(Fortsetzung von Teil I http://www.rechtsanwalt.com/fachbeitrag-18497-dauertestamentsvollstreckung-rechtliche-gestaltungsmoeglich/ )
II. Die Anordnung und Durchführung der TV
1) Auswahl und Berufung des TVer
a) Die zentrale Frage der Anordnung ist zunächst die Person des TVer. Der Erblasser wird idealer Weise eine Person aussuchen, die in fachlicher, persönlicher und auch in sozialer Sicht die Aufgabe dauerhaft befriedigend lösen kann. Wie sollte dessen “skill-set“ beschaffen sein ?
– In fachlicher Sicht wird der Erblasser rechtliche, wirtschaftliche, geschäftliche Kenntnisse und Erfahrungen voraussetzen, je nach Struktur und Komplexität des Vermögens;
– bei den persönlichen Voraussetzungen ist an erster Stelle das Alter zu nennen (zum Zeitpunkt des Erbfalls muss der TVer in einem Alter sein, dass ihm die dauerhafte Wahrnehmung erlauben wird);
– Ebenfalls von überragender Bedeutung ist das persönliche Vertrauen, das der Erblasser in die Persönlichkeit des TV und seine spätere Amtsführung setzt;
– Die sozialen Kompetenzen sind hier nicht zu unterschätzen: kluge Kommunikation mit den Erben, Souveränität, Verlässlichkeit, Lebenserfahrung etc.
b) Da die Errichtung der letztwilligen Verfügung und der spätere Erbfall viele Jahre auseinander liegen können, sollte der Erblasser flexible Lösungen vorsehen und zwar in mehrfacher Hinsicht (in Kombination mit einer Altersschranke):
– er sollte einen Ersatz-TVer berufen, für den Fall, dass der ursprüngliche berufene TVer nicht mehr zur Verfügung steht (§ 2197 II BGB) oder
– er sollte die Möglichkeit der Bestimmung durch einen Dritten (§ 2198 BGB) in Erwägung ziehen. Damit delegiert er die Berufung an einen Dritten – ggf. sogar an eine jur. Person – die, wenn es erforderlich ist, nach bestimmten Kriterien einen TVer ernennt.
c) Letzteres führt uns zu dem Problembereich Testamentsvollstreckung / Dauer-Vollstreckung durch Banken, insbesondere darf die Frage erlaubt sein, ob diese überhaupt rechtlich zulässig. Die Dauer-TV ist für die Banken ein hoch-lukratives Geschäft und zwar aus zwei Gründen: Bei jedem Erbfall, d.h. Vermögensübergang, besteht für die bisher beteiligten, depot-führenden Banken die Gefahr, dass die Erben die bisherige Geschäftsverbindung nicht fortsetzen werden und Depot- bzw. Transaktionsgebühren und Provisionseinnahmen wegfallen. Dies kann die Dauer-TV erst einmal abwenden. Zum anderen birgt die Dauer-TV für die beteiligte Bank die Geschäftschance, zusätzlich über den Vergütungsanspruch nach § 2221 BGB zu partizipieren.
Welche rechtlichen Bedenken bestehen nun im Einzelnen, wenn eine Bank, d.h. eine jur. Person, zum TVer eingesetzt wird und dieses höchstpersönlich auszuübende Amt übernimmt? BGH hat in einer ständigen Rechtsprechung zum Sorgfaltsmaßstab des TVer die Rolle des TVer als fremdnütziger Treuhänder betont (vgl. BGHZ 25, 275, 279). Mit dieser treuhänderischen Rechtsstellung verträgt es sich schwerlich, wenn dem Treuhänder als Ergebnis seiner Aufgabenwahrnehmung weitere Vorteile zufließen, die nicht schon durch den Vergütungsanspruch des TVer abgegolten sind, also z.B. Depotgebühren oder Provisionseinnahmen. Übernimmt die Bank die Aufgabe des Dauer-TV, so drohen Interessenskonflikte: Wie kann sicher gestellt werden, dass die Bank ihre eigenen Produkte nur dann im Rahmen der Vermögensverwaltung anschafft (bzw. im Depot weiter behält), wenn diese Vorgehensweise einer ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht und Performance und Anlagequalität vergleichbaren Konkurrenzprodukten entsprechen. Wie wird sichergestellt, dass erhobene Depot- und Transaktionsgebühren wirtschaftliche Verhaltensweisen reflektieren, d.h. im Rahmen des Branchenüblichen verhandelt worden sind ? Soll die Bank darüber mit sich selbst verhandeln?
Insgesamt ist daher die TV durch Banken eher kritisch zu sehen.
2) Die Dauer der Testamentsvollstreckung
§ 2210 Satz 1 BGB begrenzt die Dauer-TV auf 30 Jahre. Damit ist aber nur scheinbar eine Laufzeit auf 30 Jahre festgesetzt. Satz 2 von § 2210 BGB dehnt den Anordnungszeitraum über die zuvor fest geschriebenen 30 Jahre unter bestimmten Bedingungen aus. In der Erbfolgeregelung der Hohenzollern gelangten nacheinander mehrere TVer ans Ruder und der BGH (BGHZ 174, 346 ff.) hatte im Jahre 2007 in diesem recht spektakulären Fall über die zeitliche Grenzen einer solchen Anordnungskombination zu befinden. Der BGH hat sich für die sog. Amtstheorie ausgesprochen, wonach die TV solange wirksam bleibe, als die Ernennung des hier maßgeblichen TVer – also des Nachfolgers innerhalb der 30 Jahre seit dem Erbfall eingetreten sei. Danach lautet die Formel für die max. Dauer einer angeordneten TV: 30 Jahre plus x.
Bei geschickter Ausübung der Nachfolgeernennungsklausel sollte sich also ein Zeitraum von ca. 60 Jahren und mehr für die Dauer-TV festschreiben lassen.
3) Fragen der ordnungsgemäßen Vermögensverwaltung
a) Ich komme nun zu Einzelfragen der Dauervollstreckung, die ja im Wesentlichen eine
Vermögensverwaltung darstellt. Die Pflichtenstellung des TV beschreibt § 2216 I BGB wie folgt:
„§ 2216 Absatz I BGB Der TVer ist zu ordnungsgemäßer Verwaltung des Nachlasses verpflichtet.”
Was ist aber unter ordnungsgemäßer Verwaltung genau zu verstehen? Zu dieser Frage hat der BGH 1986 ausführlich Stellung genommnen und die vor 24 Jahren formulierten Kernsätze sollten m.E. auch heute noch vollen Bestand haben. In den Verfahren ging es darum, dass die Erben gegen den TV Schadensersatz in Höhe von ca. 20.000,00 DM geltend gemacht hatten, weil dieser – bei einem Gesamtnachlassvermögen von ca. 3,5 Mio. DM – zwei Aktieninvestments mit Verlust, der später realisiert wurde, eingegangen war. Der BGH hat wie folgt argumentiert:
„Im Übrigen aber steht der Testamentsvollstrecker ähnlich wie der Erblasser und bei größerem Vermögen unter Umständen ähnlich wie ein Unternehmer. …. Der Testamentvollstrecker muss vielmehr in eigener Verantwortung selbständig entscheiden, und zwar unter Umständen gegen den Willen aller Erben. Mit Recht wird deshalb auf allgemeine wirtschaftliche Gesichtspunkte (z.B. BGH, WM 1967, 25 [27]). Die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit legen bei Anlageentscheidungen aber gerade nicht stets den vorsichtigen „sichersten Weg“ nahe; damit wäre die Initiative des Testamentsvollstreckers zu sehr eingeengt. Im Vordergrund steht vielmehr das Bild eines zwar umsichtigen und soliden, aber „dynamischen“ Geschäftsführers, der die Risiken und Chancen kalkuliert und dann eingeht/nutzt oder nicht. Der Testamentsvollstrecker steht daher, vorbehaltlich anderweitiger Anordnungen des Erblassers, ebenso frei, wie der Vormundschaftsrichter den Vormund äußerstenfalls stellen darf (§ 1811 BGB). Ihm sind deshalb nur solche Anlagen verwehrt, die nach Lage des Falles „den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung zuwiderlaufen“. Diese Grundsätze schließen die Eingehung eines kalkulierten Wagnisses nicht ohne Weiteres aus. ….Maßgebend sind insoweit vielmehr in erster Linie die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit. Rein spekulative Anlagen, mit denen bei großem Risiko eine hohe Wertsteigerung oder eine besonders hohe Rendite erstrebt wird, sind aber jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn sie den gesamten Nachlass oder einen sehr hohen Teil davon erfassen.“
Der TV verfügt somit bei seiner Verwaltungstätigkeit ein weites Ermessen und soll wie ein dynamischer Unternehmer handeln. Er ist nicht nur der Sicherung des Vermögens, sondern auch dessen Vermehrung mit Gewinnerzielungsabsicht verpflichtet. Er ist auch nicht verpflichtet, das Vermögen des Erblassers in der gleichen Zusammensetzung zu belassen, es sei denn, der Erblasser hat dazu Anordnungen getroffen. Es kommt auch auf das Gesamtanlageverhalten an, wenn die Zulässigkeit einzelner Maßnahmen zu beurteilen ist.
b) Der TVer überschreitet allerdings pflichtwidrig sein Ermessen, wenn er z.B. folgende Grenzen nicht einhält:
– planloses Vorgehen und keine Anlagestrategie
– sachfremde Erwägungen / persönliche Bereicherung / unentgeltliche Verfügungen
– Außerachtlassung vom Erblasseranordnungen
– kein spekulatives Vorgehen mit hohen Risiken des Totalverlustes des gesamten Nachlasses, jedoch keine ex-post-Betrachtung
– keine angemessene Streuung
– ausschließlich auf Sicherheit bedachtes Vorgehen
– Außerachtlassung relevanter Erbeninteressen – und Bedürfnisse (z.B. Auskehrung der Erträgnisse)
– nicht ausreichende Erkundigung über das Risikopotenzial einer Anlage, Kostenfolgen oder sonstige Auswirkungen bzw. über die Leistungsfähigkeit des Anbieters
– Veräußerung eines Nachlassgegenstandes “deutlich unter Verkehrswert”
– nicht ausreichende Überwachung Dritter, die z.B. als Vermögensverwalter eingesetzt sind
Eine wirtschaftliche Nachkontrolle der Tätigkeit des TV aus ex-post-Sicht scheidet aus, da es allein darauf ankommt, dass der TV zum Zeitpunkt seines Handelns seine Einschätzungsprärogative auf Basis der ihm bekannten Umstände ausgeübt hat.
c) Nur wenn der TVer sein Ermessen überschreitet oder fehlerhaft bzw. unzureichend gebraucht, kann seine Geschäftsführung nicht mehr als ordnungsgemäß bezeichnet werden.
Er macht sich gegebenenfalls schadenersatzpflichtig und er setzt – wenn sich sein Verhalten als grobe Pflichtverletzung einordnen lässt -, einen Anlass für seine Entlassung, über die das Nachlassgericht anzurufen ist. Nicht selten haben es hierauf die entrechteten, unter die TV gestellten Erben abgesehen und der ursprüngliche Plan des Erblassers, diese möglichst lange vom Zugriff auf das Vermögen fernzuhalten, scheitert.
d) Der Erblasser kann daran gut beraten sein, wenn er bei der Anordnung der Dauer-TV einige Details der späteren Vermögensverwaltung in Form von Richtlinien o.ä. festlegt.
– So kann es Sinn machen, bestimmte Eckpfeiler der Risikostreuung bzw. “asset allocation” vorzugeben in Form der prozentualen Aufteilung auf Renten, Aktien bzw. Aktienfonds und alternative Investments (Immobilien, Rohstoffe, PEQ, etc.).
– Der TVer vereinbart eine solche Anlagerichtlinie mit den Erben.
– Ausschlussliste (z.B. Derivate oder Rohstoffe).
– Bei bestimmten Anlageentscheidungen oder bei Einzelinvestments ab einer gewissen Größenordnung muss eine vorherige Benachrichtigung der Erben oder gar deren Zustimmung (oder deren Mehrheit) eingeholt werden.
– Der TV hat vor dem Eingang bestimmter Investments (geschl. Fonds, Immobilien, PEQ) Vergleichsangebote einzuholen, um den Auswahlprozess zu optimieren.
– Nicht zu empfehlen sind Erfolgsvorgaben („performance“) in Form bestimmter ratios, da sie den TVer von der unabhängigen Wahrnehmung seines Amtes ablenken werden.
– Der Erblasser kann über die gesetzlichen Auflagen der Rechnungslegung des TV (vgl. § 2218 BGB) hinaus regelmäßige, periodische Berichtspflichten festlegen. Je detaillierter diese Anordnungen werden, desto mehr schränken sie natürlich den TVer ein. Die eigentliche Kunst besteht also darin, die Grenzen nicht zu weit zu ziehen. Die Gestaltungsfreiheit des Erblassers geht hier relativ weit. Der Entmachtung der unter die TV gestellten Erben kann er also teilweise eindämmen, sei es z.B. durch Mitsprache, – Genehmigungs- und Kontrollbefugnisse, sei es im Wege der direkten Partizipation durch die Aufnahme einer der Erben in ein TVer-Gremium.
Die TV wird umso erfolgreicher sein, desto gründlicher der Erblasser den ausgewählten TVer zu seinen Lebzeiten in das Vermögen einführt und dieses in der Weise strukturiert, dass die TV ohne größere Startschwierigkeiten beginnen kann. Die TV ist dann ein wichtiger Bestandteil langfristigen und planvollen Vorgehens, sie gehört mit gutem Grund zum soliden „Estate Planning“.
Eine langfristige Anordnung der Dauervollstreckung mit Verstand für ein Privatvermögen von ca. € 5 mio könnte beispielsweise aus folgenden Bausteinen bestehen:
- TVerGremium „2 + 1“ (2 Externe plus 1 Erbe) plus TVer-Ersatzklausel
- Festlegung der Dauer (z.B. max. 50 Jahre)
- Auskehrung eines Teils des Vermögens alsbald nach dem Erbanfall
- Vorgabe gewisser Richtlinien an das Gremium
- Zunächst nur Auskehrung der Erträgnisse
- Sukzessive Abschmelzung und Teilauskehrungen des Vermögens ab einem gewissen Zeitpunkt bis zu dessen Aufbrauch
III) Schlussbetrachtung
Gleichwohl zum Schluss eine kritische Frage: Ist die Dauer-TV überhaupt noch zeitgemäß? Mit der Frage der, ob überhaupt das deutsche Erbrecht noch zeitgemäß ist, hat sich ja bekanntlich der Deutsche Juristentag in diesem Jahr in Berlin intensiv beschäftigt. Frau Prof. Röthel aus Hamburg hatte hierzu ein überaus interessantes Gutachten vorgelegt. Das Gutachten hat die generelle rechtspolitische Bedeutung der Testamentsvollstreckung überhaupt nicht in Frage gestellt. Auch die Frist der 30-jährigen Vollstreckung im Grundfall der Dauer-TV wurde als solche nicht in Frage gestellt, wohl aber die darüber hinaus gehenden zeitlichen Gestaltungsmöglichkeiten analog des „Hohenzollernfalls“. Die an den Deutschen Juristentag gerichtete Empfehlung, die gegebenen zeitlichen Grenzen stärker zu beschränken, wurde von diesem im Übrigen mit 33:28 Stimmen abgelehnt.
Mein Plädoyer für eine Dauer-TV, wenn sie mit Sinn, Bedacht und Kreativität gestaltet wird, sollte daher, so hoffe ich, weiter Bestand haben.