Fachbeitrag 02.08.2011

Aufhebungsvertrag und Sperrzeit


Aus der Praxis:

 

Die Widerspruchsführerin (Mandantin) hatte Arbeitslosengeld beantragt, die Widerspruchsgegnerin (Bundesagentur für Arbeit) dies mit angefochtenem Bescheid abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Widerspruchsführerin den Verlust des Arbeitsplatzes selbst zu verschulden hat, da sie einen Aufhebungsvertrag geschlossen hatte.

 

Die Widerspruchsgegnerin verkannte bei ihrer Entscheidung aber die Hintergründe, wie es zum Abschluss des Aufhebungsvertrages gekommen war.

 

Die Parteien des ehemaligen Arbeitsverhältnisses hatten sich für den Aufhebungsvertrag entschieden, um der Widerspruchsführerin eine arbeitgeberseitige Kündigung zu ersparen. Diese Kündigung wäre auch rechtmäßig erfolgt.

 

Um einer solchen Kündigung vorzubeugen, wurde ein Aufhebungsvertrag geschlossen. In dem Vertrag wurde ausführlich begründet und dargelegt, dass der Vertrag zur Vermeidung einer Kündigung geschlossen wird.

 

Die Entscheidung der Widerspruchsgegnerin – Verhängung einer Sperrfrist nach § 144 SGB III – ist daher nicht nachvollziehbar und haltbar.

 

§ 144 SGB III lautet in seinem ersten Absatz dazu wie folgt:

„Hat der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben, ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit.“

 

Im weiteren Verlauf der Norm werden einzelne Punkte, die als wichtiger Grund gelten sollen, aufgeführt, so z.B. in Nr. 1:

 

„Versicherungswidriges Verhalten liegt vor, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe)“

 

Wie die Beendigung durch Aufhebungsvertrag zu handhaben ist, haben viele Arbeitsagenturen noch nicht verinnerlicht bzw. vergessen ihre Mitarbeiter entsprechend zu schulen. Es entstehen immer noch zahlreiche Unklarheiten.

 

In der Stellungnahme der Widerspruchsführerin zu ihrem Antrag auf ALG legte diese nochmals dar, dass der Aufhebungsvertrag nur deswegen geschlossen worden war, um einer betriebsbedingten Kündigung vorzubeugen.

 

Die Voraussetzungen für das Verhängen einer Sperrzeit nach § 144 SGB III liegen hier nicht vor.

 

Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts stellt die Rechtmäßigkeit der angedrohten Kündigung schon allein als einen wichtigen Grund für einen Aufhebungsvertrag dar (siehe dazu: Urteil vom 17.11.2005, B 11a/11 AL 69/04 R; Urteil vom 12.07.2006, B 11a 47/05 R).

 

Die Widerspruchsgegnerin durfte daher nach derzeitiger sozialgerichtlicher Rechtsprechung keine Sperrzeit wegen eines Aufhebungsvertrags verhängen, da der Arbeitgeber der Widerspruchsführerin bei Verzicht auf den Aufhebungsvertrag eine rechtmäßige Kündigung ausgesprochen hätte und dies auch angekündigt hat, so dass der Arbeitsplatz so oder so weggefallen wäre.

 

Genau damit hatte die Widerspruchsführerin ihren Antrag auf ALG begründet und zum Aufhebungsvertrag Stellung genommen. Die Widerspruchsgegnerin ließ dies aber unberücksichtigt.

 

Da die Beendigung des vorliegenden Arbeitsverhältnissees auf Veranlassung des ehemaligen Arbeitgebers der Widerspruchsführerin aus betriebsbedingten Gründen erfolgte und es ohne den Abschluss des Aufhebungsvertrags zu einer rechtmäßigen Kündigung gegenüber der Widerspruchsführerin zum gleichen Zeitpunkt gekommen wäre, ist der Bescheid über das Verhängen einer Sperrzeit

 

Bei einer drohenden rechtmäßigen Arbeitgeberkündigung liegt ein wichtiger Grund für den Abschluss eines Aufhebungsvertrags vor, ohne dass es auf weitere, vom Arbeitnehmer darzulegende Umstände ankommt.

 

Damit hat die Widerspruchsführerin die Arbeitslosigkeit selbst nicht herbeigeführt.

 

Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig, verletzt die Widerspruchsführerin in ihren Rechten und ist daher aufzuheben.

 

Auf die Widerspruchsentscheidung dürfen wir gespannt sein.

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Rechtsanwalt
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