Fachbeitrag 24.02.2012

Über den Aufhebungsvertrag


Aufhebungsvertrag und die Möglichkeit eines Rücktritts vom Aufhebungsvertrag bei Nichtauszahlung der Abfindung.

Am 10. November 2011 hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil zu Aktenzeichen  2011 – 6 AZR 357/10 nachfolgendes entschieden:

Sachverhalt:

Der im August 1950 geborene Kläger war seit Oktober 1973 bei der Schuldnerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin beschäftigt. Der am 1. Oktober 2007 geschlossene Aufhebungsvertrag sah zum einen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2008 und zum anderen eine Abfindung i.H.v. 110.500,00 Euro für den Verlust des Arbeitsplatzes vor, die mit der Vergütung für Dezember 2008 zu zahlen war. Am 5. Dezember 2008 beantragte die Schuldnerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Das Insolvenzgericht bestellte mit Beschluss vom 8. Dezember 2008 den Beklagten zu 1. zum vorläufigen Insolvenzverwalter und ordnete zugleich an, dass Verfügungen der Schuldnerin über Gegenstände ihres Vermögens nur noch mit Zustimmung des Beklagten zu 1. wirksam sind. Am 16. Dezember 2008 forderte der Kläger die Schuldnerin erfolglos schriftlich zur fristgerechten Zahlung der Abfindung auf und übersandte dem Beklagten zu 1. eine Kopie des Schreibens. Nachdem er von der Schuldnerin nochmals ohne Erfolg die Zahlung der Abfindung bis spätestens 16. Januar 2009 verlangt hatte, erklärte der Kläger am 19. Januar 2009 schriftlich seinen Rücktritt vom Aufhebungsvertrag. Am 1. März 2009 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zu 1. zum Insolvenzverwalter bestellt.
Mit seiner Klage hat der Kläger die Feststellungen beantragt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Aufhebungsvereinbarung vom 1. Oktober 2007 nicht zum 31. Dezember 2008 beendet worden ist und die Beklagte zu 2. aufgrund eines Betriebsübergangs zum 22. April 2009 in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis eingetreten sei. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben.
Die Revision des Beklagten zu 1. und der Beklagten zu 2. hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg.

Zur Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht entschied zugunsten des Arbeitgebers, dass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des  31. Dezember 2008 ende da der Kläger nicht wirksam vom Aufhebungsvertrag zurückgetreten sei. So hätten die Rücktrittsvoraussetzungen des § 323 Abs. 1 BGB am 16. Januar 2009 nicht vorgelegen. Der Abfindungsanspruch sei nicht durchsetzbar gewesen da die Schuldnerin die Abfindungssumme, aufgrund der Anordnung des Insolvenzgerichts, nicht ohne Zustimmung des Beklagten zu 1. an den Kläger hätte auszahlen dürfen. Darüber hinaus stünde der Durchsetzbarkeit des Abfindungsanspruchs die „dolo-petit-Einrede“ entgegen. Der Kläger fordere mit der Abfindung eine Leistung, die er alsbald nach § 143 Abs. 1 InsO wegen Anfechtbarkeit der Abfindungszahlung zur Insolvenzmasse hätte zurückgewähren müssen. Gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist unter anderem eine Rechtshandlung anfechtbar, die einem Insolvenzgläubiger eine Befriedigung gewähre, die nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen wurde soweit dem Gläubiger zur Zeit der Handlung der Eröffnungsantrag bekannt war. Diese Voraussetzungen hätten bei einer Zahlung der Abfindung mit der Vergütung für Dezember 2008 vorgelegen. Die Beklagte zu 2. ist aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 31. Dezember 2008 nicht gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB zum 22. April 2009 infolge Betriebsübergangs in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis eingetreten.

Anmerkung

Die Entscheidung des BAG ist im Hinblick auf seine bisherigen Entscheidungen nachvollziehbar. Es handelt sich hierbei nicht um eine Änderung der Rechtslage, vielmehr hat das Bundesarbeitsgericht der erheblichen Änderungen im Insolvenzrecht Rechnung getragen, sodass es nunmehr Aufgabe des Arbeitnehmervertreters ist ggf. eine entsprechende Klausel zur Umgehung dieser Problematik in einen Aufhebungsvertrag mit aufzunehmen.

Da diese Entscheidung vermutlich oft missverstand möchten wir noch auf folgendes hinweisen. Auch nach dieser Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes steht weiter fest, dass ein Rücktritt vom Aufhebungsvertrag weiter möglich ist. Bei einem Aufhebungsvertrag mit Zahlung einer Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes liegt regelmäßig ein gegenseitiger Vertrag vor. Die Abfindung liegt in der Regel auch im Gegenseitigkeitsverhältnis zur Zustimmung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Es besteht damit ein Rücktrittsrecht nach § 323 Abs. 1 BGB , soweit dies nicht ausdrücklich oder konkludent im Aufhebungsvertrag abbedungen ist. Natürlich müssen die weiteren Voraussetzungen wie Verzug und Durchsetzbarkeit der Forderung vorliegen. Wie oben aufgezeigt liegt  die Voraussetzung „Durchsetzbarkeit der Forderung“ im Falle der Insolvenz eines Unternehmens in der Regel nicht vor.

Achtung:
Vorbezeichnete Ausführungen sind nicht als Rechtsberatung gedacht und ersetzten auch keine Rechtsberatung. Bei der Lösung Ihrer arbeitsrechtlichen Konflikte steht Ihnen Herr Rechtsanwalt Meinolf Nierhof gerne zur Verfügung

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