08.02.2025

Betrug?

  • Ersteller
    Diskussion
  • #427357 Antworten

    Anonym
    Gast

    Kurzarbeits-Regelung:

    Firma führt Kurzarbeit ohne Genehmigung des Arbeitsamts durch (Kosten trägt die Firma).
    Personelle Maßnahmen:

    Kündigungen einiger Mitarbeiter im Rahmen von Sozialplan, Sozialauswahl und Betriebsschließung.
    Gespräch mit dem Chef:

    Unangekündigtes Gespräch; Mitarbeiter war unvorbereitet.
    Chef kritisierte, dass im Januar -57 Stunden statt -60 Stunden erreicht wurden, was die Voraussetzungen für Kurzarbeit gefährde.

    HR-Eingriff:

    HR hat eigenmächtig einen Kurzarbeitstag in einen „Gleitzeittag“ umgewandelt (Resultat: -8 Stunden Eintrag), was zu einer höheren Bezahlung führt, aber als inakzeptabel empfunden wird.
    Vorwürfe und rechtliche Einschätzung:

    Chef spricht von Betrugsvorwürfen aus Firmensicht gegenüber Arbeitsamt, falls die Stundenregelung nicht eingehalten wird und das Arbeitsamt mitbekommt, dass manche Mitarbeiter nicht -60h haben.
    Mitarbeiter sieht die Handlungen der Firma als Betrug im wahrsten Sinne. Da meine Stunden manipuliert wurden.

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  • #427466 Antworten

    Christian R.
    Moderator

    Die Situation, die Sie schildern, umfasst verschiedene arbeitsrechtliche Probleme, die mit Kurzarbeit, Kündigung, Sozialplan sowie betriebsinternen Absprachen zusammenhängen. Im Folgenden erläutere ich Ihnen die rechtlichen Eckpunkte und gebe Ihnen Tipps für das weitere Vorgehen.

    ### 1. Kurzarbeit ohne Zustimmung der Agentur für Arbeit

    Kurzarbeit kann vom Arbeitgeber nur dann eingeführt werden, wenn die Voraussetzungen aus §§ 95 ff. SGB III erfüllt sind und die Bundesagentur für Arbeit vorher zustimmt. Kurzarbeitergeld wird nur dann gewährt, wenn ein erheblicher Arbeitsausfall besteht und dieser unvermeidbar ist. Wenn der Arbeitgeber Kurzarbeit einseitig einführt und die Kosten selbst trägt, handelt es sich rechtlich betrachtet nicht um staatlich geförderte Kurzarbeit, sondern um eine vertragliche oder betriebliche Regelung, die individuell geprüft werden muss.

    Wichtig für Sie ist: Es dürfen keine Maßnahmen getroffen werden, die Ihre Arbeitszeit oder Bezüge rechtswidrig verändern, ohne Ihrer Zustimmung, es sei denn, dies wurde durch einen Betriebsrat oder eine vertragliche Regelung abgesichert. Wenn allerdings keine Genehmigung des Arbeitsamts vorliegt, entfällt jeglicher Bezug zum staatlichen Kurzarbeitergeld.

    ### 2. Sozialauswahl und Kündigung

    Wenn Kündigungen im Zuge eines Sozialplans oder einer Betriebsschließung erfolgen, ist der Arbeitgeber verpflichtet, nach § 1 Abs. 3 KSchG (Kündigungsschutzgesetz) eine Sozialauswahl vorzunehmen. Kriterien wie Dauer der Betriebszugehörigkeit, Alter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung sind hier zu beachten. Sollte der Arbeitgeber die Sozialauswahl nicht ordnungsgemäß vorgenommen haben, kann die Kündigung angreifbar sein.

    Hinweis: Falls Sie betroffen sind oder noch betroffen sein könnten, lassen Sie die Kündigung sozial und formalrechtlich überprüfen. Sie können hiergegen innerhalb von drei Wochen Klage beim Arbeitsgericht erheben, um mögliche Fehler in der Sozialauswahl oder formale Mängel geltend zu machen.

    ### 3. Manipulation von Stunden (HR-Eingriff)

    Wenn der Arbeitgeber eigenmächtig Änderungen bei der Zeiterfassung vornimmt (z.B. Kurzarbeitstage in Gleitzeittage umwandelt), könnte dies eine schwerwiegende Verletzung Ihrer arbeitsvertraglichen Rechten darstellen. Solche Eingriffe dürfen nicht einseitig ohne Ihre Zustimmung oder ohne rechtliche Grundlage erfolgen. Auch durch den Betriebsrat darf dies nicht ohne Weiteres legitimiert werden, wenn es gegen Ihre Interessen geschieht.

    Tipp: Dokumentieren Sie sämtliche auffälligen Änderungen an Ihrer Zeiterfassung. Wenn Sie die Änderungen weder genehmigt noch anderweitig zugestimmt haben, könnten Sie beim Arbeitsgericht auf Korrektur des Arbeitszeitkontos klagen.

    ### 4. Vorwürfe des „Betrugs“

    Der Chef äußert offenbar den Verdacht, dass durch Abweichungen von der angeblichen „-60 Stunden“-Regelung ein Betrug beim Arbeitsamt begangen würde. Allerdings ist Folgendes festzustellen:

    – Betrug gegenüber der Agentur für Arbeit wäre nur denkbar, wenn Kurzarbeit staatlich gefördert wird und falsche Angaben durch den Arbeitgeber gemacht wurden.

    – Sollte die HR eigenmächtig Stunden manipuliert haben, wäre eher die Firma für Unregelmäßigkeiten verantwortlich, nicht Sie als Mitarbeiter.

    Tipp: Bleiben Sie ruhig und dokumentieren Sie genau, was geschieht. Unter keinen Umständen sollten Sie Handlungen zugeben oder unterschreiben, die Sie nicht begangen haben oder die Ihre Position beeinträchtigen könnten. Sie haben das Recht, sich gegen unbegründete Vorwürfe zu verteidigen und sollten hierfür anwaltlichen Beistand in Betracht ziehen.

    ### 5. Weiteres Vorgehen

    1. Dokumentieren Sie alles: Führen Sie ein Protokoll über Gespräche und Vorwürfe, speichern Sie relevante E-Mails und erfassen Sie alle Änderungen an Ihrem Arbeitszeitkonto.

    2. Ziehen Sie den Betriebsrat hinzu: Der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht bei Kurzarbeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG) und auch bei etwaigen Konflikten.

    3. Wenden Sie sich an einen Anwalt für Arbeitsrecht: Aufgrund der Komplexität Ihrer Situation ist es ratsam, eine juristische Beratung einzuholen. Ein Anwalt kann vor allem prüfen, ob Ihre Stunden rechtswidrig manipuliert wurden und ob die Vorwürfe und Maßnahmen des Arbeitgebers unrechtmäßig sind.

    Informationen und einen Anwalt in Ihrem Gebiet finden Sie [hier](https://www.rechtsanwalt.com/anwaltssuche/?rechtsgebiete=arbeitsrecht).

    ### Haftungsausschluss

    Diese Auskunft stellt keine Rechtsberatung dar, sondern dient lediglich Ihrer allgemeinen Information. Für eine verbindliche juristische Einschätzung wenden Sie sich bitte an einen qualifizierten Anwalt.

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