Fachbeitrag 04.06.2012

Beziehungen im internationalen Vertrieb


Die Beziehungen beim internationalen Vertrieb zwischen Herstellern und deren Handelspartnern in der ganzen Welt können aus unterschiedlichen Gründen entstehen, entweder durch einen Vertrag mit vielen Seiten oder auch nur durch die einfache Wiederholung von Bestellungen und Lieferungen.

Manchmal hält diese Beziehung für viele Jahre und in den meisten Fällen wird die Zusammenarbeit von beiden Parteien tatsächlich nicht so durchgeführt, wie es eigentlich am Anfang der Beziehung im unterschriebenen Vertrag vorgesehen war.

Darüber hinaus werden die in den allgemeinen Geschäftsbedingungen von Unternehmen enthaltenen Bestimmungen als auch die möglicherweise in den Kaufs- bzw. Verkaufsunterlagen miteinbezogenen Bestimmungen, insbesondere die sogenannten INCOTERMS, Bestandteile des Vertrages. Dies führt  dazu, dass die Angelegenheit sehr kompliziert wird und es sehr oft kaum zu verstehen ist, welche Regelung auf einen bestimmten Vertrag anzuwenden ist.

Dieses Durcheinander der vertraglichen Regelungen bei einem Vertragsverhältnis ist vor allem bei der Beendigung bzw. Kündigung des Verhältnisses sehr stark erkennbar. Die Vielzahl der Vorschriften in jedem anwendbaren Recht der europäischen Union, sowie die mehr oder weniger stark ausgestalteten Schutzsysteme der Parteien, führen dazu, dass viele Unternehmen falsche Schritte und damit Fehler begehen, die leider oft nicht wieder rückgängig zu machen sind.

Der vorliegende Artikel hat zum Ziel, eine Reihe von Schwerpunkten zusammenfassend darzustellen, auf die der Unternehmer besonders in dem Zeitpunkt achten muss, in dem die Beziehung des internationalen Vertriebs an dem das Unternehmen beteiligt ist, Schwierigkeiten aufzeigt.

 

I – DAS VERTRIEBSVERHÄLTNIS

Im vorliegenden Artikel betrachten wir den internationalen Vertrieb in einem weiten Sinne, d.h. jedes Verhältnis kommerzieller Natur, bei dem ein Unternehmen – das wir im Folgenden Vertreiber nennen– regelmäßig, wenn auch nur sporadisch, Produkte oder Dienstleistungen von einem anderen Unternehmen, – das wir im Folgenden als Lieferanten bezeichnen -, erwirbt, wobei die beiden Unternehmen ihren Sitz in verschiedenen Ländern[1] haben.

Manchmal wird der Vertrieb auch als Konzession bezeichnet, wodurch dem Vertreiber die Möglichkeit eingeräumt wird, vom Markenzeichen/Firmenzeichen der Produkte des Lieferanten Gebrauch zu machen, manchmal exklusiv für ein bestimmtes Land oder ein bestimmtes geographisches Gebiet.

Wie schon angezeigt, kann eine solche Beziehung einen Vertrag zum Gegenstand haben oder auch das Ergebnis aus einer im Laufe der Zeit entstandenen Beziehung sein, die sich durch die Wiederholung von Bestellungen und Lieferungen/Dienstleistungen über die Zeit verfestigt hat.

Es empfiehlt sich, die in einem Vertrag am häufigsten vorkommenden Klauseln zu erinnern:

Ausschließlichkeitsklausel:

Sie ist vorzugsweise von den Parteien ausdrücklich vereinbart worden, auch wenn einige europäische Gesetze zugestehen, dass das Eintreten der Ausschließlichkeit auch auf andere Weise nachgewiesen werden kann, z. B. durch den Beweis, dass die Ausschließlichkeit in der Praxis tatsächlich immer gewährleistet war.

Die Ausschließlichkeitsklausel kann wechselseitig oder einseitig ausgestaltet sein. Gründe für einen gewährten Gebietsschutz sind in den häufigsten Fällen:

  • Verpflichtung des Vertreibers, dass er keine Konkurrenzprodukte in seinem Gebiet verkaufen wird;
  • Verpflichtung des Vertreibers, dass er eine Mindestmenge von Produkten im Jahr kaufen wird (um sie wieder zu verkaufen).

Umsatzziele und Mindestmengenverkauf:

Diese beiden Konzepte werden häufig verwechselt, was zu katastrophalen Ergebnissen führt.

Umsatzziele: der Hersteller kann vorsehen, dass zum Zwecke der Anerkennung an den Vertreiber, die Auszahlung eines Bonus (oder eines Nachlasses, usw.) im Falle des Erreichens der Höhe des vorher bestimmten Umsatzes erfolgen soll.

Mindestverkaufsmengen: stellen die Höhe der Verkaufszahlen dar, die der Vertreiber zu erreichen versucht und die einstimmig von den Parteien vereinbart worden sind. Für den Falle des Nichterreichens kann der Vertrag vorsehen, dass der Vertreiber Schadensersatz leisten muss, oder seinen gewährten Gebietsschutz verlieren wird, oder der Lieferant könnte diese Situation sogar dazu ausnutzen, den Vertrag zu kündigen (sofern dies ausdrücklich durch eine Kündigungsklausel vorgesehen war).

Lagerraum:

Das Schicksal der Lagerbestände kann zur Zeit der Beendigung des Vertrages zu Problemen führen, wenn der Vertrag keine explizite Regelung vorsieht. Es ist daher notwendig, bereits im Voraus zu bestimmen, ob der Lieferant in dem Fall der Beendigung des Vertrages zum Rückkauf verpflichtet ist (in solchen Fällen empfiehlt es sich, den Preis hierfür festzulegen).

Eigentumsvorbehaltsklausel:

In bestimmten Ländern (Frankreich, Deutschland) ist die Eigentumsvorbehaltsklausel auch ohne Registrierung und ohne Verbleib der Sache an einem vorbestimmten Ort wirksam. Es handelt sich folglich um eine sehr nützliche Klausel in einem Vertriebsvertrag, um unerfreuliche Situationen im Fall der Insolvenz des Vertreibers zu vermeiden.

Lieferort:

Der Lieferort – und das Prinzip der Übertragung der Risiken – kann im Vertrag oder durch die von den Parteien ausgetauschten Bestellungen/Auftragsbestätigungen bei jedem einzelnen Verkauf vereinbart werden.

Weitere Klauseln:

Die Vertragsfreiheit sind (fast) keine Grenzen gesetzt, aber zu den wichtigsten Klauseln zählen: die Vertragsdauer, die Modalitäten für die Verlängerungen des Vertrages, die Kündigungsfrist, die Verpflichtung zum Abschluss von Versicherungen, zur Zusammenarbeit, zur Zusammensetzung der Produkte, zur Teilnahme an Messen etc..

Geltendes Recht und Gerichtsstand:

Die Wahl des zuständigen Gerichts sowie des auf den internationalen Vertrag anzuwendenden Rechts ist wichtig, da die rechtliche Ausgestaltung des Vertriebsverhältnisses in Europa von Land zu Land sehr unterschiedlich ist (siehe unten). Doch im Gegensatz zu dem, was oft behauptet wird, führt die Rechtswahl bzw. die Wahl des Gerichtsstandes nicht dazu, dass eine absolute Sicherheit hierüber besteht.

Daher verfügen viele europäische Länder über Normen des internationalen Völkerrechts, die trotz der Wahl eines zuständigen Gerichts und /oder des geltenden Rechts bei diesen Verträgen Anwendung finden. In anderen Worten, es wird nicht ausreichen, das zuständige Gerichte und/oder das anzuwendende italienische, französische, deutsche etc. Recht festzulegen, um Bestimmungen in Verträgen automatisch als richtig anzuerkennen. Daher sollte man in jedem Land die dort geltenden gesetzlichen Regelungen beachten.

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II – SCHWIERIGKEITEN UND BEENDIGUNG IM INTERNATIONALEN VERTRIEBSVERHÄLTNIS

Ein besonders heikler Zeitpunkt der Geschäftsbeziehung ist die Beendigung des Vertrages.

Die Parteien können verschiedene Interessen an der Beendigung einer Geschäftsbeziehung haben:

  • Änderung der Handelsstrategien
  • geringere Produktivität innerhalb eines bestimmten Bereichs
  • die Entscheidung, den Vertrieb der eigenen Produkte einem anderen Vertreiber anzuvertrauen
  • eine interne Neuorganisation des Unternehmens.
  • Sehr oft verbleibt bei der Beendigung der Vertriebsbeziehungen zwischen Vertreiber und Lieferant einer von beiden unzufrieden.

Die besonders dichte Verflechtung der nationalen Normen auf der einen Seite und die möglicherweise vorhandenen vertraglichen Dokumenten zwischen den Parteien auf der anderen Seite, machen es dem Handelnden oft sehr schwer zu entscheiden, welche Regel anzuwenden ist und welchen Risiken er sich aussetzt.

Es liegt auf der Hand, dass wir im Rahmen des vorliegenden Artikels kein wirkliches Analysewerkzeug für die bei einem internationalen Vertriebsverhältnis anzuwendenden Regelungen anbieten können.

Wir haben es jedoch als nützlich erachtet, eine kurze Reise in die Welt der Gesetze und Vorschriften in europäischen Ländern anzubieten, mit denen wir uns jeden Tag beschäftigen. Hierzu muss der Hinweis erfolgen, dass wir Ihnen jedenfalls empfehlen, sich für jedes andere Land mit einem spezialisierten Fachmann in Verbindung zu setzen.

ITALIEN: Für den Fall der Vertragsbeendigung kann Art. 9 des Gesetzes 192 aus dem Jahre 1998 bei Verträgen mit Sublieferanten Probleme bereiten.

Dieser Artikel (den die jüngste Rechtssprechung auch für Vertriebsverträge als anwendbar erachtet) verbietet das Ausnutzen wirtschaftlicher Abhängigkeit. Dabei ist für Abhängigkeit allgemein eine Situation des übermäßigen Ungleichgewichts von Rechten und Pflichten anzusehen.

Die zwischen Hersteller und Vertreiber bestehende Verbindung kann die Vermutung der wirtschaftlichen Abhängigkeit begründen., insbesondere wenn eine Ausschließlichkeitsklausel vereinbart wurde oder wenn es sich um „Vertreiber von Markenprodukten“ handelt.

Das Ausnutzen kann bereits in der Auferlegung unangemessen belastender oder diskriminierender Vertragsbindungen bestehen oder bei willkürlicher Unterbrechung der laufenden Geschäftsbeziehung.

Leider sind die Definitionen der wirtschaftlichen Abhängigkeit und des Ausnutzens durch den Gesetzgeber sehr vage gehalten, so dass es heutzutage nicht selten für ein Unternehmen (sowohl Hersteller als auch Vertreiber) ist, dass es sich in dem Zeitpunkt, in dem es sich entscheidet, den Vertrag zu beenden, gegen den Vorwurf wirtschaftlicher Abhängigkeit verteidigen muss.

Wenn die Vertragsbeendigung vom Richter als Ausnutzen einer wirtschaftlichen Abhängigkeit angesehen würde, wäre die kündigende Partei gezwungen, der anderen Partei einen Ausgleichsanspruch für die nicht eingehaltene Kündigungsfrist sowie Schadensersatz für die ihr dadurch entstandenen Schäden zu bezahlen.

FRANKREICH: Das französische Handelsgesetzbuch sieht vor, dass der Vertragspartner einer Geschäftsbeziehung B to B, bei einem abrupten (Teil-) Abbruch einer stabilen wirtschaftlichen Geschäftsbeziehung verurteilt werden kann, seinem Vertragspartner Schadensersatz zu zahlen. Diese Regel sieht für eine Partei, die den bestehenden Vertrag kündigen möchte vor, dass sie im Kündigungsschreiben die Dauer der Vertriebsbeziehung und ihre Wichtigkeit für den Vertragspartner berücksichtigen muss. Die im Vertrag festgelegte Kündigungsfrist ist von daher ohne Bedeutung.

Das gleiche Risiko trägt derjenige, der damit droht, die Vertriebsbeziehung abzubrechen, um Vorteile zu erzielen, die die Beziehung aus dem Gleichgewicht brächten.

Insbesondere bei dieser Regelung ist besondere Vorsicht geboten, da sie nach der Rechtsprechung des französischen Kassationsgerichtshofes in allen internationalen Beziehungen Anwendungen findet, bei denen eine Partei französischer Staatsangehörigkeit ist (unabhängig davon ob es sich um die verletzte oder die verletzende Partei handelt).

Die Vertragsklausel über die Wahl eines anderen anwendbaren Rechts hat keinen Einfluss auf die Anwendbarkeit dieser Vorschrift.

DEUTSCHLAND: Die Rechtsprechung in Deutschland sieht bei der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen für den Vertreiber bei Beendigung der Geschäftsbeziehung eine Entschädigung vor, ähnlich dem Ausgleichsanspruch bei der Kündigung von Handelsvertretern.

Wenn der Vertreiber während der Geschäftsbeziehung im Einklang mit der Verkaufspolitik des Lieferanten gehandelt hat und diesem die Identität der Kunden, denen er Produkte verkauft hat, mitgeteilt hat, dann hat er einen Ausgleichsanspruch. Die Berechnung der Höhe des Ausgleichsanspruches erfolgt dabei auf der Grundlage des Art. 89 b HGB, der  bei Beendigung des Handelsvertretervertrages zu Grunde gelegt wird.

Es ist zu beachten, dass deutsche Gerichte, um die festgestellte und oben aufgeführten Sachverhalt festzustellen, die tatsächlichen Gegebenheiten zwischen den Parteien prüfen werden und sich nicht damit begnügen, lediglichdas zu berücksichtigen, was im Vertrag geschrieben ist, sofern dieser überhaupt vorhanden ist.

BELGIEN: Das Gesetz vom 27. Juli 1961 sieht einen besonderen Schutz für den belgischen Vertragshändler vor, der Opfer einer Vertragskündigung wird. Wenn der Vertrag auf belgischem Staatsgebiet abgewickelt wird (d.h. der Vertragshändler vertreibt die Ware in Belgien), dann sind nach der internationalen Rechtsordnung die belgischen Gerichte zuständig und es kommt belgisches Recht zur Anwendung .

Das Gesetz sieht in diesem Fall weitgehende Entschädigungen des Vertragshändlers  entsprechend der Marktentwicklung und der Produktverkäufe vor.

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Abschließend ist zu bemerken, dass einem auf dem Gebiet der europäischen Vertreibern Tätigem sinnvollerweise zu besonderer Vorsicht und Vorbereitung zu raten ist.

Dies gilt sowohl für den Zeitpunkt des Vertragsschlusses als auch für den Zeitpunkt der Beendigung des Vertriebsverhältnisses. Da es in diesem Bereich von ausschlaggebender Bedeutung ist sollte zunächst entschieden werden, was zu machen ist und sodann überlegt werden, wie dies gemacht werden soll. Der Anfangserfolg und auch der Erfolg der geänderten internationalen Strategie wird zum Teil davon abhängen. Wir hoffen, dass wir Ihnen mit dem vorliegenden Artikel einige Informationen an die Hand geben konnten, die Ihnen unmittelbar in der Praxis von Nutzen sind.

 

MG. LM. RP.

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[1] Die Mandatsverträge (wie der Handelsvertretervertrag, der Geschäftsbesorgungsvertrag) und die speziellen Verträge (Franchising) sind hiervon ausgenommen.

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Rechtsanwalt
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