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Fachbeitrag 28.02.2011

Handelsvertreter in Frankreich


(11. Juni 2007)

Nach französischem Recht bestehen hauptsächlich vier unterschiedliche Formen von Vertriebssystemen.

1.) Der freie Handelsvertreter:

Der freie Handelsvertreter verkauft die Waren im Namen und für Rechnung des Auftraggebers, wodurch er sich vom Kommissionär und vom bloßen Handelsmakler unterscheidet. Letzterer vermittelt ausschließlich und überlasst Dritten den Vertragsabschluss. Des Weiteren ist er dadurch vom Handelsmakler zu entscheiden, dass er überwiegend für einen Auftraggeber, den so genannten Prinzipal, tätig wird.

Der freie Handelsvertreter wird in Frankreich als “agent commercial” bezeichnet. Er ist selbstständiger Gewerbetreibender, ohne Kaufmann zu sein. Angestellte Handelsvertreter existieren nicht. Im Anstellungsverhältnis können nur Handelsreisende oder Voyageurs représentants placiers (VRP) tätig werden.

In Artikel L. 134-1 Code de Commerce wird der französische Handelsvertreter wie folgt definiert:

L’agent commercial est un mandataire (Beauftragter) qui, à titre de professsion indépendante (selbständige Berufsausübung), sans être lié par un contrat de louage de service (ohne dienstvertragliche Bindung), est chargé de facon permanente (ständig damit betraut) de négocier et, éventuellement, de conclure des contrats de vente, d’achat, de louage ou de prestation de sercices au nom et pour le compte de producteurs, d’industriels, de commercants ou d’autre agents commerciaux (für Hersteller, Lieferanten, Händler oder andere Handelsvertreter Kauf-, Leih- oder Dienstverträge zu verhandeln oder abzuschließen). Il peut être une personne physique ou une personne morale (als natürliche oder juristische Person).

Obgleich kein Kaufmann, sondern eine Art Beauftragter im Sinne der Artikel 1998 ff. des Code Civil, ist es dem französischen Handelsvertreter nicht gestattet, ohne vorherige Registrierung in einem speziellen Register als Handelsvertreter in Frankreich tätig zu werden. Ähnlich wie im französischen Arbeitsrecht, wird auch die Missachtung dieser Eintragungsformalitäten des in Frankreich tätigen Handelsvertreters strafrechtlich sanktioniert.

Es ist dringend anzuraten, vor Aufnahme einer Handelsvertretertätigkeit oder Ähnlichem in Frankreich rechtliche Vorsorge zu treffen. Dies gilt nicht nur für den klassischen Handelsvertreter, sondern auch etwa einem Versicherungs- oder Immobilienvertreter (agent immobilier). Insbesondere letztere Berufsgruppe, deren Rechtsstatus in Frankreich gesetzlich gesondert geregelt ist, kämpft bislang erfolgreich mit starker Lobby gegen etwaige Versuche deutscher oder anderer EU – ausländischer Immobilienmakler, sich auf dem französischen Immobilienmarkt zu etablieren. Einfachstes und überzeugendstes Argument ist dabei – trotz Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit – der Verweis auf das Strafrecht, für den Fall der Nichterfüllung der frankreichspezifischen Immobilienvertreterregelungen. Entsprechenden Gefahren ist auch der allgemeine Handelsvertreter, wie jeder in Frankreich wirtschaftlich Tätige, ausgesetzt.

a.) Rechts- und Pflichtenkreis:

An dieser Stelle kann grundsätzlich von der Übertragbarkeit der deutschen Regelungen auf das Modell des französischen Handelsvertreters ausgegangen werden. Der französische Handelsvertreter wird ständig für einen anderen, seinen Geschäftspartner, tätig und ist in Ausführung des Handelsvertretervertrages, der schriftlich abgefasst werden sollte, aber nicht muss, verpflichtet, seine Aufgaben mit der Sorgfalt eines ordentlichen Gewerbetreibenden ausüben. Dabei hat er die Interessen des Auftraggebers loyal zu wahren (Treuepflicht) und diesen über die wesentlichen geschäftlichen Verhältnisse ständig zu unterrichten. Er bewegt sich vor, bei und nach Abschluss eines Geschäftes des Auftraggebers mit Dritten im Rahmen seiner Vorgaben (Code de Commerce Art. L-134-4, Art. 4 ff loi n° 01-593 du 25.06.1991).

Als Gegenleistung steht ihm ein Provisionsanspruch zu (Code de Commerce Art. L 134-5 ff, Art. 5 ff loi n° 01-593 du 25.06.1991), der für den Fall einer fehlenden eindeutigen vertraglichen Vereinbarung in handelsüblicher Höhe entsteht. Zwecks Berechnung der Provisionshöhe steht dem Handelsvertreter gegen seinen Auftraggeber ein Anspruch auf Rechnungslegung zu. Der Auftraggeber hat die Abrechnung dabei derart zu gestalten, dass sich aus ihr zweifelsfrei die Grundlagen für die Berechnung der Provision ergeben (VO vom 10.06.1992). Der Handelsvertreter kann von seinem Auftraggeber zudem die Überlassung derjenigen Unterlagen und Erteilung derjenigen Auskünfte verlangen, welche für die Vertragserfüllung erforderlich sind (VO vom 10.06.1992).

Die Pflicht zur Loyalität verbietet es dem Handelsvertreter, für Konkurrenten des Auftraggebers tätig zu werden. Als selbstständigem Gewerbetreibendem ist es Ihm jedoch rechtlich jederzeit möglich, weitere Handelsvertretungen für solche Auftraggeber zu übernehmen, die keinerlei konkurrierende Tätigkeit zu jener des Vertragspartners entfalten (Code de Commerce Art. L 134-3, L. 1991 Art. 3). Auf Anforderung hat jede Partei die Pflicht, dem Vertragspartner eine Vertragsurkunde auszuhändigen (Code de Commerce Art. L 134-2; L. 1991 Art. 2). Die allgemeine Informationspflicht ist ebenfalls gegenseitig ausgestaltet.

b.) Besonderheiten des französischen Rechts bei der Beendigung von Handelsvertreterverträgen:

Ähnlich dem Fall der Produkthaftungsrichtlinie, wäre auch hier eigentlich von einer einheitlichen europaweiten Regelungen auszugehen, da zum Zwecke der Rechtsangleichung vorliegend die Europäische Handelsvertreter – Richtlinie 86/653 EWG erlassen worden ist, die in Deutschland durch Einführung des Paragraphen 89 b HGB in nationales Recht umgesetzt worden ist und einen in der Höhe beschränkten und an der Vertragsdauer orientierten Ausgleichsanspruch vorsieht. Frankreich hat sich für das Modell eines Entschädigungsanspruchs an Stelle eines Ausgleichsanspruchs entschieden, deren Voraussetzungen und Bezifferung sich aus Art. 12 des Gesetzes n° 01-593 du 25.06.1991/ Code de Commerce Art. L 134-12 in Verbindung mit der französischen Berufungsgerichtsrechtsprechung ergeben. Die europäischen Rechtsangleichungsbemühungen sind daher in Frankreich unvollständig geblieben, sodass man zum jetzigen Zeitpunkt davon ausgehen muss, dass es für den Auftraggeber etwa doppelt so teuer ist, sich in Frankreich von seinem Handelsvertreter zu trennen, als von dessen Kollegen in Deutschland (s.u.).

Der Entschädigungsanspruch gemäß Art. L 134- 12 Code de Commerce soll den auf Grund der verlorenen Marktstellung entstandenen Schaden ersetzen. Hierbei sind alle Provisionen in die Berechnung der Höhe der Entschädigung einzubeziehen. Dies gilt sogar, wenn die Provisionen nicht für originäre Handelsvertretertätigkeit gezahlt worden sind, sondern für logistische Auftragsarbeiten bei der Lagerung und Versendung der Ware. Der Entschädigungsanspruch umfasst neben dem Provisionsverlust auch Verluste für die nicht erfolgte Amortisation von Kosten und Aufwendungen und alle weiteren Einbußen, deren Höhe der Handelsvertreter zu beziffern in der Lage sein muss und welche auf die Vertragsbeendigung zurückzuführen sind. Eine Beschränkung des Entschädigungsanspruches auf den Jahresdurchschnitt der realisierten Provisionen während der letzten fünf Jahre existiert in Frankreich nicht. Die Rechtsprechung billigt dem Handelsvertreter in der Regel den Jahresverdienst für die letzten zwei Jahre als Entschädigungshöhe zu. Dabei bleiben die dem Handelsvertreter für diese Zeit entstandenen Kosten unberücksichtigt, so dass bei Übertragung auf die Maßstäbe des deutschen Rechts tatsächlich von einer mehr als zweijährigen Höchstgrenze auszugehen ist. Ein zweijähriger Jahresverdienst wird selbst dann als Entschädigungshöhe für angemessen erachtet, wenn der Vertrag noch nicht einmal zwei Jahre lang vollzogen war. Ausreichend ist beispielsweise eine Vertragsdauer von unter einem Jahr, wenn die Vertragsbeendigung plötzlich erfolgt und ihre Ursache nicht in der Person des Handelsvertreters oder seiner Tätigkeit findet (CA Nancy 22 septembre 1999, Dalloz 1999, JP page 62). Ein vertraglicher Ausschluss oder die Beschränkung dieses Entschädigungsanspruches durch den Auftraggeber sind unzulässig und führen zur Nichtigkeit.

Das deutsche Recht kennt einen ähnlichen Ausgleichsanspruch im Handelsvertreterrecht (§ 89 b Abs. 1 HGB). Anders als der französische setzt der deutsche Anspruch jedoch voraus, dass der Auftraggeber des Handelsvertreters auch nach der Beendigung des Vertragsverhältnisses aus dem geworbenen Kundenstamm Vorteile ziehen kann (Ziffer 1) oder eine solche Zahlung allgemein der Billigkeit entspricht (Ziffer 3). Darüber hinaus kennt das deutsche Handelsvertreterrecht einen Schadensersatzanspruch des Handelsvertreters wegen entgangener Gewinnerwartung. Dieser setzt ausdrücklich voraus, dass der Handelsvertreter mit dem von ihm geworbenen Kundenstamm zukünftige Gewinnerwartungen hatte (§ 89 b Abs. 1 Ziffer 2 HGB). Hierbei handelt es sich um eine tatsächliche Voraussetzung, die vom Handelsvertreter im Einzelfall bewiesen werden muss.

Der französische Ausgleichsanspruch gemäß Art. 134-12 Code de Commerce ist am ehesten mit der letzten Vorschrift des deutschen HGB vergleichbar. Auch bei der französischen Norm handelt es sich um einen Schadensersatzanspruch wegen entgangener Gewinnerwartung. Allerdings geht das französische Gesetz zu Gunsten des Handelsvertreters davon aus, dass die Voraussetzungen, die im deutschen Prozess bewiesen werden müssen, vorliegen. Der Handelsvertreter muss zur Durchsetzung seines Anspruches lediglich beweisen, dass ein Handelsvertretervertrag bestanden hat und dass dieser nunmehr nicht mehr besteht. Lediglich bei nachgewiesenem Verschulden des Handelsvertreters oder wenn der Vertrag auf Initiative des Handelsvertreters beendet wird, entfällt der Anspruch. Ähnlich wie im deutschen Recht entfällt auch der Anspruch, wenn dem Handelsvertreter durch die Beendigung kein Schaden entsteht. Allerdings muss diese Voraussetzung vom Auftraggeber bewiesen werden. Ein solcher Beweis dürfte in der Regel nur sehr schwer zu führen sein. Selbst im Falle der Kündigung des Vertrags durch den Handelsvertreter ist der Anspruch gemäß Art. 134-12 Code de Commerce gegeben, wenn der Auftraggeber den Vertrag vorher „substanziell“ ändern wollte (Cass. com. 22.05.1975, Bull. civ. IV n° 134, st. Rspr.). Dasselbe gilt, wenn der Handelsvertreter den Vertrag wegen Alter oder Krankheit kündigt. In der Praxis zeigen sich die deutschen Handelsgerichte eher zurückhaltend bei der Bemessung der Höhe des genannten Anspruchs. Auch ist der Anspruch gesetzlich auf eine Jahresprovision nach oben begrenzt (§ 89 Abs. 2 S. 1 HGB). Anders ist die Praxis der französischen Handelsgerichte. Hier ist nach ständiger Rechtsprechung von einem Anspruch auf zwei Jahresprovisionen auszugehen (s. Überblick bei Planiol et Ripert, Traité de droit commercial, T. 2 16e éd, Delebecque et Germain, n° 2628). Obwohl von der Zweijahresprovision grundsätzlich abgewichen werden könnte, ist dem Verfasser, der als Rechtsanwalt im französischen Handelsrecht in Frankreich tätig ist, kein einziger Fall bekannt, in dem die Instanzgerichte von dieser Regel abgewichen wären.

Vertragsgestaltend lässt sich auf den dargestellten Anspruch kein Einfluss nehmen. Die nahe liegende Möglichkeit, den Handelsvertretervertrag durch rechtsgeschäftliche Vereinbarung einem anderen Recht (z. B. dem deutschen Recht) zu unterstellen, ist nach französischem Recht ausgeschlossen. Die genannte Norm wird als Bestandteil des französischen Ordre public angesehen. Als solche würde ein anderes als das hier dargestellte Ergebnis durch ein französisches Handelsgericht abgeändert, auch wenn auf den Sachverhalt weiterhin insgesamt das deutsche Recht angewendet werden müsste.

Der Entschädigungsanspruch entfällt bei einer Kündigung aufgrund eines erhebliches Verschulden des Handelsvertreters (faute grave) oder bei Beendigung der Vertragsfortsetzung durch den Handelsvertreter (Code de Commerce Art. L 134 – 13). Es besteht eine einjährige Präklusionsfrist für die Geltendmachung der Entschädigungsforderung, welche nicht gerichtlicher Natur sein muss. Das französische Recht kennt hingegen keine Karenzentschädigung für die Dauer eines vereinbarten Wettbewerbsverbots.

Hinsichtlich des Gerichtsstandes existiert wissenswerte Rechtsprechung der Cour de Cassation, welche in Auslegung der Konvention Brüssel vom 27.09.1986 (EUGVÜ) danach unterscheidet, ob der in Frankreich für ein ausländisches Unternehmen tätige Handelsvertreter eine Beendigungsentschädigung geltend macht, wofür die Gerichte am Sitz des Auftraggebers zuständig sein sollen, oder Kündigungsfristentschädigungsansprüche und Schadensersatzforderungen, über welche ausschließlich französische Gerichte entscheidungsbefugt sein sollen (Cour de Cassation, 1ère civ., 09.02.2000). Im Übrigen sieht Art. 5 Abs. 1 EuGVÜ europaweit den Wohnsitz am Erfüllungsort des Vertragspartners als Gerichtsstand vor.

Nach den allgemeinen französischen Arbeitsrechtsregelungen wandeln sich auf bestimmte Zeit abgeschlossen Handelsvertreterverträge automatischen in solche mit unbestimmter Laufzeit um, wenn sie nach Beendigung der vereinbarten Vertragszeit von den Parteien fortgeführt werden. Die ordentliche Kündigungsfrist beträgt bei einjähriger Vertragslaufzeit einen Monat, bei zweijähriger Vertragslaufzeit zwei Monate und ab dreijähriger Vertragslaufzeit und länger einheitlich 3 Monate. Die Kündigung ist lediglich zum Ende eines Monats möglich. Abweichende Vereinbarungen von (längeren) Kündigungsfristen sind möglich, soweit die Kündigungsfrist für den Auftraggeber nicht kürzer ausgestaltet wird als jene, welche für den Handelsvertreter vorgesehen sind. Diese Kündigungsfristen gelten, wie im deutschen Recht, nicht für den Fall einer außerordentlichen Kündigung aufgrund schwerwiegender Vertragsverstöße.

c.) Steuerrecht

Unter bestimmten Bedingungen begründet das deutsche Unternehmen dann keine Betriebsstätte im steuerrechtlichen Sinn in Frankreich, wenn es seine Tätigkeit durch einen Handelsvertreter in Frankreich ausübt. Der Handelsvertreter muss dafür tatsächlich selbständig sein, was nach dem deutsch-französischen Doppelbesteuerungsabkommen mindestens voraussetzt, dass er im Rahmen seiner ordentlichen Geschäftstätigkeit handelt. Im Prinzip unterliegt die Leistung des Handelsvertreters der Umsatzsteuer in demjenigen EU-Mitgliedstaat, in dem sie erbracht wird. Teilt der Vollmachtgeber dem Handelsvertreter aber eine ID – Nummer in einem anderen EU – Mitgliedstaat mit (z.B. Deutschland), dann unterliegt die Leistung der Umsatzsteuer nur in diesem anderen EU-Mitgliedstaat.

2.) Der Kommissionär:

Der Kommissionär handelt in eigenem Namen, aber für Rechnung des Kommittenten. Die Vergütung des Kommissionärs muss dem Fremdvergleich entsprechen. Andernfalls besteht für den Kommissionär bzw. seinen Kommittenten ein Steuerrisiko hinsichtlich der französischen bzw. deutschen Verrechnungspreisregelung. Was die Umsatzsteuer betrifft, kommt es auf die genaue vertragliche Gestaltung an.

Der Kommissionär ist in der Regel nur dann berechtigt, eine Entschädigung zu beziehen, wenn mit der Vertragsbeendigung der Kundenstamm auf den Vertretenen übertragen wird oder wenn die Beendigung missbräuchlich herbeigeführt wurde.

3.) Der Eigenhändler:

Der Eigenhändler kauft und verkauft die Waren in eigenem Namen und für eigene Rechnung. Vertreibt das deutsche Unternehmen Waren in Frankreich durch ein gebundenes, aber als Eigenhändler handelndes Unternehmen, so besteht in der Regel kein Risiko der Einstufung als Betriebsstätte durch die Finanzbehörde (Betriebsstättenrisiko).

Der Eigenhändler bekommt grundsätzlich keine Entschädigung, wenn er keine Marke oder einen Kundenstamm in Frankreich besitzt. Bei Beendigung eines Vertrages mit einem Eigenhändler muss die Kündigungsfrist beachtet werden. Nach Art. L. 442-6 Code de Commerce trägt der Vertragspartner eine zivilrechtliche Haftung und ist dazu verpflichtet, Schadenersatz zu leisten, wenn er eine Handelsbeziehung, auch nur teilweise, ohne angemessenen Kündigungsfrist beendet. Die in dem Vertrag enthaltene Frist ist dabei unbeachtlich; die Kündigungsfrist muss unter anderem die Dauer der Handelsbeziehungen und die Handelsbräuche berücksichtigen. Die Rechtsprechung schreibt eine strenge Anwendung dieser Bestimmung vor. Als Beispiel hat der Cour d’Appel von Douai am 15. März 2001 beschlossen, dass für eine Handelsbeziehung von 12 Jahren eine Frist von zwei Jahren beachtet werden müsse. Der Richter ist nicht dazu berechtigt, den Kündigungsgrund zu überprüfen. Er darf nur die Angemessenheit der Kündigungsfrist im Hinblick auf die Dauer der Handelsbeziehung oder die Handelsbräuche prüfen. Wird keine angemessene Kündigungsfrist beachtet, kann die gekündigte Partei einen Schadenersatzanspruch gegenüber seinem Vertragspartner geltend machen.

4.) VRP

Ein anderer Sonderfall – im deutschen Recht unbekannt – ist der voyageur représentant placier/VRP (Art. L. 751-1 ff. Code Civil). Er gleicht einerseits einem Außendienstmitarbeiter, der einen Arbeitsvertrag mit dem Geschäftsherrn hat und somit die Vorteile, Rechte und Pflichten eines Arbeitsverhältnisses für ihn gelten; andererseits ähnelt er einem freien Handelsvertreter, da er im Namen und auf Rechnung des Geschäftsherrn Geschäfte anbahnt und ggf. abschließt. Außerdem kann ein VRP entweder nur für einen einzigen Arbeitgeber (VRP exclusif ou monocarte) arbeiten oder für mehrere (VRP multicarte). Seine Arbeit bringt es mit sich, dass das Subordinationsverhältnis gelockert ist und laut Rechtsprechung nicht mehr als entscheidendes Kriterium für die Zuerkennung des VRP-Status angesehen wird. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Geschäftsherrn hat er normalerweise einen gesetzlichen Anspruch auf eine Ausgleichsentschädigung (indemnité de rupture, die verschiedenartig ausgestaltet sein kann).

Deutsche Unternehmen schließen mitunter Vertreterverträge mit Franzosen ab ohne die Frage zu prüfen, ob es sich um einen VRP oder einen freien Handelsvertreter handelt. Beide haben jeweils einen gesetzlichen Sonderstatus als Arbeitnehmer oder non-salarié. Die Grenzen sind fließend; die vertragliche Qualifizierung und sogar die Eintragung in das Spezialregister der freien Vertreter sind bloße Indizien. Größeres Gewicht hat der Umfang der Weisung bzw. der tatsächlichen Ausübung von Direktionsgewalt durch den Geschäftsherrn. Das VRP- Statut ist ausgeschlossen, wenn der Vertreter eigene Geschäfte abschließt, Untervertreter beschäftigt oder eine Delkredere-Haftung mit dem Geschäftsherrn vereinbart. Stellt sich später, meist bei Kündigung durch den Geschäftsherrn, heraus, dass der Vertreter VRP und nicht freier Handelsvertreter ist, muss das Unternehmen als Arbeitgeber möglicherweise die gesamten Sozialabgaben nachentrichten, außerdem ggf. erhebliche Abfindungen wegen Nichtbeachtung des besonderen Kündigungsverfahrens für Arbeitnehmer und wegen missbräuchlicher Kündigung zahlen. Zu beachten ist auch, dass im Vertrag des agent commercial Rechtswahl- und Gerichtsstandsklauseln wirksam sind, dagegen nicht beim VRP.

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Rechtsanwalt
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