Frankreich hat Deutschland lange vorgeworfen, den im Rahmen des Haager Übereinkommens vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung, gestellten Anträgen auf Rückführung widerrechtlich verbrachter Kinder, nicht statt zu geben. Es geht nun aus einer jüngsten Statistik der französischen Zentralen Behörde hervor, dass gerade das Gegenteil heute der Fall ist (Ministerielle Antwort Nr. 116600, JOANQ, 25. Oktober 2011, Seite 11301).
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Minderjährige, deren Eltern beide sorgeberechtigt sind, können nicht ohne die Zustimmung des anderen Elternteils in einen anderen Staat verbracht werden. O.a. Übereinkommen dient dem Zweck, die Rückgabe eines Kindes, das widerrechtlich in einen anderen Staat verbracht wurde oder dort zurückgehalten wird, in den Staat, in dem das Kind unmittelbar vor dem widerrechtlichen Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, zu erwirken. Findet die Kindesentführung zwischen zwei Mitgliedstaaten der E.U. statt, gilt das Übereinkommen in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung.
Was passiert jedoch, wenn eine Frau während der Schwangerschaft ohne Zustimmung des Kindesvaters in einen anderen Staat übersiedelt.
Der Oberste französische Gerichtshof hat am 26. Oktober 2011 entschieden, dass es sich hier um eine Kindesentführung handelt und dass demzufolge dem Antrag auf Rückführung stattzugeben war (Cass. 1er civil, 26. Oktober 2011, Nr. 10-19.905 (Nr. 1015 FS-P+B+I).
In vorliegendem Fall hatte die Ehefrau während ihrer Schwangerschaft ihren kranken Vater in Frankreich besucht, wo das Kind zur Welt kam. Sie beantragte dort in einem Scheidungsverfahren über die elterliche Sorge ihrer beiden Kinder zu entscheiden. Der
Kindesvater hatte in den Staaten einen Antrag auf Rückgabe der Kinder gestellt, dem in den beiden ersten Instanzen stattgegeben wurde. Die Entscheidung wurde von dem Kassationshof befürwortet.
In einem umgekehrten Fall ging die nicht verheiratet schwangere Mutter mit ihrer zweijährigen Tochter nach Deutschland, um ebenfalls ihren kranken Vater zu besuchen und weigerte sich, wieder nach Frankreich zurückzukehren. Die Parteien vereinbarten vor dem deutschen Rückführungsrichter, dass die Mutter sechs Wochen nach der Geburt ihrer zweiten Tochter nach Frankreich zurückgeht, was sie nicht tat.
Der Pariser Familienrichter, vor dem bereits ein Sorgerechtsantrag über die erste Tochter gestellt worden war, hat seine Zuständigkeit auch über die zweite Tochter zu entscheiden,
damit motiviert, dass beide Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Paris hatten. Die
erste Tochter wurde widerrechtlich nach Deutschland verbracht und die zweite widerrechtlich dort zurückgehalten. Diese Verfahrensart hatte zum Vorteil, dass die elterliche Sorge, die
im französischen Recht von rechts wegen gemeinsam ausgeübt wird, wenn der Vater das Kind in dem Jahr seiner Geburt anerkannt hat, in beiden Fällen ebenfalls dem Vater gehörte.