selbst bei den Baubehörden beantragen. Auch die Beantragung von Fördermitteln ist in der Regel von dem Bauherrn selbst durchzuführen.
Auf der Grundlage des endgültigen Entwurfs und der erteilten Baugenehmigung erstellt der Architekt alle technischen Pläne in Form eines CCTP („cahier des clause techniques particulières“) und die CCAP („cahier des clause administratif particulières“), die mit dem Planentwurf die Vergabeunterlagen („dossier de consultation“) bilden. Er hat anschließend mit dem Bauherrn die Angebote zu überprüfen und sie auf ihre wirtschaftlichen und technischen Durchführungsmöglichkeiten hin zu untersuchen. Dies erfolgt in Form eines Sachberichtes („rapport“). Bei der Erstellung des Sachberichtes hat er alle Unternehmen, die keinen seriösen Ruf genießen oder über keine ausreichende Haftpflichtversicherung verfügen, auszuschließen. Es kann von ihm hingegen nicht verlangt werden, die finanzielle Kreditfähigkeit der Bauunternehmen zu überprüfen.
Der Architekt hat eine richtige Auswahl der Baumaterialien zu treffen. Das gilt selbst dann, wenn dies nicht vertraglich vereinbart wurde. So hat er hinsichtlich der Baumaterialien eine vorherige Einschätzung ihrer Verwendungsmöglichkeiten und des Baurisikos zu treffen. Die Rechtsprechung ist hinsichtlich dieser Obliegenheit des Architekten sehr streng. So gehen die französischen Berufungsgerichte selbst dann von einem Architektenfehler aus, wenn die Mangelhaftigkeit des Materials während der Bauphase nicht sichtbar war. Der Architekt hat deshalb bei der Überprüfung der Materialen erhöhte Vorsicht anzuwenden.
Der Architekt hat außerdem bei seiner anfänglichen Planungsleistung die anzuwendenden Gesetze und Regelungen („respecter la règlementation“), die Regeln der Kunst („les règles de l’art“) und die Wünsche seines Kunden („les désir de son client“) zu beachten.
Er muss alle örtlichen Baurechtsregelungen („règles d’urbanisme“) kennen, die Einfluss auf sein geplantes Bauvorhaben haben könnten. Weiterhin muss er die hygienischen Vorschriften („règles sanitaires“), die baurechtlichen Regelungen („règles de construction“), die juristischen Regelungen hinsichtlich des Miteigentums („règles de mitoyenneté“) und die Sanierungsvorschriften („règles d’assainissement) beachten. Bei der Planung hat er den unmittelbaren Einfluss seines Bauvorhabens auf die Nachbarschaft, besonders die Beachtung der Lärmvorschriften, zu beachten. Er hat alle Dokumente, die ihm von dem Bauherrn übergeben worden sind, auf Ihre Richtigkeit zu überprüfen.
Der Architekt trifft ferner eine sehr weitgehende Beraterpflicht. Das gilt selbst dann, wenn er den Architektenauftrag kostenfrei ausführt. Er hat bereits bei der Planung auf die Wünsche seines Kunden einzugehen und diese unmissverständlich an die Unternehmen weiterzugeben. Im Rahmen der Beratungsfunktion hat der Architekt die Wünsche seines Kunden in eine realisierbare Richtung zu lenken. So hat er die technischen Möglichkeiten gegenseitig abzuwägen und dem Kunden die unterschiedlichen Realisierungsmodelle zu erklären. Sollte ein Vorhaben mit den Regeln der Kunst oder den baurechtlichen Bestimmungen nicht konform sein, muss der Architekt die weitere Architektenleistung ablehnen. Finanzielle Bedenken seines Kunden dürfen die Aufklärungspflicht des Architekten nicht beeinflussen.
Der Architekt hat sich auch über die Finanzierungsmöglichkeiten seines Kunden hinsichtlich der Bauausführung zu informieren (nicht private Kreditfähigkeit). Er hat einen Kostenvoranschlag bezüglich der gesamten Baukosten zu erstellen. Der Kostenvoranschlag darf der Höhe nach nicht wesentlich von den tatsächlichen Kosten abweichen. Hiervon wird nur dann eine Ausnahme gemacht, wenn zusätzliche Arbeiten, die unvorhersehbar waren, die tatsächlichen Kosten erhöhen oder der Bauherr den zusätzlichen Kosten zustimmt. Die allgemeine Beratungspflicht erstreckt sich hingegen nicht auf Umstände, die der Allgemeinheit oder dem Bauherrn bekannt sind. Auch fallen Beratungen hinsichtlich allgemeiner steuerlicher und juristischer Art nicht in die Aufklärungspflicht des Architekten.
B.) Architektenpflichten während der Baumaßnahme („obligations concomitantes aux travaux“)
Der Architekt ist verantwortlich für die Qualität seiner Leistungen. Er haftet daher vollumfänglich für alle von ihm selbst hervorgerufenen Mängel oder Schlechtleistungen (z.B. Nichteinhaltung der technischen Normen, Planungsfehler, Kalkulationsirrtümer, Entwässerungsfehlleistungen, fehlende Nachprüfung der Planungen der beauftragten Unternehmen, etc). Sollte er nicht in der Lage sein, eine Tätigkeit selbst auszuführen, muss er zwingend einen Spezialisten beauftragen. Die vertragliche Haftung des Architekten besteht selbst dann, wenn der Architekt kostenfrei tätig geworden ist.
Der Architekt hat die Bauausführungen auch im Hinblick auf die Einhaltung der geplanten Baukosten zu leiten. Er hat Anweisungen („ordres de services“) an die Unternehmen zu erteilen und den Unternehmen alle notwendigen Informationen zu übergeben, damit diese ihrerseits die Baumaßnahmen durchführen können (z.B. hinsichtlich der Baurisiken und der Bodenbeschaffenheit). Es obliegt ihm, die Vorgespräche und die wöchentlichen Bauzusammenkünfte zu organisieren und alle Unternehmenstätigkeiten zu koordinieren. Ferner hat er den Baufortschritt zu verfolgen. Eine permanente Anwesenheitspflicht des Architekten auf der Baustelle besteht hingegen nicht. Nach der geltenden Rechtsprechung reicht eine periodisch vorgenommene Anwesenheit auf der Baustelle aus (z.B. wöchentliche Besichtigung der Baustelle und die Begleitung wichtiger Baumaßnahmen).
Sollte hingegen während der Bauaufsicht eine Fehlleistung eines Unternehmens erfolgt sein, die der Architekt hätte entdecken können, ist er dafür wegen Vernachlässigung seiner Aufsichtspflicht mitverantwortlich zu machen. Er hat hingegen nicht für Fehlverhalten der Unternehmer einzustehen. Dies gilt nur dann nicht, wenn sein Handeln oder Unterlassen mitursächlich war. Der Kassationsgerichtshof fordert diesbezüglich einen Kausalzusammenhang zwischen der mangelhaften Bauleistung der Unternehmen und der mangelnden Beaufsichtigungspflicht. Sollte der Architekt bei seiner Aufsicht eine mangelhafte Leistung der Unternehmen feststellen, reicht es nicht aus, dass er den Mangel beim Unternehmen rügt. Er hat vielmehr alles in seiner Macht stehende zu tun, um den Fehler beheben zu lassen.
Der Architekt hat die monatlichen Abrechnungen der Unternehmer zu kontrollieren und die Abschlagszahlungen für den Bauherrn vorzunehmen. Diesbezüglich haftet er für seine Kalkulationsfehler und für die nicht begründete Weigerung der Unterzeichnung bei den Abrechnungen. Sollte der Architekt fälschlicherweise davon ausgehen, dass ein Unternehmen eine Abrechnung erstellt hat ohne die dafür nötige Leistung erfüllt zu haben und dem Bauherrn die Weigerung der Zahlung an das Unternehmen empfiehlt, haftet er hinsichtlich des Zahlungsverzuges. Das gleiche gilt bei einer Zahlungsanweisung des kompletten Gehaltes an das Bauunternehmen, obwohl die Bauarbeiten noch nicht beendet wurden.
C.) Verantwortlichkeit nach Baubeendigung („obligations postérieurs aux travaux“)
Nach Beendigung der Baumaßnahmen hat der Architekt mit dem Bauherrn die Abnahme der Bauwerke vorzunehmen. Der Architekt muss bei der Abnahme den Bauherrn auf die rechtlichen Konsequenzen bei einer Abnahme ohne Vorbehalt der Mangelbeseitigung hinweisen. Diesbezüglich hat er den Bauherrn umfassend über die rechtlichen Folgen der Abnahme und der Inbesitznahme, die in Einzelfällen eine konkludente Abnahme darstellen kann, aufzuklären. Er hat ferner alle Mängel bei der Abnahme festzustellen. Für Mängel, die bei der Abnahme nicht von ihm gerügt wurden und deshalb nicht mehr von dem Bauunternehmen nachzubessern sind, trägt er die volle Haftung. Das gilt selbst dann, wenn der Bauherr selbst den Mangel kannte. Das gleiche gilt bei einer Abnahme des Bauwerkes durch den Architekten, obwohl diese noch nicht hätte abgenommen werden dürfen. Der Architekt ist auch verantwortlich für die nicht rechtmäßigen Vorbehalte bei der Abnahme, die zu Zahlungsverzögerungen an das Unternehmen führen.
Im Falle eines Mangels am Gebäude haftet der Architekt nach den allgemeinen Vorschriften des Art. 1792 Code Civil. Hiernach besteht eine Garantiehaftung für alle Mängel am Gebäude, die nur dann ausgeschlossen ist, wenn der Architekt seine ordnungsgemäße Leistung beweisen kann (Beweislastumkehr). Der Bauherr hat weder Verschulden des Architekten noch Kausalität der Schlechtleistung nachzuweisen. Das gilt nur dann nicht, wenn der Mangel vor der Abnahme des Gebäudes entstand oder bei der Abnahme vorbehalten wurde. Hier muss das Verschulden und die Kausalität vom Bauherrn nachgewiesen werden. Das gleiche gilt für Mängel, die keine Baumängel im engeren Sinne darstellen (z.B. Fehler bei der Aufklärungspflicht, die nicht zu einem Sachmangel führen, Verzugsschäden, Kalkulationsfehler, etc.). Der Schadenersatzanspruch für diese Nebenleistungspflichtverletzungen verjährt in 30 Jahren.
Der Architekt, der die komplette Bauausführung („mission complète“) übernommen hat, kann die Haftung nur dann von sich weisen, wenn ein Haftungsausschließungsgrund vorliegt. Dies sind beispielsweise Materialmängel oder Fehlleistungen anderer Personen. Hinsichtlich der Haftungsausschließungsgründe ist jedoch zu erwähnen, dass zumindest zuvor überprüfen sollte, ob nicht aufgrund einer möglichen fehlerhaften Beaufsichtigung des Architekten diesen zumindest ein (Mit-)Verschulden trifft. Die nach dem französischen Recht sehr weit gefasste Haftung ist selbst dann gegeben, wenn der Architekt eine Baustellenleitung von seinem Vorgänger übernimmt und dieser schuldhaft gehandelt hat. In diesem Fall hat er für das Fehlverhalten seines Vorgängers einzustehen, wenn er nicht die Fehlleistungen des Vorgängers unverzüglich dem Bauherrn zur Kenntnis gibt. Im Vergleich zur kompletten Bauausführung, bei der der Architekten ein hohes Haftungsrisiko übernimmt, besteht noch die vertragliche Vereinbarung einer eingeschränkten Bauleitung. So haftet der Architekt bei einer eingeschränkten Bauleitung nicht für Bauwerke, für die er nicht die Bauleitung übernommen hat. Sollte der Architekt trotz eingeschränkter Bauleitung Auskünfte geben, die über seine vertraglich vereinbarte Bauleitung hinausgehen, hat er hierfür haftungsrechtlich einzustehen.
Im Hinblick auf die anderen Bauunternehmer oder Dritter trifft den Architekten lediglich – mangels vertraglicher Vereinbarung – eine deliktische Haftungspflicht mit der Folge, dass der Geschädigte das Verschulden des Architekten zu beweisen hat. Das gleiche gilt zwischen dem Bauherrn und dem Architekten, wenn der Architekt nach Ablauf des Vertrages eine Fehlleistung begangen hat. Der Architekt kann natürlich auch seinerseits Regress aus Delikt gegen die Bauunternehmer oder Subunternehmer nehmen, wenn er von dem Bauherrn haftungsrechtlich in Anspruch genommen worden ist und den Bauunternehmern ein (Teil-)Verschulden nachweisbar zuzurechnen ist. Dies ist in der Regel vor allem dann der Fall, wenn der Bauunternehmer seinerseits den Architekten nicht umfassend aufgeklärt hat.
D.) Die Rechte des Architekten („les droits de l’architecte“)
Der Architekt hat ein Urheberrecht an dem fertig gestellten Werk und einen Anspruch auf Vergütung. Nach Art. L.112-2 Code de la propriété intellectuelle hat der Architekt auch ein Urheberrecht auf seine Pläne, die Skizzen und Modelle. Die Bauwerke müssen jedoch einen originellen Charakter aufweisen und auf die Leistung des Architekten zurückzuführen sein. Es ist in der Praxis nicht immer einfach, einen gerechten Ausgleich zwischen dem geistigen Eigentum an dem Bauwerk einerseits und den Eigentumsrechten des Bauherrn andererseits zu finden. Dies gilt vor allem dann, wenn Änderungsarbeiten erforderlich („la nécessité de l’adapter à des besoins nouveaux“) werden. Im Zweifel entscheidet der Richter. Das geistige Eigentum an dem fertig gestellten Bauwerk hat auch zur Folge, dass Photographien oder Zeichnungen nicht ohne Zusatz seines Namens verwendet werden dürfen. Das geistige Eigentum geht hingegen nicht so weit, das Gebäude von einem Abbruch zu bewahren, wenn hierfür ein Allgemeininteresse besteht.
Hinsichtlich der Vergütung ist zwischen Architektenverträgen, die zwischen einem Architekten und einem privaten Bauherrn und Architektenverträgen, die zwischen ihm und einem öffentlichen Auftraggeber unterzeichnet wurden, zu unterscheiden.
Bei Privataufträgen ist Voraussetzung für einen Vergütungsanspruch zunächst das Vorliegen eines Vertrages. Eine Vergütungsvereinbarung ist nicht zwingender Bestandteil für die Gültigkeit eines Architektenvertrages. Liegt ein Vertrag vor, geht die Rechtsprechung aber davon aus, dass die Architektenleistung entgeltlich zu erbringen war. Der Anspruch auf die Architektenvergütung ist – mangels entgegenlautender vertraglicher Vereinbarung – nicht an die Bewilligung des Kredites an den Bauherrn für die Durchführung der Baumaßnahme gebunden und der Architekt erhält auch seinen Vergütungsanspruch, wenn das Bauvorhaben ohne sein Verschulden abgebrochen worden ist. Das gleiche gilt, wenn der Architekt durch einen neuen Architekten ersetzt wurde und hierfür kein Grund vorlag oder der Bauherr den Architekten entlässt und auf der Grundlage der Architektenpläne das Bauwerk fertig stellen lässt. Das gilt selbst dann, wenn ein rechtmäßiger Grund für die Kündigung des Architektenvertrages vorlag. Der Architekt hat hingegen keinen Anspruch auf seinen Architektenlohn, wenn er einen schweren Fehler („faute grave“) begangen hat. Unbedeutende Fehlleistungen führen hingegen nicht zum Ausschluss der Vergütung. Im Falle einer mittelschweren Fehlleistung wird in der Regel die Architektenvergütung gemindert. Sollte der Architektenvertrag gekündigt worden sein, obwohl hierfür kein Grund vorlag, hat der Architekt zusätzlich zu seinem Vergütungsanspruch einen Anspruch auf Schadenersatz gemäß Art. 1184 Code Civil. Als Architektenvergütung kann entweder ein Pauschalpreis oder ein prozentual zu berechnender Preis vereinbart werden. Sollte ein Pauschalpreis vereinbart werden, muss die Architektenleistung bereits von anfang an bestimmbar sein. Bei einer prozentual zu berechnenden Vergütung erhält der Architekt einen Prozentanteil an den gesamten Bauausgaben als Entlohnung. Es ist auch möglich, eine Stundenvereinbarung zu treffen. Sollte keine feste Vergütung vereinbart worden sein, wird hilfsweise auf die vorgeschlagene Vergütung der Architektenkammer („Conseil de l’ordre“) zurückgegriffen, um das Architektenhonorar zu bestimmen.
Bei öffentlichen Aufträgen berechnet sich die Vergütung nach den Regelungen des Artikels 28 ff. des Dekretes 93-1268 vom 29. November 1993.