Fachbeitrag 20.03.2007

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) – Teil 4


Das allgemeine Diskriminierungsgesetz (Antidiskriminierungsgesetz) und die damit verbundenen Anforderungen an den Arbeitgeber

 

 

Nach langwierigen politischen Diskussionen ist am 18.08.2006 das Gleichstellungsgesetz oder Antidiskriminierungsgesetz, wie es auch genannt wird, in Kraft getreten. Danach sind Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

Damit werden nun an den Arzt oder die Klinik als Arbeitgeber in allen Bereichen des Arbeitslebens neue, erhöhte Anforderungen gestellt. Ihn trifft die Pflicht, Diskriminierung und ungleiche Behandlung in seiner Praxis zu verhindern. Dies umfasst sowohl die Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitsentgelt und Entlassungsbedingungen, wie auch Vereinbarungen und Maßnahmen bei der Durchführung und Beendigung eines Arbeitsverhältnisses sowie den beruflichen Aufstieg. Bei Kündigungen gelten jedoch weiterhin die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz, wie z.B. das Verbot der Kündigung von Schwangeren.

 

Ungleichbehandlungen sind grundsätzlich unzulässig. Doch keine Regel ohne Ausnahme. So kann eine Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt sein, wenn sie angemessen und erforderlich ist. So ist es z.B. zulässig, schwerbehinderte Menschen gegenüber anderen Mitarbeitern zu bevorzugen, ohne dass dadurch gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßen wird.

Als zulässig zu erachten dürfte auch die Förderung einer Frauenquote z.B. in einem Krankenhaus sein oder bevorzugt Langzeitarbeitslose mit einem Alter von mehr als 45 Jahren einzustellen. Unter dem Gesichtspunkt der beruflichen Eingliederung von älteren Beschäftigten ist eine solche Einstellungspolitik nicht zu beanstanden.

 

Möglich wäre danach auch, nur Arbeitnehmer mit angemessenen deutschen Sprachkenntnissen einzustellen, wenn die Anforderungen der Praxis oder des Krankenhauses dies erfordern.

 

Verboten ist danach jedoch eine unterschiedliche Entlohnung ohne sachlichen Grund, indem einzelnen Kollegen/Kolleginnen beispielsweise ein geringeres Weihnachtsgeld gezahlt wird.

 

Insbesondere bei der Stellenausschreibung ist mithin Vorsicht geboten. Eine Stellenausschreibung sollte immer neutral formuliert sein hinsichtlich aller Kriterien, die im Gleichbehandlungsgesetz erwähnt werden. Dies gilt ganz besonders für das Geschlecht. Auch die Auswahl der Bewerber sollte sich an Leistungs- und Qualifikationsgesichtspunkten orientieren, so dass eine sachliche Begründung der Auswahlentscheidung möglich ist.

Dies soll an den nachfolgenden Beispielen verdeutlicht werden:

 

“Ein Arbeitgeber schreibt eine Stelle aus, wonach die Bewerber fließend deutsch sprechen müssen. Diese Bestimmung ist neutral. Alle, die fließend deutsch sprechen, können sich bewerben. Diese Bestimmung schließt damit z. B. Türken – Merkmal: ethnische Herkunft -, insbesondere aber türkische Frauen – Merkmal: Geschlecht – deshalb aus, weil erfahrungsgemäß türkische Frauen sich der deutschen Sprache verschließen. Damit kann eine mittelbare Diskriminierung vorliegen.”

 

Hinsichtlich des Alters und der Berufserfahrung dürften zwar Mindestanforderungen gestellt werden, diese sind jedoch kritisch zu begutachten, wie das nachfolgende Beispiel zeigt:

 

“Die Beförderungsstelle Oberarzt/Oberärztin wird ausgeschrieben. Danach muss der Bewerber bzw. die Bewerberin eine 20-jährige Berufserfahrung haben. Diese Ausschreibung ist neutral formuliert: Alle Arbeitnehmer mit einer 20-jährigen Berufserfahrung können sich bewerben. Da aber davon ausgegangen wird, dass ein Arzt erst mit mindestens 25 sein Staatsexamen abgelegt hat, müsste er mindestens 45 Jahre alt sein, um die Stelle zu erhalten. Damit kann eine mittelbare Diskriminierung vorliegen, wenn ein 40-jährigerer Mitarbeiter sich um die Stelle bemüht.”

 

Weiteres Beispiel

Bei der Berechnung des Dienstalters werden Teilzeitbeschäftigungen vollständig ausgeschlossen. Hiervon sind in weit höherem Umfang weibliche Arbeitnehmer als männliche Mitarbeiter betroffen. Nur wenn dieser Ausschluss der Zeiten einer Teilzeitbeschäftigung durch objektive Gründe gerechtfertigt ist und nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes zu tun hat, verstößt diese Regelung nicht gegen das Verbot der mittelbaren Diskriminierung.

 

Sanktionen

Bei einem Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgesetz hat der betroffene Arbeitnehmer sowohl einen Schadensersatzanspruch als auch ein Beschwerde- und Leistungsverweigerungsrecht. Das Leistungsverweigerungsrecht besteht jedoch nur dann, wenn eine einzelfallbezogene Benachteiligung dazu Anlass gibt. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Arbeitgeber auf eine Beschwerde nicht ausreichend reagiert oder bei einer Benachteiligung durch den Arbeitgeber oder Dienstvorgesetzten selbst.

Verweigert ein Arbeitnehmer fälschlicherweise seine Arbeit unter Hinweis auf sein Verweigerungsrecht ist der Arbeitgeber berechtigt, ihn abzumahnen und im Wiederholungsfall verhaltensbedingt zu kündigen. Vor diesem Hintergrund sollte seitens des Arbeitnehmers von der Geltendmachung des Leistungsverweigerungsrechtes Abstand genommen, da es risikobehaftet ist.

 

Schadensersatzansprüche

Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Neben einem Schaden, der kein Vermögensschaden ist, ist mithin eine angemessene Entschädigung in Geld zu zahlen, vergleichbar einem Schmerzensgeld. Dieser nicht vermögensrechtliche Schaden entspricht den Regelungen in anderen EU-Staaten. In Irland wurden beispielsweise bis zu sechs Jahresgehälter für Geschlechtsdiskriminierung zugesprochen.

In Dänemark wurden einer schwangeren Frau sechs Monatsgehälter als Schadensersatz zugesprochen, weil sie nach drei Monaten ihre auf sechs Monate befristete Stelle wegen Schwangerschaft verlor.

Das BVerfG hatte in einem Urteil bereits im Jahre 1993 über einen Anspruch auf sechs Monatsgehälter für den immateriellen Schadensersatz zu entscheiden, weil eine Bewerberin wegen ihres Geschlechtes abgelehnt worden war.

 

Was soll man also unternehmen, um die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen? Grundsätzlich ist der Arbeitgeber verpflichtet, nicht nur eigene, sondern auch die Benachteiligung durch Mitarbeiter oder Dritte zu unterbinden. Es empfiehlt sich eine umfassende Schulung der Mitarbeiter zum Zwecke der Verhinderung von Benachteiligungen.

Sollte es doch zu einer Benachteiligung eines Mitarbeiters durch Kollegen kommen, so kann dem durch geeignete Maßnahmen wie beispielsweise eine Abmahnung, einer Versetzung oder sogar einer Kündigung entgegengewirkt werden.

 

Im Nachfolgenden wird in einer tabellarischen Aufstellung beispielhaft erläutert, was zulässig ist und was verboten.

 

 

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Rechtsanwalt
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