Fachbeitrag 15.09.2014

Unterhalt minderjähriger und volljähriger Kinder


16.10.2013 – Büro „Soziale Stadt“ Oggersheim-West

Nach den aktuellen Zahlen des statistischen Bundesamtes wurden im Jahr 2012 in der BRD 179.147 Ehen geschieden; in 88.863 der Verfahren waren Kinder involviert. Allein aus den im Jahr 12 geschiedenen Ehe sind dabei 143.022 „neue“ minderjährige Scheidungskinder hervorgegangen, die zukünftig allein bei 1 Elternteil bzw. im Wechselmodell geteilt bei den Eltern leben.

Da seit den Heiratsjahrgängen der 80er Jahre bundesweit jede 3. Ehe geschieden wird (Tendenz des statistischen Bundesamts für den Heiratsjahr 2012:37 % Scheidungsquote) kommt jedes 7. Kind heute aus einer gescheiterten Ehe; hinzu kommen die Kinder von getrennten Paaren, die nie miteinander verheiratet waren. Das KindesunterhaltsG von 07/98 hat dabei bezogen auf den gesetzlichen Unterhaltsanspruch alle Kinder unabhängig von der früheren Lebensform der Eltern gleichgestellt; der Gesetzgeber spricht dabei allerdings – abweichend vom gängigen Sprachgebrauch (nämlich: eheliche/nichteheliche Kinder) – von Kindern verheirateter bzw. nicht verheirateter Eltern.

In der Trennungssituation wird von den Eltern vorrangig der zukünftige Lebensmittelpunkt der gemeinsamen Kinder geklärt. Dies geschieht mit Glück einvernehmlich, im Streitfall wird das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen. Mit dieser Regelung ist dann nicht nur festgelegt, wer den Lebensalltag des Kindes regelt (gesetzl. Grundlage: Alltagssorgerecht, § 1687 I, 1 BGB), sondern es wurde bis zur Volljährigkeit des Kindes eine entscheidende Weiche für die Zahlungspflicht zum Kindesunterhalt gestellt. Das „Wieso“ möchte ich Ihnen näher zeigen

Der Kindesunterhalt hat seine Grundlage in dem Verwandtschaftsverhältnis von Eltern und Kindern und gehört damit zum Verwandtenunterhalt. Im BGB ist hierzu festgelegt, dass

  • „Verwandte in gerade Linie verpflichtet sind, einander Unterhalt zu gewähren“ (§ 1601 BGB) und dabei
  • „unterhaltsberechtigt derjenige ist, der außerstande ist, sich selbst zu unterhalten“(§ 1602 I BGB)

Für das Eltern-Kind-Verhältnis wird zudem in § 1602 BGB ergänzend klargestellt, dass ein Kind von beiden Elternteilen – in Ausnahmefällen über eine sog. Ersatzhaftung auch von den Großeltern (§ 1607 BGB) – Unterhalt beanspruchen kann, solange es den Lebensbedarf nicht mit eigener Arbeit/dem Ertrag von Vermögenswerten sichert. Mit dem Unterhalt sind dabei die

gesamten Lebensbedürfnisse des Kindes (Wohnen, Bekleidung, Taschengeld etc.)

inklusive der Kosten der Erziehung und der Vorbildung zu einem Beruf zu finanzieren, so dass die gesetzliche Unterhaltspflicht letztlich solange besteht, bis das Kind eine seiner individuellen Fähigkeiten entsprechende Ausbildung in einem akzeptablen Zeitfenster abgeschlossen hat. Der Anspruch auf Erhalt von Kindesunterhalt wird dabei in 3 Schritten ermittelt, die sich an folgenden Fragen festmachen lassen:

  1. wieviel Geld braucht das Kind, um den Lebensbedarf zu sichern? (Bedarf)
  2. wieviel von diesem Bedarf kann es mit eigenen Einkünften sichert? (Bedürftigkeit)
  3. welchen Haftungsanteil muss bei volljährigen Kindern jeder Elternteil zahlen?

Diese Fragen möchte ich (mit) Ihnen beantworten:

1. Die Lebensstellung des minderjährigen/volljährigen Kindes:
Der Verwandtenunterhalt kennt im Unterschied zum Trennungs-/Ehegattenunterhalt, bei dem die ehelichen Lebensverhältnisse fortgeschrieben werden, keine Lebensstandardgarantie. Er orientiert sich gem. Vorgabe zu § 1610 I BGB vielmehr an der Lebensstellung des Bedürftigen. Bei Kindern ergibt sich dabei die Besonderheit, dass sie ihre eigene wirtschaftliche Existenz erst über Schule/Ausbildung vorbereiten und sie in dieser Zeit die Lebensstellung noch von der sozialen Situation der Eltern ableiten. Der Lebensbedarf ist dadurch abhängig

  • abhängig vom Alter des Kindes
  • dem Einkommen eines/beider Elternteile

einem stetigen Wandel unterzogen, zu dem die Volljährigkeit der stärkste Einschnitt ist.

1.1. Minderjährige Kinder:
Solange ein Kind minderjährig ist, hat es Anspruch auf Naturalunterhalt (d.h. Wohnraum, Mahlzeiten, Vorsorge im Alltag) und auf Barunterhalt, der als Geldbetrag zu Beginn des Monats zu leisten ist (§ 1612 III,1 BGB). Die Aufteilung dieser Teilansprüche legen die Eltern mit der Entscheidung zu dem gewöhnlichen Aufenthalt/dem Lebensmittelpunkt des Kindes fest, da der betreuende Elternteil mit der Betreuung im Alltag regelmäßig unabhängig von den eigenen Einkünfte seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht vollständig entspricht. Der Gesetzgeber hat hierzu in § 1606 III,2 BGB klargestellt, dass die Alltagsversorgung dem Barunterhalt wirtschaftlich gleichgestellt ist. Der Naturalunterhalt entfällt dabei erst mit der Volljährigkeit, so dass im Regelfall bis zum 18. Lebensjahr der nicht betreuende Elternteil allein für den Barunterhalt aufkommt.
Ausnahme: Fremdunterbringung (z.B. Internat) – extremes Einkommensgefälle zugunsten des betreuenden Elternteil – Sonder-/Mehrbedarf!

1. Schritt:
Wie wird der Barbedarf des Kindes vom Einkommen d. Elternteils abgeleitet?

Die Oberlandesgerichte haben zuerst im Zeitraum 07/99 bis Ende 12/07 auf Grundlage der RegelbetragsVO, die im 2-Jahres-Rhythmus an die allgemeine Lohnentwicklung in der BRD angepasst wurden, Tabellen entwickelt, um den Barbedarf zu bestimmen. Dies war

  • die Düsseldorfer Tabelle für die alten Bundesländer inkl. Berlin West
  • die Berline Tabelle für die neuen Bundesländer inkl. Berlin Ost,

wobei letztere quasi als Vortabelle ausgestaltet war, d.h. es gab es zusätzliche Einkommensstufe, um dem unterschiedlichen Lohn-Niveau in den Bundesländern Rechnung zu tragen.
Die RegelbetragsVO liegt oftmals noch alten vor dem Jahr 07 geschaffenen Titeln zugrunde.

Die „Teilung“ ist mit der Unterhaltsreform zum 01.01.08 entfallen. Die Berliner Tabelle wurde als bisherige Vortabelle aufgegeben; die Düsseldorfer Tabelle ist seitdem bundesweit gültig und baut nach gesetzl. Vorgabe zu § 1612 a BGB auf dem Mindestunterhalt auf, der mit dem Lebensbedarf gem. Gruppe 1 der Düsseldorfer Tabelle (= 100 % des Mindestunterhalts) gleichgestellt ist. Bei höheren Einkünften wird der Bedarf prozentual angepasst.

Letzte Anpassung ist zum 01.01.13 erfolgt: es wurden die Selbstbehaltsätze der Unterhaltspflichtigen erhöhten; die Tabellenbeträge zum Kindesunterhalt blieben identisch.

Die Düsseldorfer Tabelle wendet bei der Berechnung des Lebensbedarfs quasi ein „Zusammenspiel“ von Kindesalter und Elterneinkommen an. (Düsseldorfer Tabelle liegt aus). Sie sehen bei der Tabelle auf der

  • Querachse 4. Altersstufen (Alterssprung jeweils mit Beginn des Geburtstagsmonats)
  • Längsachse 10 Einkommensgruppen, die das bereinigte Einkommen darstellen.

Als relevantes Einkommen werden sämtliche Einkünfte aus Erwerbstätigkeit, staatlicher Transferleistung (Hartz IV; Arbeitslosengeld I), Kapitalzinsen, Vermietung/Verpachtung und geldwerte Vorteile z.B. aus dem mietfreie Wohnen im eigenen Haus oder aus dem der privaten Nutzungsvorteil eines von dem Arbeitgeber gestellten Firmenwagens herangezogen. In den meisten Fällen liegt der Schwerpunkt auf dem Arbeitsentgelt, das sich

  • beim angestellt Tätigen aus dem Schnitt der letzten 12 Monaten (inkl. Sonderbezug)
  • beim Selbständigen aus dem Schnitt der letzten 3 Jahre

abzüglich Steuer- und Sozialversicherungsbeiträge errechnet. Als weiterer Abzug sind Zahlungspflichten für Kredite/private Altersvorsorge sowie Pauschalen für berufsbedingten Mehraufwand anerkannt. Angesetzt werden hierzu 5 % des Nettoentgelts (Ziff. 3 DT) bzw. bei größerer Distanz von Wohnort-Arbeitsstelle eine km-Pauschale zu Ziff. 10.2.2 SüdL.
Der BGH akzeptiert herbei im Regelfall auch nach der Trennungszeit eine Quote von 4 % des Bruttoarbeitsentgelts als akzeptablen Beitrag zur privaten Altersvorsorge.

Hierzu folgender Beispielsfall:

Fallbeispiel: Bedarfsbestimmung minderjähriges Kind:

Eheleute P. leben getrennt; Sohn Lukas, 16 Jahre, bleibt bei der Mutter, die für sich keinen Unterhalt fordert.Durchschnittsverdienst Ehemann von monatlich 1.900,00 €, er zahlt aus Ehezeit Raten zu Kredit (200,00 €) und Lebensversicherung (150,00 €)

Lösungsskizze:
Im vorliegenden Fall ist das Einkommen mit dem Betrag von € 1.455, nämlich

1.900,00 € Durchschnittsentgelt
./.350,00 € (Kredit, Altersvorsorge)
./. 95,00 € (5 %-Pauschale bA gem .Ziffer 3 DT),

in die Düsseldorfer Tabelle einzustellen.
Herr P. hat durch den freigestellten Ehegattenunterhalt nur 1 Unterhaltspflicht zu erfüllen und weicht dadurch v. Regelfall DT ab, der unterstellt, dass ein unterhaltspflichtiger Elternteil 2 Personen unterhaltspflichtig ist. Der Ausgleich erfolgt durch eine Höherstufung um 1 Gruppe, so dass Lukas ein Bedarf gem. Gruppe 2, Altersstufe 3 DT v. monatlich € 448,–/Monat zugeordnet ist.

1.2 Volljährige Kinder: Da der Gesetzgeber unterstellt, dass ein Volljähriger im Alltag nicht mehr betreut werden muss, endet die Gleichstellung von Bar – u. Naturalunterhalt mit dem 18. Lebensjahr. Danach sind beide Elternteile barunterhaltspflichtig (§ 1606 III,1 BGB), wobei sich der Bedarf des Kindes, das noch im Haushalt eines Elternteils lebt, aus den addierten Einkünften der Eltern nach dem Tabellenbetrag der 4. Altersstufe bestimmt.

Fallvariante: Bedarfbestimmung volljähriges Kind:
Gleiche Lebenssituation. Frau P. hat aber Eigenverdienst von netto € 1.100,–.
Vorliegend also ein Gesamtentgelt von € 2.500,– monatlich, nämlich
Bereinigtes Entgelt Herr P von monatlich € 1.455,–
Bereinigtes Entgelt Frau P. von monatlich € 1.045,–,
da auch bei ihr die 5 %-Pauschale des berufsbedingten Aufwands Vorwegabzug ist.
Ergebnis: Barbedarf gem. Gruppe 4, Altersstufe 4: monatlich € 562,–.-

Die beiderseitige Barunterhaltspflicht gilt im Übrigen auch, wenn das 18. Kind noch die Schule besucht. Der Gesetzgeber hat hier mit dem KindesunterhaltsG aus dem Monat 07/98 das sog. privilegiert volljährige Kind „eingeführt“, nämlich volljährige Kinder bis zum 21. Lebensjahr, die noch im Haushalt eines Elternteils leben u. in der allgemeinen Schulausbildung sind (Definition zu § 2 Nr. 1 BafögG), die quasi unterhaltsrechtlich eine „Zwitterstellung“ haben. Beide Elternteile sind für sie barunterhaltspflichtig. Sie teilen aber weiter mit minderjährigen Kindern den 1. Rang der Unterhaltansprüche zu § 1609 Nr. 1 BGB. Dies bedeutet, dass bei beengten Verhältnissen und widerstreitenden Ansprüchen im sog. Mangelfall zunächst ihr Unterhalt in voller Höhe gesichert (Vorrang z.B. vor Ehepartner, Volljährigen, Eltern) und dass die Eltern hier noch gesteigerte Erwerbspflicht trifft, die u.a. verlangt, dass eine Nebentätigkeit aufgenommen wird, um zumindest den Mindestunterhalt zu sichern.

Dagegen hat sich die Lage der „normalen“ Volljährigen nach beendeter allgemeiner Schulausbildung mit der Unterhaltsreform in 01/08 deutlich verschlechtert: sie rutschen zu § 1609 Nr. 4 BGB in 4. Rang ab und stehen damit noch hinter dem Lebensbedarf der Ehegatten!

Der Lebensbedarf eines Kindes leitet sich erst dann nicht mehr aus dem Einkommen der Eltern ab, wenn es einen eigenen Haushalt führt. Hier sieht die Anmerkung zu Ziff. 7 DT einen Regelbedarf v. € 670,–/Monat vor.

2. Schritt (Bedürftigkeit):

Kann das Kind den Bedarf/die Lebensstellung anteilig ohne Eltern sichern?
Im 2. Schritt ist zu fragen, ob das Kind in Höhe des Tabellenbedarfs nach Düsseldorfer Tabelle bedürftig ist oder ob über finanzielle Mittel verfügt, die den Bedarf (teilweise) sichern. Anrechenbar sind das staatliche Kindergeld und Eigeneinkünfte der Kinder.

1.1. Kindergeldverrechnung: Für Kinder bis max. zum 27. Lebensjahr wird in der BRD Kindergeld gewährt, das mit Zahlbeträgen v.

  • € 184,– für das jeweils 1. und 2. Kind
  • € 190,– für das 3. Kind
  • € 215,– ab dem jeweils 4. Kind

einer Familie ausgezahlt wird. Die Auszahlung folgt dem steuerrechtlichen Obhutsprinzip zu § 64 EStG, d.h. der betreuende Elternteil ist auch kindergeldberechtigt. Bei Kindern mit eigenständigem Haushalt wird dem Kindergeld dem Elternteil ausgezahlt, der den höheren Beitrag zum Ausbildungsunterhalt zahlt.

Die Anrechnung des Kindergeldes auf die Tabellenbeträge war seit dem Jahr 2002 einem grundlegenden Wandel unterzogen, wobei der Gesetzgeber hier mit der Unterhaltsreform v. 01.01.08 zu der bis Ende 2001 gültigen Rechtslage quasi zurückgekehrt ist.
Ich hatte vorhin erwähnt, dass die Düsseldorfer Tabelle bis Ende 2007 auf die sog. RegelbetragsVO aufgebaut war und sie noch vielen „Alttiteln“ zugrunde liegt, die (noch) nicht angepasst sind. Damals war eine

  • Teilquote von 135 % des Regelbetrags ( = Gruppe 6 DT), d.h. 135 % des Tabellenbetrags der 1. Einkommensgruppe

als Existenzminimum des Kindes festgelegt mit der Konsequenz, dass das Kindergeld in den unteren 5 Gruppen DT nicht automatisch hälftig angerechnet wurde.

Diese einkommensabhängige Ungleichbehandlung der kindergeldberechtigten Eltern hat die Unterhaltsreform v. 01.01.08 beseitigt. Der Mindestunterhalt wird seitdem mit dem Lebensbedarf nach Gruppe 1 DT festgesetzt und damit mit Beträgen für Kinder

  • von 0 bis 5 Jahren v. € 225,– (€ 317,– Tabellenbetrag ./. € 92,– Kindergeldanteil)
  • von 6. bis 11. Jahren v. € 272,– (364,– Tabellenbetrag ./. € 92,– Kindergeldanteil)
  • von 12. bis 17. Jahren v. € 334,– (€ 426,– Tabellenbetrag ./. € 92,– Kindergeld)

festgelegt, bei denen das Kindergeld für minderjährige Kinder erneut je hälftig angerechnet wird. Die hälftige Anrechnung gilt damit erneut für sämtliche Einkommensgruppen.

Fallbeispiel: Kindergeldverrechnung minderjähriges Kind
Barbedarf lag im Ausgangsfall bei monatlich € 448,–.
./. ½ Kindergeldanteil ./. 92,–
verbleibt ein zu zahlender Kindesunterhalt v. monatlich € 356,–.

In dem Fallbeispiel verbleibt nach Abzug des Kindesunterhalts ein Einkommen, das den anmessen Selbstbehalt des Elternteils sichert, der gegenüber dem Minderjährigenunterhalt mit Beträgen v. € 1.000 für Erwerbstätige bzw. € 800,– für Arbeitslosen/Rentner festgelegt ist. Dieser Betrag soll nach Vorwegabzug des Zahlbetrags zum Kindesunterhalt vom bereinigten Entgelt verbleiben.
Unser Herr P. im Beispielfall hat damit kein Problem Lukas finanziell zu unterstützen. Aber was ist mit arbeitslosen Eltern, mit Geringverdienern? Im Minderjährigenunterhalt geht die Rspr. von einer gesteigerten Erwerbspflicht der Eltern aus mit der Konsequenz, dass

  • von erwerbstätigen Eltern Nebenjobs/die Verwertung des Vermögensstamms erwartet wird, um min. den Mindestunterhalt der 1. Einkommensgruppe DT zu sichern
  • arbeitslosen Eltern fiktive Einkünfte aus der geschuldeten Vollzeitstelle angerechnet, wird, falls sie nicht bis zu 20-30 Bewerbungen je Monat nachweisen können.

Zudem ist es bei dem Zusammenleben des Unterhaltspflichtigen in neuer Ehe/Lebenspartnerschaft möglich, den obigen Selbstbehalt um ersparte Mietkosten zu kürzen.
Diese gesteigerte Erwerbspflicht entfällt erst bei volljährigen Kindern außerhalb der allgemeinen Schulausbildung.
Wenn alle Vorgaben an Erwerbspflicht erfüllt sind und das Einkommen dennoch nicht ausreicht: Mangelfallberechnung!

Bei volljährigen Kindern wird das Kindergeld gem. einer Grundsatzentscheidung des BGH v. 26.10.05 in voller Höhe auf den Tabellenbedarf angerechnet.

Fallbeispiel: Kindergeldverrechnung volljähriges Kind:
Barbedarf v. monatlich € 378,– (€ 562,– Tabellenbetrag ./. € 184,– Kindergeld)

1.2. Eigenes Einkommen des Kindes: Die gesetzliche Regelung des Verwandtenunterhalts in § 1602 II BGB, die eingangs zitiert wurde, stellt weiter klar, dass auch Einkommen des Kindes auf den Barbedarf angerechnet wird. Schüler und Studenten haben keine Erwerbspflicht. Ist ein Kind dagegen bereits in Berufsausbildung verbleibt ihm von dem Nettoentgelt zu Ziffer 8 DT eine Pauschalbetrag v. € 90,– anrechnungsfrei; der Restbetrag stellt sein relevantes Einkommen dar, das

minderjährigen Kindern hälftig, bei volljährigen Kindern vollständig
auf den Barbedarf gem. Düsseldorfer Tabelle anzurechnen ist. Nur der Restbedarf ist mit dem Barunterhalt von den Eltern zu finanzieren.

Ich hatte Ihnen eingangs dargelegt, dass der Tabellenbetrag die Lebensstellung des Kindes i.S.d. § 1610 I BGB darstellt und damit den gesamten Lebensbedarf abdecken soll. Hiervon gibt es Ausnahmen:

  • es ist zu Ziffer 9. DT klargestellt, dass die Tabellenbeträge nicht die Beiträge zu Kranken- und Pflegeversicherung beinhalten, die somit, wenn das Kind nicht in die gesetzliche Familienversicherung eines Elternteils aufgenommen ist, zusätzlich gefordert werden können
  • es sind keine Studiengebühren beinhaltet
  • das Unterhaltsrecht kennt zudem Mehrbedarf und Sonderbedarf, der in § 1613 II Nr. 1 BGB als ein Kostenfaktor definiert ist, der „unabsehbar und außergewöhnlich hoch“ auftritt. Hier: Verweis auf die Beispielliste, die ich ausgeteilt habe.
  • In Rheinland-Pfalz ist Kindergarten ab 2. Lebensjahr beitragsfrei. Fremdbetreuungs- kosten sind in KiTA/Kinderhort denkbar. Hier differenziert BGH zeitlich: bei unter 3j. Kinder werden Kosten vorrangig in die Berechnung des Ehegattenunterhalts eingestellt; ab 3. Lebensjahr wird Erziehungsaspekt betont u. Mehrbedarf bejaht.

In zeitlicher Hinsicht sind die Eltern für die Dauer einer den individuellen Fähigkeiten des Kindes entsprechenden Ausbildung unterhaltspflichtig. Maßstab sind hier Billigkeitsaspekte bzw. ein Gebot wechselseitiger Rücksichtnahme: der Gesetzgeber erwartet von dem Volljährigen, dass der die Ausbildung an der vorgegeben Prüfungsordnung ausrichtet und er etwaige Wartezeit mit Jobs überbrückt; von den Eltern sind Orientierungsphasen für die Berufswahl zu akzeptieren (z.B. Studienfachwechsel bis zum 3. Semester) und bei fachlichem Zusammenhang auch die Kosten einer sog. Weiterbildung (klass. Fall: Banklehre – Abitur- BWL Studium; aktuell: Bachelor u. Master-Studiengang)

Bei volljährigen Kindern ist zusätzlich zu fragen:
Wie wird der verbleibende Barunterhaltsanspruch unter den Eltern aufgeteilt?
In intakten Ehen haben Eltern grundsätzlich ein Unterhaltsbestimmungsrecht (§ 1612 II BGB) u. können z.B. festlegen, dass sie für die Dauer der Berufsausbildung die Unterhaltspflicht im eigenen Haushalt erbringen.
In Trennungssituationen sind beide Elternteile barunterhaltspflichtig und sie haften dabei für den Volljährigenunterhalt im Verhältnis der Einkünfte zueinander, § 1606 III,1 BGB. Mit dem Ziel, den einkommenschwächeren Elternteil zu schützen, wird für den in die Quotenberechnung einzusetzenden Haftungsanteil das Einkommen der Elternteil jeweils um den Eigenbedarf gekürzt. Hier wirkt sich abermals die „Sonderstellung“ des privilegiert Volljährigen aus: der Vorwegabzug ist hier zu Ziff. 5 DT auf den notwendigen Selbstbehalt begrenzt (€1.000,– )/normaler Volljähriger wird der angemessene Eigenbedarf : € 1.200,– abgezogen.
Ich möchte für diese Quotenberechnung nochmals den Beispielsfall heranziehen:

Fallbeispiel: Haftungsanteile der Elternteile
Gleiche wirtschaftliche Situation der Eltern, d.h. bereinigtes Entgelt Vater v. € 1.455,–;
der Mutter v. € 1.045,–. Einsatzbeträge bestimmen sich damit wie folgt:
Mutter: 1.045,– Einkommen ./.1.000,– Selbstbehalt = € 45,– Einsatzbetrag
Vater: 1.455,– Einkommen ./. 1.000,– Selbstbehalt = € 455,– Einsatzbetrag
Quotenberechnung hieraus für Vater:

€ 455,– Einsatzbetrag Vater x € 378,– Barbedarf Kind = € 344,–gerundet
€ 500,– Einsatzbetrag Eltern

Bei einem volljährigen Kind außerhalb der allgemeinen Schulausbildung wäre die Mutter im Beispielfall nicht und der Vater nur eingeschränkt leistungsfähig, weil sich beide auf den erhöhten Eigenbedarf berufen können und sie keine gesteigerte Erwerbspflicht mehr haben.

Die Haftung ist zudem auf den auf den nach Eigenverdienst geschuldeten Unterhalt gem. SüdL begrenzt. Hier: € 321,–/Monat.

4. Ergänzende Anmerkungen zum Kindesunterhalt:

1. Es empfiehlt sich, in Trennungssituation Titel über den Kindesunterhalt zu schaffen, damit der Barbetrag notfalls vollstreckt/gepfändet werden kann. Hierzu ist nicht notwendig ein Verfahren nötig. Der pflichtige Elternteil kann freiwillig/kostenlos beim Jugendamt eine Verpflichtungsurkunde erstellen lassen, die den KU dynamisch mit dem in der DT ausgewiesenen Vomhundertsatz des Mindestunterhalts tituliert – Vorteil: Urkunde passt sich automatisch an die im 2-Jahres-Rhythmus erfolgte Tabellenänderung an.

2. In der Trennungssituation sollten Sie sich rasch nachweisbar um den KU kümmern, da er rückwirkend nur bis zu dem Zeitpunkt gefordert werden kann, in dem sich pflichtige Elternteil in Verzug befindet (§ 1613 I BGB). Dies wird regelmäßig durch Aufforderungsschreiben v. RA/Stufenmahnung bewirkt.
Auftraggeber: bis Scheidung Mutter im eigenen Namen; ab Scheidung als gesetzliche Vertreterin des Kindes.

3. Hinweis auf Leistungen nach UVG v. örtlichem JuAmt bei fehlendem Kindesunterhalt (max. bis 12. Lebensjahr; 6 Jahre Förderungshöchstdauer).

4. Verzicht auf Kindesunterhalt ist gesetzlich verboten (§ 1614 I BGB).

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