Fachbeitrag 26.10.2010

Dauertestamentsvollstreckung – rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten und deren Grenzen, Teil I


Referent: Rechtsanwalt Dr. Matthias Baus, EMBA, Hamburg; gehaltenerVortrag auf dem „Symposium Asset Protection – Vermögenserhalt in unsicheren Zeiten“ in Münster am 23.10.2010 

I. Einführung: Bedeutung der TV – Dauer-TV als Sonderform

1) Vermögen sichern und erhalten – auch mit den Mitteln der Dauertestamentsvollstreckung („Dauer-TV“) ? Immer wieder stellen sich erfolgreiche und vermögende Menschen im fortgeschrittenen Alter folgende Frage: Wie kann ich das hart erarbeitete und mit Bedacht aufgebaute Vermögen zukünftigen Generationen erhalten ? Häufig schließt dieser Wunsch vorhandene oder zukünftige Enkelkinder mit ein. Die Dauer-TV reiht sich hier ein in eine Liste verschiedener, langfristig wirkender Maßnahmen bzw. Gestaltungen der Vermögensübertragung:

– Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen wie „Familienpool“ u.ä.

– Gründung einer Familienstiftung, d.h. der dauerhafte Entzug des Vermögens vom Zugriff der Erben, die jedoch die Destinatäre der Stiftung sind; ggf. auch als gemeinnützige Stiftung;

– Ausschluss der Auseinandersetzung auf max. 30 Jahre nach § 2044 BGB

– Anordnung der Vor- und Nacherbschaft

„Entmachtung“ der Erben durch die Anordnung der Dauer-TV. Um letzteres soll es hier gehen. Wenn ich im Weiteren die Vorzüge und Gestaltungsmöglichkeiten einer Dauervollstreckung heraus streichen werde, dann weniger für die Fälle der Vererbung unternehmerisch gebundenen Vermögens, sondern eher in Bezug auf das Privatvermögen. Wir wissen, dass im gehobenen Bürgertum, ohne dass es dort unternehmerisch gebundenes Vermögen geben mag, auch 7-stellige Summe als Privatvermögen zu vererben sind. In diesen Konstellationen mag die Erwägung der Dauervollstreckung durchaus Sinn machen.

2) Wie ist die Dauer-TV in das allgemeine Regelungssystem der TV einzuordnen? Vorweg einige Ausführungen zum TV im Allgemeinen. Das deutsche Erbrecht hält mit dem Institut der TV eine vergleichsweise weitgehende und aus Sicht des Erblassers komfortable Regelungsmöglichkeit bereit. Mit den einzelnen Anordnungen der TV, die der Erblasser im Rahmen seiner letztwilligen Verfügung trifft, herrscht er gewissermaßen aus dem Grabe heraus über das vererbte Vermögen mit Hilfe des Testamentsvollstreckers („TVer“). Rechtsträgerschaft und Verfügungsbefugnis werden also aufgespalten. § 2203 BGB formuliert die Aufgabe des TVer in schlanken Worten:

§ 2203BGB„Der Testamentsvollstrecker hat die letztwilligen Verfügungen des Erblassers zur Ausführung zu bringen.“

Der Erblasser hat es somit in der Hand, anstelle der Erben einen gesetzlichen Vertreter dieser Erben einzusetzen, der mit Verfügungsbefugnis über den Nachlass (oder einen Teil des Nachlasses) ausgestattet ist, die sonst den bzw. dem Erben zustünde. Es unterliegt der Gestaltungsfreiheit des Erblassers,

– welche Person die Aufgabe der TV übernehmen soll

– bzw. wer den TVer nach seinem Tode berufen darf

– ob der gesamte Nachlass oder nur ein Teil davon unter die Verwaltung des TV fallen soll

– ob und wann mit einer sukzessiven Auskehrung / Abschmelzung des Nachlasses begonnen werden soll

– ob mehrere, d.h. ein TV-Gremium die Vollstreckung ausüben kann, ggf. unter Aufnahme eines Erbenvertreters

– wie lange die Vollstreckung dauern soll

– ob und wie die Erben bei einer andauernden Vollstreckung an den Erträgnissen partizipieren

– welche sonstigen Änderungen bei der Aufteilung und Verwaltung gelten sollen.

3) Während sich der Normalfall der TV regelmäßig auf die Inbesitznahme des Nachlasses durch den TVer und die alsbaldige Verteilung auf Basis eines Verteilungsplans beschränkt und der TVer damit ganz einfach die administrative Rolle übernimmt, die sonst der bzw. die Erben wahrgenommen hätten, hat die Dauervollstreckung eine andere, viel weiter reichende Funktion: Die Erben werden auf Dauer von der Verfügungsbefugnis über den Nachlass bzw. ihren Anteil ferngehalten – sie sind Erben 2. Klasse. § 2209 BGB bestimmt daher:

„§ 2209 Dauervollstreckung Der Erblasser kann einem Testamentsvollstrecker die Verwaltung des Nachlasses übertragen, ohne ihm andere Aufgaben als die Verwaltung zuzuweisen; er kann auch anordnen, dass der Testamentsvollstrecker die Verwaltung nach der Erledigung der ihm sonst zugewiesenen Aufgaben fortzuführen hat. Im Zweifel ist anzunehmen, dass einem solchen Testamentsvollstrecker die in § 2207 bezeichnete Ermächtigung erteilt ist.“

4) Welche Gründe gibt es für die Anordnung des TV? Der von der Vernunft geleitete Erblasser wird eine TV nur dann anordnen, wenn nach seiner Einschätzung die TV zu einem besseren Ergebnis des Vermögensübergangs führt, weil damit z.B.

– das Vermögen nachhaltig vor dem Verfall oder der Verschwendung geschützt werden kann,

– Streit zwischen den Erben in Bezug auf die Verwaltung oder Verteilung des Nachlasses vermieden wird,

– die Erben als Minderjährige oder Behinderte nicht die erforderliche Geschäftsfähigkeit besitzen,

– die aus Sicht des Erblassers “unfähigen” Erben vor sich selbst geschützt werden müssen – z.B. wegen geschäftlicher Unerfahrenheit, Verschwendungssucht etc. Nicht selten bringt daher die Anordnung der TV, insbesondere die der Dauervollstreckung, eine gewisse Missachtung des Erblassers gegenüber seinen Erben zum Ausdruck. Der kluge Erblasser sollte es daher vermeiden, dass diese seine Einschätzung die spätere Triebfeder für das Entstehen von Misstrauen und Konflikten zwischen TVer und den Erben bildet.

 (Fortsetzung folgt in Teil II http://www.rechtsanwalt.com/fachbeitrag-18498-dauertestamentsvollstreckung-rechtliche-gestaltungsmoeglich/)

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