Ausländische Entscheidungen, die den Personenstand betreffen, treten nach französischer höchstrichterlicher Rechtsprechung de plano in die französische Rechtsordnung ein, stehen aber unter dem Vorbehalt einer nachträglichen Kontrolle ihrer Rechtmäßigkeit. Nachbeurkundungen ausländischer Personenstandsurkunden unterliegen u.U. der Kontrolle der Staatsanwaltschaft. Rügt die Staatsanwaltschaft die Rechtmäßigkeit, muss die Entscheidung in einem Verfahren, das man Exequatur nennt, anerkannt werden.
Die Domäne des Personenstands ist in allen internationalen Übereinkommen, die die Anerkennungsbedingungen ausländischer Entscheidungen vorsehen, ausgeschlossen. Rechtsgrundlage sind hier die von der Rechtsprechung Munzer/Munzer ausgearbeiteten Anerkennungshindernisse, von denen heute nur noch drei bestehen (1). Eines dieser Anerkennungshindernisse ist der ordre public-Vorbehalt. Der anerkennungsrechtliche ordre public-Vorbehalt hat zum Inhalt, dass ausländische Entscheidungen ausnahmsweise
nicht anerkannt werden, wenn die Anerkennung bzw. Vollstreckbarerklärung mit wesentlichen Grundsätzen des inländischen Rechts im Widerspruch steht.
Die jüngste französische Rechtsprechung betreffend die Anerkennung im Ausland wirksam entstandener Tatbestände verdient es, dem deutschsprachigen Juristen zur Kenntnis gebracht zu werden.
I. Anerkennung einer in den Vereinigten Staaten erfolgten Stiefkindadoption innerhalb eines lesbischen Paares
Mit Entscheidung vom 8. Juli 2010 hat der erste Senat des französischen Kassationshofs eine in den Vereinigten Staaten erfolgte Stiefkindadoption innerhalb eines gleichgeschlechtlichen Paares anerkannt. Zugrunde lag folgender Tatbestand : Eine Französin und eine Amerikanerin leben zusammen in Georgia (USA), wo sie miteinander einen domestic partnership geschlossen haben. Im Jahre 1999 bringt die Amerikanerin, nach künstlicher Befruchtung durch eine anonyme Samenspende, ein Kind zur Welt. Noch im gleichen Jahr spricht das amerikanische Gericht die Stiefkindadoption durch die französische Partnerin aus und ordnet an, dass die adoptierende Partei in der Geburtsurkunde des Kindes als Elternteil vermerkt wird. Die Französin bittet das französische Gericht, das Adoptionsurteil anzuerkennen; sie unterlag in den untersten Instanzen. Der Cour d’Appel Paris wies den Antrag zurück mit der Begründung, dass die Adoptionsentscheidung gegen den internationalen französischen Ordre Public verstoße, da nach französischem Recht nur die adoptierende Partei das Sorgerecht über das Kind ausübe und somit die biologische Mutter, obwohl sie mit ihrer Partnerin zusammen lebt, ihre Rechte verloren hätte.
Der Kassationshof hat die Entscheidung mit der Begründung aufgehoben,
dass die „Verweigerung der Anerkennung einer ausländischen Entscheidung aufgrund des Verstoßes gegen den internationalen französischen Ordre Public voraussetze, dass die Entscheidung Bestimmungen enthalte, die den wesentlichen Grundsätzen des französischen Rechts widersprechen; dies sei bei der vorliegenden Entscheidung, die das gemeinsame Sorgerecht zwischen der Mutter und der Partnerin, die deren Kind adoptiert hat, vorsieht, nicht der Fall“ (2).
Das französische Recht erlaubt es nicht, dass innerhalb einer eingetragenen Lebensgemeinschaft der Partner oder die Partnerin der biologischen Mutter deren Kind adoptiert, und dies, unabhängig von der sexuellen Orientierung der Lebenspartner. Das internationale französische Privatrecht kennt seit der Rechtsprechung Rivière (3). das Konzept des effet attenué de l’ordre public international (gemilderte Wirkung des französischen internationalen ordre public). Dies bedeutet, dass sich in Frankreich der ordre public nicht den Folgen der im Ausland entstandenen Situation widersetzen kann, auch wenn die gleiche Situation in Frankreich rechtswidrig wäre. Bei der Anerkennung der amerikanischen Adoptionsentscheidung hat sich der Kassationshof nicht auf die französischen Bestimmungen, die die Stiefkindadoption innerhalb eingetragener Lebensgemeinschaften nicht erlauben, konzentriert, sondern auf ihre Folgen, d.h. auf das ausdrücklich in der ausländischen Entscheidung vorgesehene gemeinsame Sorgerecht.
Bei der Nachbeurkundung in die französischen Personenstandsregister erscheint jedoch nur die biologische Mutter, da diese Register nicht die Rubrik „Elternteil“ vorsehen. Die annehmende Partei ist am Rand der Urkunde vermerkt. Um das gemeinsame Sorgerecht zu rechtfertigen, müssen deshalb die Parteien die Geburtsurkunde, die amerikanische Entscheidung und die Anerkennungsentscheidung vorlegen.
(1) Seit der Entscheidung Prieur Kassationshof 1. Zivilsenat, 23. Mai 2006, Nr. 04-12.777, mit der
der Oberste Gerichtshof das privilège de juridiction française abgeschafft hat, und der Entscheidung
Cornelissen Kassationshof 1. Zivilsenat, 20. Februar 2007, Nr. 05-14.082, mit der der Oberste Gerichtshof
die mittelbare Kontrolle des von dem ausländischen Richter angewendeten Rechts aufgehoben hat, bleiben
nur noch drei Anerkennungshindernisse : (1) die fehlende Inlandsbeziehung (2) das forum shopping und (3) der
Verstoß gegen den französische internationale ordre public.
(2) Kassationshof 1. Zivilsenat 8. Juli 2010, Nr. 08-21.740, Revue Critique DIP 2010, Seite 747, Kommentar Petra HAMMJE
(3) Kassationshof 17. April 1953, Rev. Crit. DIP 1953, Seite 412, Kommentar BATIFOL