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Fachbeitrag 26.04.2011

Das Behindertentestament – Viele Fragen – eine Lösung


Aufgrund medizinischer Fortschritte nimmt die Zahl der Behinderten, auch der Kinder, immer mehr zu. Von 160.000 Menschen (2002), die eine kostenintensive stationäre Betreuung benötigten auf zuletzt 190.000 (2007) und weiter steigend.

Die Zahl der behinderten Menschen, die ambulante Betreuung in betreuten Wohnformen erhalten ist im gleichen Zeitraum um 35% gestiegen. Derzeit leben ca. 7,1 Mio. schwerbehinderte Menschen in Deutschland (Quelle: Pressemitteilung Nr. 325 – destatis).

Die Pflegeheim- und Pflegekosten klettern stetig, trotz Pflegeversicherung sind von den Betroffenen hierfür Zuzahlungen von teilweise 2.000,—Euro bis 3.000,—Euro monatlich zu erbringen. Viele Behinderte sind dazu nicht in der Lage. Sie sind daher nach wie vor auf die staatliche Hilfe angewiesen.

Viele Eltern von behinderten Kindern haben daher Angst, dass ihr mühsam angespartes Vermögen im Erbfall von der Sozialhilfe “aufgezehrt” wird, und zwar innerhalb kürzester Zeit, so dass auch das behinderte Kind aus dem ersparten und vererbten Vermögen keine Vorteile erzielt und nach dem Verbrauch des Vermögens wieder auf die Sozialhilfe angewiesen ist, ohne besondere Vorteile zu haben.

Ziel des Behindertentestamentes ist, das Vermögen in der Familie zu erhalten und die Zugriffsmöglichkeiten der Sozialhilfeträger auf dieses Vermögen zu vermeiden. Andererseits soll dem Kind, besonders nach dem Tod der Eltern, eine über die normale Sozialhilfe hinausgehende Lebensqualität gesichert werden, was nur möglich ist, wenn Zuwendungen erreicht werden, die nicht vom Sozialhilfeträger weggenommen werden können.

Die Gestaltung eines Behindertentestamentes gehört zu den schwierigsten und komplexesten Gestaltungen der juristischen Erbrechtsberatung. Dem Laien sind die verschiedenen Gestaltungsregelungen oft nur schwer verständlich zu machen. Darüber hinaus bedarf es immer einer individuellen angepassten Regelung, ein “Standard-Behinderten-Testament” gibt es nicht. Die Bedürfnisse, Situationen und Wünsche der Beteiligten sind in jedem Fall einzeln zu berücksichtigen und einer angemessenen Lösung zuzuführen.´

Auf einen Blick

Klar muss sein: die gesetzliche Erbfolge tritt immer ein, wenn ein Testament fehlt. Deren Folge ist, dass der zuständige Sozialleistungsträger den Erbteil Ihres behinderten Kindes sich einverleiben kann! Dieser Automatismus wird durch ein Behindertentestament verhindert.

Ein derartiges Behindertentestament könnte handschriftlich oder in notarieller Form gemeinschaftlich (Ehegattentestament) oder einzeln für Sie verfasst werden. Eine fachkundige Beratung ist dabei für die geeignete Form des Testamentes sehr zu empfehlen. Folgende spezielle Regelungen sollen Ihnen den Unterschied beim Behindertentestament verdeutlichen:

1. Beschränkte Vor-/ Nacherbenschaft

  • Mit einem gewissen Prozentsatz über der Pflichtteilsquote wird das behinderte Kind zum beschränkten Vorerben eingesetzt
  • Familienmitglieder oder gemeinnützige Träger können sinnvoller Weise als Nacherben eingesetzt werden

2. Vollstreckung des Testaments

  • Anordnung der Testamentsvollstreckung mit klaren Verwendungsrichtlinien (Erbschaftssumme)
  • Sinnvoll für Die Testamentsvollstreckung ist die Regelung als Dauer-Testamentsvollstreckung
  • Benennung von Mit-/Unter-Testamentsvollstrecker für den Notfall

3. Das Vermächtnis des behinderten Kindes

  • Eine besondere Zuwendung an das behinderte Kind durch ein Vor-/Nachvermächtnis
  • Dann wird das behinderte Kind jedoch nicht Erbe

4. Inanspruchnahme eines Betreuers

  • Regelung für den Vorschlag als Betreuer/ Ergänzungsbetreuer
  • Sicherstellung der Bedürfnisse Ihres behinderten Kindes (Anschaffungen) durch den Betreuer

5. Anordnung der Grundstücksteilung

  • Wenn sich eine Immobilie im Nachlass befindet, sollte Ihrem behinderten Kind als Vorerbteil lediglich ein Geldbetrag zugewiesen werden und dies im Rahmen einer Teilungsanordnung geregelt sein

6. Gemeinnützige Organisation erhalten Zuwendungen

  • Insbesondere die Wirksamkeit des Behindertentestamentes muss an § 134 BGB (Sittenwidrigkeit) i.V.m. § 14 HeimG gemessen werden, wenn eine Zuwendung (Gemeinnützige Organisation) im Rahmen der Nach- bzw. Ersatznacherbenschaft angedacht ist
  • Die testamentarisch Verfügung kann unwirksam werden, wenn dies nicht bedacht wird

7. Sozialleistungen

  • In der Regel erhält Ihr Kind spätestens ab dem 18. Lebensjahr Sozialleistungen nach dem SGB XII. Dies gilt immer dann, wenn die berechtigte Person (Kind mit Behinderung) ihren Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und/oder Vermögen über dem Selbstbehalt gem. § 90 SGB XII bestreiten kann
  • Über seine finanziellen Verhältnisse besteht eine Auskunfts- und Mitteilungspflicht des Hilfeempfängers (vgl. § 60 SGB I)
  • Daher sollten keine Schenkungen gegenüber Dritten vorgenommen werden, sondern vielmehr die Regelungen des Behindertentestamentes genutzt werden

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Rechtsanwalt
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