Fachbeitrag 14.03.2011

Warum es so wichtig ist, ein Testament zu errichten


Gehören Sie zu denjenigen, die seit längerem anstehende Errichtung eines Testaments beabsichtigen, aber dabei nicht die „Kurve kriegen“ ? Wenn ja, dann lesen Sie bitte in jedem Falle weiter.                                                                                                                                           

Zugegebenermaßen: Die Rechtsordnung lässt Ihre Erben nicht im Stich, wenn Sie sich ohne Errichtung eines Testaments (oder Erbvertrages) vom Diesseits verabschieden. Immerhin gilt die gesetzliche Erbfolge, die nach verwandtschaftlichen Beziehungen die Erben und die jeweilige Erbquote sowie die sich anschließenden Erbauseinandersetzungsregeln bestimmt.

Die Nachteile liegen auf der Hand: Damit stehen die Erbquoten unverrückbar fest, mehreren Erben steht die Verwaltung des gesamtes Nachlasses nur gemeinschaftlich zu und die Aufteilung des Nachlasses, insbesondere die der „unteilbaren“ Gegenstände wie Immobilien, verlangt eine Einigung unter allen Miterben (also grundsätzlich Einstimmigkeitsprinzip), so dass es gerade hier häufig zu Streit kommt. Ganz zu schweigen von der Möglichkeit (und Notwendigkeit), bei größeren Nachlässen in Abweichung von der gesetzlichen Erbfolge eine erbschaftsteuerliche Optimierung vorzunehmen oder sonst individuelle Bedürfnissen oder auch Vorausempfänge auf der Erbenseite zu berücksichtigen.

So gesehen ist also das Testament eine Art „Allrounder“, das individuell festlegt,

wer, wann, was und wie erhalten soll.

Je mehr Beteiligte, d.h. potenzielle Erben, je umfangreicher und je mehr sich das Vermögen aus verschiedenen Gegenständen zusammen setzt, desto größer sind der Gestaltungsbedarf und die Gestaltungsvarianten. Umgekehrt: Die inzwischen verwitwete Ehegattin, der nur der eine Sohn verblieben ist, benötigt, wenn dieser nach ihrem Wunsch der Alleinerbe sein soll, kein Testament, denn nach der gesetzlichen Erbfolge wird sie nur von diesem beerbt.

Soll aber nur ein Gegenstand aus ihrem Vermögen nicht an den Sohn, sondern z.B. an ihr Pa-tenkind gehen, so muss sie wenigstens in Bezug auf diesen einen Gegenstand eine letztwil-lige Vergütung, z.B. ein Vermächtnis, zu Papier bringen. Das mündliche Versprechen zu Leb-zeiten, dass das Patenkind diesen Gegenstand erhalten soll, genügt von Rechts wegen nicht.

Es gibt viele Gestaltungsmöglichkeiten !

Mit Ausnahme der Begrenzung durch Pflichtteilsansprüche von Kindern, Ehegatten oder u.U. der Eltern steht jedem im Rahmen der Privatautonomie die sog. Testierfreiheit offen. Die Details des „Wer soll was, wann, wie erhalten ?“ können so individuell festgelegt werden. Auf Bindungswirkungen eines schon bestehenden gemeinschaftlichen Testaments (nur bei Eheleuten) oder eines Erbvertrages ist natürlich auch Rücksicht zu nehmen.

  • Wer bedeutet den oder die einzusetzenden Erben – ggf. wird stattdessen der eine oder andere potenzielle Erbe nur zum Vermächtnisnehmer bestimmt.                                                                
  • Was sind die einzelnen Gegenstände des Vermögens, also das Finanzvermögen (im Wesentlichen Geld und Wertpapiere, das leichter zu verteilen) ist oder (nicht teilbare) Immobilien oder bewegliche Gegenstände vom Hausrat bis zur Münzsammlung.                      
  • Wann regelt, ob die Auseinandersetzung alsbald nach dem Erbfall eintreten soll, ob es z.B. eine vorläufige Teilungssperre gibt oder ob z.B. ein Testamentsvollstrecker für eine bestimmte Zeit die Verwaltung des Nachlasses anstelle der – z.B. minderjährigen – Erben übernehmen soll, die also zunächst nicht verfügen können.                                                                                        
  • Wie heißt, unter welchen etwaigen Beschränkungen und Bedingungen der einzelne Erbe seine Rechte ausüben kann. Wird er durch die bloße Gewährung eines Nießbrauchsrechts (und nicht Eigentums), durch die Anordnung bloßer Vorerbschaft (dann u.U. Beschränkungen bei Immobilien) oder die schon vorgenannte Testamentsvollstreckung testamentarisch beschnitten ?  

Wenn das Testament klug aufgesetzt ist, wirkt es wie ein Fahrplan eines verlässlich fahrenden Zuges: Es regelt, wann und bei wem der Zug anhält und was dabei ausgeladen werden soll.           

Gehören Sie einer besonderen „Risikogruppe“ an ?

Die Notwendigkeit eines Testaments und insbesondere die Ausführlichkeit und Regelungsdichte hängen von den individuellen Umständen ab. Auch sollten jüngere Ehepaare die Risiken eines unvorhergesehenen Ablebens des einen Ehegatten nicht unterschätzen.  Sie wird sicherlich interessieren, ob Sie in eine solche „Risikogruppe“ fallen, nachfolgend grob skizziert und mit den Schlagworten der vorhandenen Problemfelder versehen sind:

Alleinstehende (kinderlos): Keine „natürlichen“ Erben; z.T. absurde gesetzlich Erbfolge; Auswahl geeigneter Erben ? Gefahr der Testamentsunterdrückung.

Kinderlose ältere Ehepaare: Schwiegereltern/Schwäger sind gesetzliche Erben; Versorgung des überlebenden Ehegatten gesichert ?

Jüngere Ehepaare mit Kindern („Notfalltestament“): u.U. Vermeidung der Erbenge-meinschaft gewünscht; Versorgung des Überlebenden Ehegatten gesichert ?

Ehepaare mit behindertem Kind: das behinderte Kind selbst ist u.U. nicht testierfähig Versorgung des behinderten Kindes sollte – auch vor dem Zugriff der Sozialbehörden -gesichert sein.

„Patchworkfamilien“ (Kinder aus verschiedenen Beziehungen): Gleichbehandlung aller Kinder ? Versorgung des überlebenden Gatten gesichert; Vorsicht bei Pflichtteilen Gleichbehandlung aller Kinder ?

Getrennt lebende Ehegatten: Ggf. rechtzeitig die Erbrechte des anderen Partners auf zulässige Weise einschränken.  

Wiederverheiratete Eheleute: Ist Gütertrennung mit en entsprechenden erbrechtlichen Folgen gewünscht ?

Ehegatten mit großem Vermögen: Hohe Erbschaftsteuerbelastung; viele unterschiedliche Vermögensgegenstände; Liquidität für zukünftige Erbschaftsteuer; ggf. unternehmerisch gebundenes Vermögen und das Ziel, den Fortbestand des Unternehmens zu sichern.

Gemischt-nationale Ehen: Viele Rechtsordnungen kennen keine gemeinschaftlichen Testamente; unterschiedliche Pflichtteilsrechte.

 

Die genauen Regelungsbedürfnisse müssen in einer individuellen Beratung sorgfältig erforscht und die dafür passenden Gestaltungsvarianten am Fall entwickelt werden. Dabei gilt: „Auf jeden Topf passt ein Deckel“.

 

Rechtsanwalt Dr. Matthias Baus, Executive MBA, Hamburg

(Stand: März 2011) 

Rated 3,3 out of 5
3,3/5 (992)
Autor

Rechtsanwalt
Fachbeitrag von einem unserer 56.723 Anwälte. Sind Sie Anwalt und möchten einen Fachbeitrag beisteuern, der im Durchschnitt 456 x pro Monat gelesen wird? Mehr zu unserem Kanzleimarketing für Anwälte.