Adoption eines Kindes durch den Lebenspartner in einer homosexuellen Beziehung – ein in Frankreich heiß umstrittenes Thema
Der Wunsch Kinder zu haben, ist etwas Mysteriöses. Manche sprechen sogar von einem unbewussten Wunsch. Trotz Aufklärung, werden Frauen absichtslos schwanger oder kommen aus verschiedenen Gründen nicht dazu, es zu werden. Die rechtliche Gleichstellung aller Kinder seit der Mitte der 70er Jahre hat unsere Gesellschaft verändert. Es ist heute vollkommen normal, dass auch unverheiratete Paare Kinder haben. Unfruchtbare Paare oder lesbische Frauen können auf künstliche Befruchtung zurückgreifen oder sich für eine Adoption entscheiden.
Wird ein außerhalb der Ehe geborenes Kind in seinem ersten Lebensjahr vom Vater anerkannt, so sind nach französischem Recht beide Eltern gemeinsam sorgeberechtigt. Auch nach der Trennung bleibt es größtenteils dabei.
Die gemeinsame Sorge soll dem Kindeswohl dienen. Hier sieht man den Einfluss der psychologischen Lehre, nach der Kinder für ihre psycho-soziale Entwicklung zweier verschiedengeschlechtlicher Bezugspersonen bedürfen.
Dennoch erfüllen sich auch lesbische Frauen ihren Kinderwunsch, indem sie sich künstlich befruchten lassen. Dies ist zwar in Frankreich für lesbische Frauen gesetzlich nicht erlaubt, aber im Ausland. Nach der Geburt des ersehnten Kindes bleiben jedoch sowohl ethische als auch rechtliche Probleme . Die Mütter haben eine Empfängnisart gewählt, die dem Kind das Wissen um seine Herkunft verwehrt. Außerdem ist es diesen Frauen nicht möglich, das Sorgerecht mit ihrer Lebenspartnerin zu teilen. Hierzu bedürfte es der Möglichkeit, dass die Lebenspartnerin der Mutter deren Kind auch adoptieren darf.
Alle rechtlichen Bemühungen, um die Adoption des leiblichen Kindes eines Partners durch den anderen Partner in einer homosexuellen Lebensgemeinschaft durchzusetzen, sind bisher fehlgeschlagen. Das französische Recht kennt weder die Ehe zwischen Homosexuellen noch erlaubt es die Adoption des leiblichen Kindes eines Partners durch den anderen in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft.
Um der Situation juristisch in etwa gerecht zu werden, besteht zwischenzeitlich die Möglichkeit, eine Teilübertragung des Sorgerechts auf den nicht sorgeberechtigten Partner zu erwirken.
Die bisher durch die Rechtsprechung geklärten Fälle ähneln sich. Zwei Frauen leben zusammen und wünschen sich ein Kind. Sie gehen ins Ausland, wo die künstliche Befruchtung erlaubt ist. Eine der beiden Lebenspartnerinnen bringt danach ein Kind zur Welt, das von beiden erzogen wird. Das Kind stammt gesetzlich aber nur von der leiblichen Mutter ab und nur diese hat das Sorgerecht. Letztere stellt dann einen Antrag, damit ein Teil des Sorgerechts (délégation-partage) auf ihre Partnerin zum Schutze des Kindes übertragen wird.
In einem Grundsatzurteil vom 24. Februar 2006 hat der Oberste Gerichtshof einem solchen Antrag auf teilweise Übertragung des Sorgerechts in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft in Anwendung des Artikel 377, Abs. 1 Code Civil stattgegeben, weil diese den besonderen Umständen und dem Kindeswohl entsprach. Ein besonderer Umstand ist beispielsweise die Abwesenheit der Mutter aus beruflichen Gründen. Diese Rechtsprechung wird von den unteren Gerichten, die in jüngster Zeit nur noch das Kindeswohl berücksichtigen, mehr und mehr befolgt. Ob diese Lösung wirklich dem Schutze des Kindes dient, ist jedoch fraglich. Denn im täglichen Leben haben Dritte (Grosseltern, Freunde), die für das Kind Sorge tragen, ein stillschweigendes Mandat, für das Kind Handlungen des täglichen Lebens vorzunehmen; so können beispielsweise größere ärztliche Eingriff, die des Einvernehmens beider Sorgeberechtigter bedürften, im Notfall auch ohne deren Zustimmung vorgenommen werden. Außerdem erlischt das durch die Teilübertragung auf den Lebenspartner übertragene Mitsorgerecht beim Tod des leiblichen Elternteils, denn nur dieser hat das gesetzliche Sorgerecht inne. In diesem Fall bekommt das Kind einen Vormund. Bestenfalls kann der Sorgerechtsinhaber durch Testament den anderen Partner als Vormund des Kindes für den Fall seines Todes einsetzen. Bei dem Wunsch, innerhalb einer homosexuellen Lebensgemeinschaft das Sorgerecht gemeinsam ausüben zu können, geht es deshalb nicht so sehr um das Kindeswohl, sondern vielmehr um die rechtliche Anerkennung der Gleichstellung homosexueller mit heterosexuellen Lebensgemeinschaften.
Einen rechtlichen Rahmen zur Gleichstellung der homosexuellen mit den heterosexuellen Paaren in Bezug auf die Adoption zu schaffen, ist in Frankreich ein heiß diskutiertes Thema.
Das französische Verfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wurden kürzlich mit der Frage der Adoption in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft befasst. Die Frage, ob die Ablehnung der Adoption in einer homosexuelles Lebensgemeinschaft gegen die Grundrechte verstößt, hat das französische Verfassungsgericht mit Entscheidung vom 6. Oktober 2010 verneint.
Mit seiner Entscheidung vom 15. März 2012 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte es abgelehnt, Frankreich wegen Diskriminierung und Verstoßes gegen das Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens zu verurteilen. Die Straßburger Richter haben in ihrem ausführlich begründeten Urteil u.a. hervorgehoben, dass es innerhalb Europas keinen Konsensus in der Frage der Adoption des leiblichen Kindes eines Partners durch den anderen in einer homosexuellen Lebensgemeinschaft gäbe : „ im Februar 2011 war eine solche Adoption in zehn der siebenundvierzig Vertragsstaaten möglich, d.h. in 21,3 % dieser Staaten : Belgien, Dänemark, Finnland, Deutschland, Island, Niederlanden, Norwegen, Spanien, Schweden und dem Vereinigten Königreich“. Die Lehre hat diese Entscheidung als einen Triumph über die Demokratie begrüßt und betont, dass die juristisch sehr delikate Entscheidung über die Adoption in einer homosexuellen Lebensgemeinschaft nur vom Parlament als Ausdruck der Souveränität des Volkes getroffen werden kann.