Fachbeitrag 11.06.2012

Anerkennung von Privatverhältnissen in Frankreich – Zweiter Teil


Anerkennung in Frankreich von im Ausland wirksam entstandenen Privatverhältnissen – Zweiter Teil

II.  Nichtanerkennung   von  amerikanischen  Geburtsurkunden  nach  Geburt  der  Kinder  durch  Leihmütter

 

Nachdem   der  1.  Senat   des  französischen  Kassationshofs   am  8.  Juli  2010

eine  amerikanische  Entscheidung  über   die  Stiefkindadoption  innerhalb  eines  lesbischen   Paares   anerkannt  hatte,   hat  derselbe  Senat  mit  drei  am  selben  Tag  ergangenen  Entscheidungen  am   6.  April  2011   die  Anerkennung  von  ebenfalls  amerikanischen  Entscheidungen   nach  einem  elf  Jahre  andauernden  Streit  verwehrt (4). 

Tatbestand  war  folgender  :  Drei  französische  Ehepaare  haben   sich    in  den  USA   im  Wege einer  künstlichen  Befruchtung   ihren  Kinderwunsch  erfüllt.  In  allen  Fällen   wurden   die  Kinder  durch  heterologe  Befruchtung (5)  gezeugt  und  von  einer  Leihmutter  ausgetragen.  Die  Eheleute  haben  eine  „amerikanische“  Geburtsurkunde,  in  der   sie  als  gesetzlicher  Vater  und   legale   Mutter  der  Kinder  eingetragen  sind, erhalten.  In  den  ersten  beiden  Fällen,  haben  die  Ehemänner  bei dem  französischen  Konsulat  in  den  USA  die  Nachbeurkundung  der  amerikanischen  Geburtsurkunden  der  Kinder  beantragt.  Im letzten  Fall  haben   die  Eheleute  eine  andere  Strategie  verfolgt,  indem   sie   vor  dem  französischen  Amtsgericht  einen  acte  de  notorité   zur  Feststellung  des  Statusbesitzes   beantragt   und  auch  bekommen  haben.  Die  Nachbeurkundung  in  die  französischen  Personenstandsregister   wurde  in  allen  Fällen  verweigert.

Der  Oberste  Gerichtshof   hat   in  allen  Fällen  die  Anerkennung  mit  der Begründung  verwehrt, dass  die  amerikanischen   Entscheidungen   mit   dem   internationalen  französischen  ordre  public  unvereinbar  seien,  da   sie  den  wesentlichen  Grundsätzen  des  französischen  Rechts,  das  ausdrücklich   Leihmütterverträge  verbietet,  widersprächen. 

Der  Kassationshof  musste  sich  auch  mit  Artikel  3-1 der  Konvention   der  Vereinigten  Nationen von  1989  über  die  Kinderrechte,  welcher  das  Kindeswohl schützt  und  Artikel  8 der  Menschrechtskonvention,  welcher des  Privat-  und  Familienlebens  schützt,  auseinandersetzen.

Nach  den   Bestimmungen  des   französischen   Gesetzes  über  die  Bioethik  sind  Leihmütterverträge  unwirksam.  Das  Gesetz  sagt  ausdrücklich,  dass  die  Bestimmungen  dem   französischen  ordre  public  unterliegen  (6). Es  gibt  zwar  in  den  USA  kein  Bundesgesetz  über  Leihmütterverträge,  jedoch   sind  sie  in  Staaten   wie  Kalifornien  und  Minnesota   rechtlich,  sozial  und  medizinisch  geregelt.   Die  Kinder  wurden  alle  in  diesen  Staaten  ausgetragen,  kamen  dort   zur  Welt  und  bekamen   eine  amerikanische  Geburtsurkunde,  in   der  die  „beabsichtigten  Eltern“   als  Vater  und  Mutter  eingetragen  sind.   Der  so  in  den  Vereinigten  Staaten   entstandene  Tatbestand   war  damit  wirksam. 

Im  Gegensatz   zu   der  ebenfalls  in  den  USA  wirksam   erfolgten,  jedoch  in  Frankreich  verbotenen   Stiefkindadoption,  deren  Folgen  in  Frankreich  anerkannt   wurden,  geht  hier der   Kassationshof   auf  den  Ursprung  –  die  in  Frankreich   nicht  erlaubte  kommerzielle  Schwangerschaft  –  zurück. Die  höchstrichterliche  Rechtsprechung   hat  somit  den  internationalen  ordre  public   in  seiner  vollen  Wirkung  gelten  lassen.  Das  internationale  französische  Privatrecht   kennt  ebenfalls   den   ordre  public  de  proximité.   Dieses  Konzept  wird  zwar  in  keiner  der  Entscheidungen   explizit  hervorgehoben.  Tatsache  ist  jedoch,  dass   in  dem  Adoptionsfall   eine  Inlandsbeziehung   bestand,  da  die  biologische  Mutter  Amerikanerin   ist.  Dazu  kam,  dass   die  Lebensgemeinschaft   schon  vor  der  Adoption  in  den  USA  bestand,  während   es  in  den  anderen  Fällen   an  dieser  Inlandsbeziehung (7) fehlt,   da   alle  Eheleute  Franzosen   sind   und   die  Kinder  mit  ihren  Eltern  in  Frankreich  leben  werden. 

Auch   die  Situation  in  Bezug  auf   die  Kinder   als  einen  Verstoß  gegen  die  internationalen   Übereinkommen  zu  betrachten,   hat  den  Obersten  Gerichthof  nicht  davon  überzeugt,   den  ausländischen  Tatbestand  in  die  französische  Rechtsordnung  eintreten  zu  lassen.  Dank  der  höchstrichterlichen  Rechtsprechung   sind  seit  2005 gewisse  Artikel,  wie  Artikel  3-1  der  Kinderrechtskonvention   der  Vereinigten  Nationen  von  1989   unmittelbar  vor  den  französischen  Gerichten  anwendbar.   Eine  Würdigung   in  concreto   des  höchsten  Kindeswohl   hätte  unweigerlich  dazu   führen  müssen,   dass   die  Geburtsurkunden,   die  die  Abstammung  der  Kinder  verbriefen,   anerkannt  worden  wären.   Aus  der    Nichtanerkennung   mit  der  Begründung,  dass   „die  Kinder  eine  amerikanische  Abstammung  hätten“,   ist   zu  schließen,  dass   der Kassationshof   in  abstracto  räsoniert  und   somit   das  Verhalten  der  Eheleute,   die  eine  in  Frankreich  illegale  Situation  umgangen  haben,  sanktioniert hat.  Auch   auf   die  Frage,  ob   der  in  Frankreich   fehlende  Personenstand   der  Kinder  nicht  dem  Recht   auf  Achtung  eines  Familienlebens  in  Frankreich  in  Anwendung   des  Artikel  8  der  Menschrechtskonvention  verstöße,  hat  der  Kassationshof   vereinend  geantwortet, indem  er  seine  Entscheidung  dergestalt  begründete,  dass   „die  Situation   die  Kinder  nicht  daran  hindere  mit  ihren   „beabsichtigten  Eltern“  in  Frankreich  zu  leben“. In  diesem   Punkt   hat  jedoch  die  höchstrichterliche  Rechtsprechung   eine  Schwachstelle,  denn   bereits  im  Jahre  2007  hat  der  Gerichtshof  für  Menschenrecht  in  einer  ähnlichen  im   Ausland  entstandenen  Situation   die  „soziale  Realität“,  die  aus   einer  peruanischen  Adoptionsentscheidung  herrührt,   über  das  in  Luxemburg  geltende   Recht   enthaltene   Adoptionsverbot  für  Junggesellen  gestellt (8).  Diese  Entscheidung   wurde  von  den   Straßburger  Richtern   am  3. Mai  2011   bestätigt (9). 

(4)   Kassationshof  1.  Zivilsenat  6.  April  2011,  Nr.  10-19.053  und  Nr. 09-17.130,  Rev. Crit.  DIP,  Seite 722,  Kommentar  Petra  HAMMJE

(5)   Man  versteht  unter  heterologer  Befruchtung,  eine  Befruchtung  (a)  nach  Eispende  einer  Frau,  die  nicht die  Ehefrau  ist,  mit  Spermien  des  Ehemannes  oder  (b)  des  Eis  der  Ehefrau  mit  Spermien   eines Mannes,  der  nicht  der  Ehemann  ist.

(6)  Artikel 16-7 Code Civil

(7)  Der deutsche Begriff Inlandsbeziehung wurde hier aus  sprachlichen  Gründen  verwendet 

(8)  Gerichtshof  für  Menschrechte  28.  Juni 2007,  Nr. 76240/01  Wagner /  Luxemburg 

(9)   Gerichtshof  für  Menschenrechte  3.  Mai  2011  Negrepoulis-Giannisis  /  Griechenland

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Rechtsanwalt
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