Fachbeitrag 11.06.2012

Anerkennung von Privatverhältnissen in Frankreich – Erster Teil


Ausländische   Entscheidungen,  die  den  Personenstand  betreffen,   treten   nach  französischer  höchstrichterlicher  Rechtsprechung   de  plano  in  die  französische  Rechtsordnung  ein,  stehen  aber   unter  dem   Vorbehalt  einer  nachträglichen  Kontrolle  ihrer  Rechtmäßigkeit.   Nachbeurkundungen   ausländischer   Personenstandsurkunden  unterliegen  u.U. der  Kontrolle  der  Staatsanwaltschaft.  Rügt  die  Staatsanwaltschaft  die  Rechtmäßigkeit,  muss  die  Entscheidung  in  einem  Verfahren,  das  man  Exequatur  nennt,  anerkannt  werden.

Die  Domäne  des  Personenstands  ist  in  allen   internationalen  Übereinkommen,  die  die  Anerkennungsbedingungen  ausländischer  Entscheidungen  vorsehen,  ausgeschlossen.  Rechtsgrundlage  sind  hier  die  von der  Rechtsprechung   Munzer/Munzer  ausgearbeiteten  Anerkennungshindernisse,  von  denen   heute  nur  noch  drei  bestehen (1).  Eines   dieser  Anerkennungshindernisse  ist  der  ordre  public-Vorbehalt.  Der  anerkennungsrechtliche  ordre public-Vorbehalt  hat  zum  Inhalt,  dass  ausländische  Entscheidungen  ausnahmsweise 

nicht  anerkannt  werden, wenn  die  Anerkennung  bzw.  Vollstreckbarerklärung  mit  wesentlichen  Grundsätzen  des  inländischen  Rechts  im  Widerspruch  steht. 

Die  jüngste  französische  Rechtsprechung  betreffend  die  Anerkennung  im  Ausland  wirksam  entstandener  Tatbestände  verdient  es, dem  deutschsprachigen  Juristen  zur  Kenntnis  gebracht  zu  werden.

I.  Anerkennung   einer  in  den  Vereinigten  Staaten  erfolgten   Stiefkindadoption  innerhalb  eines  lesbischen  Paares

Mit  Entscheidung  vom  8.  Juli  2010  hat  der  erste  Senat  des  französischen  Kassationshofs  eine   in den  Vereinigten  Staaten  erfolgte   Stiefkindadoption  innerhalb  eines  gleichgeschlechtlichen  Paares anerkannt.  Zugrunde  lag  folgender  Tatbestand  : Eine  Französin  und  eine  Amerikanerin  leben  zusammen  in  Georgia  (USA),  wo  sie  miteinander  einen  domestic  partnership  geschlossen haben.  Im  Jahre  1999  bringt  die  Amerikanerin,  nach  künstlicher  Befruchtung  durch  eine  anonyme  Samenspende,   ein  Kind  zur  Welt. Noch  im  gleichen  Jahr  spricht  das  amerikanische  Gericht  die  Stiefkindadoption  durch  die  französische  Partnerin   aus  und  ordnet  an,  dass  die  adoptierende  Partei   in  der  Geburtsurkunde  des  Kindes  als  Elternteil   vermerkt  wird.  Die  Französin  bittet  das  französische  Gericht,  das  Adoptionsurteil  anzuerkennen;  sie  unterlag  in  den  untersten   Instanzen.  Der   Cour  d’Appel   Paris  wies  den  Antrag  zurück  mit  der  Begründung,  dass   die  Adoptionsentscheidung   gegen  den  internationalen  französischen   Ordre  Public  verstoße,  da  nach  französischem  Recht   nur  die  adoptierende  Partei  das  Sorgerecht  über  das  Kind  ausübe  und  somit  die  biologische  Mutter,  obwohl  sie  mit  ihrer  Partnerin  zusammen  lebt,  ihre  Rechte verloren  hätte.

Der  Kassationshof  hat  die  Entscheidung    mit  der  Begründung  aufgehoben,

dass   die  „Verweigerung  der  Anerkennung  einer  ausländischen  Entscheidung  aufgrund  des Verstoßes  gegen  den  internationalen  französischen  Ordre  Public  voraussetze,  dass  die  Entscheidung  Bestimmungen  enthalte,  die  den  wesentlichen  Grundsätzen  des  französischen  Rechts  widersprechen;  dies  sei  bei  der  vorliegenden  Entscheidung, die  das  gemeinsame  Sorgerecht  zwischen  der  Mutter  und  der Partnerin,  die  deren  Kind  adoptiert  hat,  vorsieht,  nicht  der  Fall“  (2).  

Das  französische  Recht  erlaubt  es  nicht,  dass   innerhalb  einer  eingetragenen Lebensgemeinschaft  der  Partner  oder  die  Partnerin  der  biologischen  Mutter  deren   Kind  adoptiert,  und  dies,  unabhängig   von  der   sexuellen  Orientierung  der  Lebenspartner.  Das  internationale  französische  Privatrecht  kennt   seit  der  Rechtsprechung  Rivière  (3).  das  Konzept   des effet  attenué  de  l’ordre  public  international   (gemilderte  Wirkung  des  französischen  internationalen  ordre  public).  Dies  bedeutet,   dass   sich   in  Frankreich  der  ordre  public   nicht  den  Folgen  der  im  Ausland  entstandenen  Situation  widersetzen  kann,  auch  wenn  die  gleiche   Situation   in  Frankreich  rechtswidrig  wäre.  Bei  der  Anerkennung   der  amerikanischen   Adoptionsentscheidung   hat  sich   der  Kassationshof  nicht   auf  die  französischen  Bestimmungen,   die  die  Stiefkindadoption  innerhalb  eingetragener   Lebensgemeinschaften  nicht  erlauben,  konzentriert,  sondern   auf   ihre  Folgen,  d.h.  auf  das  ausdrücklich  in  der    ausländischen  Entscheidung  vorgesehene  gemeinsame Sorgerecht.

Bei   der  Nachbeurkundung   in  die  französischen  Personenstandsregister   erscheint  jedoch  nur  die  biologische  Mutter,  da   diese  Register   nicht  die  Rubrik  „Elternteil“   vorsehen.  Die   annehmende  Partei  ist  am  Rand  der  Urkunde  vermerkt.  Um   das  gemeinsame  Sorgerecht   zu  rechtfertigen,  müssen  deshalb  die  Parteien  die  Geburtsurkunde,   die  amerikanische  Entscheidung   und   die  Anerkennungsentscheidung  vorlegen.  

(1)  Seit  der  Entscheidung  Prieur   Kassationshof  1.  Zivilsenat,  23.  Mai  2006,  Nr.  04-12.777, mit  der 

      der  Oberste  Gerichtshof  das  privilège  de  juridiction  française   abgeschafft  hat,  und  der  Entscheidung

      Cornelissen  Kassationshof  1.  Zivilsenat,  20.  Februar  2007,  Nr.  05-14.082,  mit  der  der  Oberste  Gerichtshof

      die   mittelbare   Kontrolle  des  von  dem  ausländischen  Richter  angewendeten  Rechts   aufgehoben  hat,  bleiben

      nur  noch  drei  Anerkennungshindernisse  :   (1)  die fehlende  Inlandsbeziehung   (2)  das   forum  shopping  und (3)  der

      Verstoß  gegen  den   französische  internationale  ordre  public.

(2)  Kassationshof  1.  Zivilsenat  8.  Juli  2010,  Nr.  08-21.740,  Revue  Critique  DIP 2010,  Seite  747, Kommentar  Petra  HAMMJE

(3)  Kassationshof  17.  April  1953, Rev. Crit. DIP 1953, Seite  412,  Kommentar  BATIFOL

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Rechtsanwalt
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