Anerkennung in Frankreich von im Ausland wirksam entstandenen Privatverhältnissen – Zweiter Teil
II. Nichtanerkennung von amerikanischen Geburtsurkunden nach Geburt der Kinder durch Leihmütter
Nachdem der 1. Senat des französischen Kassationshofs am 8. Juli 2010
eine amerikanische Entscheidung über die Stiefkindadoption innerhalb eines lesbischen Paares anerkannt hatte, hat derselbe Senat mit drei am selben Tag ergangenen Entscheidungen am 6. April 2011 die Anerkennung von ebenfalls amerikanischen Entscheidungen nach einem elf Jahre andauernden Streit verwehrt (4).
Tatbestand war folgender : Drei französische Ehepaare haben sich in den USA im Wege einer künstlichen Befruchtung ihren Kinderwunsch erfüllt. In allen Fällen wurden die Kinder durch heterologe Befruchtung (5) gezeugt und von einer Leihmutter ausgetragen. Die Eheleute haben eine „amerikanische“ Geburtsurkunde, in der sie als gesetzlicher Vater und legale Mutter der Kinder eingetragen sind, erhalten. In den ersten beiden Fällen, haben die Ehemänner bei dem französischen Konsulat in den USA die Nachbeurkundung der amerikanischen Geburtsurkunden der Kinder beantragt. Im letzten Fall haben die Eheleute eine andere Strategie verfolgt, indem sie vor dem französischen Amtsgericht einen acte de notorité zur Feststellung des Statusbesitzes beantragt und auch bekommen haben. Die Nachbeurkundung in die französischen Personenstandsregister wurde in allen Fällen verweigert.
Der Oberste Gerichtshof hat in allen Fällen die Anerkennung mit der Begründung verwehrt, dass die amerikanischen Entscheidungen mit dem internationalen französischen ordre public unvereinbar seien, da sie den wesentlichen Grundsätzen des französischen Rechts, das ausdrücklich Leihmütterverträge verbietet, widersprächen.
Der Kassationshof musste sich auch mit Artikel 3-1 der Konvention der Vereinigten Nationen von 1989 über die Kinderrechte, welcher das Kindeswohl schützt und Artikel 8 der Menschrechtskonvention, welcher des Privat- und Familienlebens schützt, auseinandersetzen.
Nach den Bestimmungen des französischen Gesetzes über die Bioethik sind Leihmütterverträge unwirksam. Das Gesetz sagt ausdrücklich, dass die Bestimmungen dem französischen ordre public unterliegen (6). Es gibt zwar in den USA kein Bundesgesetz über Leihmütterverträge, jedoch sind sie in Staaten wie Kalifornien und Minnesota rechtlich, sozial und medizinisch geregelt. Die Kinder wurden alle in diesen Staaten ausgetragen, kamen dort zur Welt und bekamen eine amerikanische Geburtsurkunde, in der die „beabsichtigten Eltern“ als Vater und Mutter eingetragen sind. Der so in den Vereinigten Staaten entstandene Tatbestand war damit wirksam.
Im Gegensatz zu der ebenfalls in den USA wirksam erfolgten, jedoch in Frankreich verbotenen Stiefkindadoption, deren Folgen in Frankreich anerkannt wurden, geht hier der Kassationshof auf den Ursprung – die in Frankreich nicht erlaubte kommerzielle Schwangerschaft – zurück. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat somit den internationalen ordre public in seiner vollen Wirkung gelten lassen. Das internationale französische Privatrecht kennt ebenfalls den ordre public de proximité. Dieses Konzept wird zwar in keiner der Entscheidungen explizit hervorgehoben. Tatsache ist jedoch, dass in dem Adoptionsfall eine Inlandsbeziehung bestand, da die biologische Mutter Amerikanerin ist. Dazu kam, dass die Lebensgemeinschaft schon vor der Adoption in den USA bestand, während es in den anderen Fällen an dieser Inlandsbeziehung (7) fehlt, da alle Eheleute Franzosen sind und die Kinder mit ihren Eltern in Frankreich leben werden.
Auch die Situation in Bezug auf die Kinder als einen Verstoß gegen die internationalen Übereinkommen zu betrachten, hat den Obersten Gerichthof nicht davon überzeugt, den ausländischen Tatbestand in die französische Rechtsordnung eintreten zu lassen. Dank der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind seit 2005 gewisse Artikel, wie Artikel 3-1 der Kinderrechtskonvention der Vereinigten Nationen von 1989 unmittelbar vor den französischen Gerichten anwendbar. Eine Würdigung in concreto des höchsten Kindeswohl hätte unweigerlich dazu führen müssen, dass die Geburtsurkunden, die die Abstammung der Kinder verbriefen, anerkannt worden wären. Aus der Nichtanerkennung mit der Begründung, dass „die Kinder eine amerikanische Abstammung hätten“, ist zu schließen, dass der Kassationshof in abstracto räsoniert und somit das Verhalten der Eheleute, die eine in Frankreich illegale Situation umgangen haben, sanktioniert hat. Auch auf die Frage, ob der in Frankreich fehlende Personenstand der Kinder nicht dem Recht auf Achtung eines Familienlebens in Frankreich in Anwendung des Artikel 8 der Menschrechtskonvention verstöße, hat der Kassationshof vereinend geantwortet, indem er seine Entscheidung dergestalt begründete, dass „die Situation die Kinder nicht daran hindere mit ihren „beabsichtigten Eltern“ in Frankreich zu leben“. In diesem Punkt hat jedoch die höchstrichterliche Rechtsprechung eine Schwachstelle, denn bereits im Jahre 2007 hat der Gerichtshof für Menschenrecht in einer ähnlichen im Ausland entstandenen Situation die „soziale Realität“, die aus einer peruanischen Adoptionsentscheidung herrührt, über das in Luxemburg geltende Recht enthaltene Adoptionsverbot für Junggesellen gestellt (8). Diese Entscheidung wurde von den Straßburger Richtern am 3. Mai 2011 bestätigt (9).
(4) Kassationshof 1. Zivilsenat 6. April 2011, Nr. 10-19.053 und Nr. 09-17.130, Rev. Crit. DIP, Seite 722, Kommentar Petra HAMMJE
(5) Man versteht unter heterologer Befruchtung, eine Befruchtung (a) nach Eispende einer Frau, die nicht die Ehefrau ist, mit Spermien des Ehemannes oder (b) des Eis der Ehefrau mit Spermien eines Mannes, der nicht der Ehemann ist.
(6) Artikel 16-7 Code Civil
(7) Der deutsche Begriff Inlandsbeziehung wurde hier aus sprachlichen Gründen verwendet
(8) Gerichtshof für Menschrechte 28. Juni 2007, Nr. 76240/01 Wagner / Luxemburg
(9) Gerichtshof für Menschenrechte 3. Mai 2011 Negrepoulis-Giannisis / Griechenland